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Eine der Personen an der Tunnelwand — breitschultrig, muskulös — drückte sich einen gebrochenen Arm an den Oberkörper, weinte geräuschvoll, stöhnte bei jedem Ausatmen, keuchte bei jedem Einatmen. Sie wusste genauso wie alle anderen in der Reihe, dass es zwei Möglichkeiten gab. Entweder wurden sie für die künftige Verwendung als Hilfseinheiten eingelagert, so wie meine Hilfseinheiten, die in diesem Moment vor ihnen standen — ohne Identität, die Körper ein Anhängsel eines Radchaai-Kriegsschiffs —, oder sie wurden entsorgt.

Seivarden marschierte wichtigtuerisch vor der Reihe auf und ab und reagierte immer gereizter auf jeden krampfhaften Atemzug der bedauernswerten Gefangenen, bis sie schließlich vor ihr stehen blieb. »Bei Aatrs Titten! Hören Sie mit dem Lärm auf!« Die leichten Bewegungen von Seivardens Armmuskeln verrieten mir, dass sie gleich die Waffe heben würde. Es hätte niemanden interessiert, wenn sie die Gefangene mit dem Gewehrkolben bewusstlos geschlagen hätte. Es hätte niemanden interessiert, wenn sie der Gefangenen in den Kopf geschossen hätte, solange dabei keine wichtige Ausrüstung beschädigt wurde. Menschliche Körper, die sich als Hilfseinheiten verwenden ließen, waren nicht gerade eine knappe Ressource.

Ich trat vor sie. »Leutnantin«, sagte ich tonlos. »Der Tee, den Sie bestellt haben, ist bereit.« In Wirklichkeit war er schon seit fünf Minuten fertig gewesen, aber ich hatte bislang nichts gesagt, es mir aufgehoben.

In den Werten, die ich von dieser schrecklich jungen Leutnantin Seivarden empfing, erkannte ich Erschrecken, Frustration, Verärgerung. Gereiztheit. »Das war vor fünfzehn Minuten«, gab sie zurück. Ich antwortete nicht. Die Gefangene hinter mir schluchzte und stöhnte immer noch. »Können Sie sie irgendwie zum Schweigen bringen?«

»Ich werde mein Bestes tun, Leutnantin«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es im Grunde nur eine Möglichkeit gab, diese wimmernde Gefangene zum Schweigen zu bringen. Die frisch gebackene Leutnantin Seivarden schien sich dessen nicht bewusst zu sein.

Einundzwanzig Jahre nach ihrer Ankunft an Bord der Gerechtigkeit der Torren — und etwas über tausend Jahre, bevor ich sie im Schnee fand — war Seivarden die führende Esk-Leutnantin. Mit achtunddreißig und immer noch recht jung nach Radchaai-Maßstäben. Eine Bürgerin konnte etwa zweihundert Jahre lang leben.

An ihrem letzten Tag trank sie Tee, während sie auf ihrer Koje in ihrem Quartier saß, drei mal zwei mal zwei Meter groß, mit weißen Wänden, penibel sauber. Inzwischen war sie in die aristokratische Nase hineingewachsen, war ausgewachsen. Nicht mehr ungeschickt oder unsicher.

Neben ihr auf der ordentlich gemachten Koje saß die jüngste Leutnantin dieser Esk-Dekade, die erst vor wenigen Wochen eingetroffen war, so etwas wie eine Cousine von Seivarden, wenn auch aus einem anderen Haus. Größer als Seivarden in diesem Alter, breiter, etwas anmutiger. Die meiste Zeit. Sie war nervös, weil sie aufgefordert worden war, sich hier unter vier Augen mit der vorgesetzten Leutnantin zu beraten, ob nun eine Cousine oder nicht, aber sie konnte es gut kaschieren. Seivarden sagte zu ihr: »Sie sollten vorsichtig sein, Leutnantin, wem Sie Ihre … Aufmerksamkeit schenken.«

Die sehr junge Leutnantin runzelte beschämt die Stirn, als ihr plötzlich bewusst wurde, worum es ging.

»Sie wissen, wen ich meine«, fuhr Seivarden fort, und auch ich wusste es. Eine der anderen Esk-Leutnantinnen hatte es definitiv bemerkt, als die sehr junge Leutnantin an Bord gekommen war, hatte langsam und diskret die Möglichkeit ausgelotet, ob die sehr junge Leutnantin vielleicht auch sie bemerken würde. Aber nicht so diskret, dass Seivarden es nicht gesehen hätte. Sogar der gesamte Dekadenraum hatte es gesehen, ebenso wie die faszinierte Reaktion der sehr jungen Leutnantin.

