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Strigan sagte nichts, zuckte nur mit einer grauen Augenbraue.

»Wenn ich Sie gefunden habe, ist Anaander Mianaai auf jeden Fall dazu in der Lage«, sagte ich. Wir unterhielten uns immer noch in