»Ich weiß, wen Sie meinen«, sagte die sehr junge Leutnantin. Indigniert. »Aber ich verstehe nicht, warum …«

»Ah!«, sagte Seivarden streng und entschieden. »Sie glauben, es wäre ein harmloser Spaß. Nun, wahrscheinlich wäre es wirklich ein Spaß.« Seivarden hatte selbst vor einiger Zeit mit der fraglichen Leutnantin geschlafen und wusste somit, wovon sie sprach. »Aber es wäre nicht harmlos. Sie ist eine recht gute Offizierin, aber ihr Haus ist sehr provinziell. Wenn sie nicht Ihre Vorgesetzte wäre, würde es kein Problem darstellen.«

Das Haus der sehr jungen Leutnantin war definitiv nicht »sehr provinziell«. Trotz ihrer Naivität war ihr sofort klar, was Seivarden meinte. Und sie war deswegen wütend genug, um Seivarden auf eine Weise anzusprechen, die weniger förmlich war, als es der Anstand geboten hätte. »Bei Aatrs Titten, Cousine, niemand hat etwas von einer Klientinnenschaft gesagt. Niemand von uns könnte das, niemand von uns kann Verträge abschließen, bevor wir im Ruhestand sind.« Unter den Reichen war eine Klientinnenschaft eine sehr hierarchische Beziehung — eine Patronin versprach ihrer Klientin bestimmte Arten von Unterstützung, sowohl finanzieller als auch gesellschaftlicher Natur, und eine Klientin assistierte und diente ihrer Patronin. Solche Versprechen konnten Generationen überdauern. Zum Beispiel waren in den ältesten und renommiertesten Häusern fast alle Dienerinnen die Abkömmlinge von Klientinnen, und das Personal vieler Unternehmen, die reichen Häusern gehörten, bestand aus Klientinnen, die dem gleichen Familienzweig eines geringeren Hauses entstammten.

»Diese provinziellen Häuser sind sehr ambitioniert«, erklärte Seivarden in leicht herablassendem Tonfall. »Und sehr geschickt, weil sie sonst kaum so weit gekommen wären. Sie hat eine höhere Stellung als Sie, und Sie beide haben noch viele Dienstjahre vor sich. Wenn Sie ihr unter diesen Bedingungen Intimität gestatten, die Beziehung fortsetzen und sich darauf stützen, wird sie irgendwann Ihnen die Klientinnenschaft anbieten, obwohl es eigentlich andersherum sein sollte. Ich glaube kaum, dass Ihre Mutter es Ihnen danken würde, wenn Sie Ihr Haus einem derartigen Affront aussetzen.«

Das Gesicht der sehr jungen Leutnantin erhitzte sich vor Wut und Verdruss, als plötzlich der Glanz ihrer ersten erwachsenen Romanze verblasste und sich die Sache in etwas Schäbiges und Berechnendes verwandelte.

Seivarden beugte sich vor, griff nach der Teekanne und hielt dann mit unvermittelter Verärgerung inne. Mit einem Zucken der Finger ihrer freien Hand teilte sie mir lautlos mit: »Dieser Ärmel ist schon seit drei Tagen eingerissen.«

Ich antwortete ihr direkt ins Ohr: »Das tut mir leid, Leutnantin.« Ich hätte ihr anbieten sollen, die Reparatur unverzüglich durchzuführen, hätte ein Segment von Eins Esk beauftragen sollen, das fehlerhafte Hemd abzuholen. Eigentlich hätte ich mich sogar schon vor drei Tagen darum kümmern sollen. Ich hätte sie an diesem Tag nicht dieses Hemd anziehen lassen sollen.

Stille im engen Quartier, die sehr junge Leutnantin immer noch mit ihrer peinlichen Situation beschäftigt. Dann sagte ich, wieder direkt in Seivardens Ohr: »Leutnantin, die Dekaden-Kommandantin möchte Sie sprechen, sobald Sie verfügbar sind.«

Ich hatte gewusst, dass die Beförderung anstand. Hatte Genugtuung wegen der Tatsache empfunden, dass ich, selbst wenn sie mir in diesem Moment befohlen hätte, den Ärmel zu reparieren, keine Zeit gehabt hätte, es zu tun. Sobald sie ihr Quartier verlassen hatte, begann ich damit, ihre Sachen zusammenzupacken, und drei Stunden später war sie auf dem Weg zu ihrem neuen Posten, als frischgebackene Kapitänin der Schwert der Nathtas. Es tat mir nicht besonders leid, dass sie ging.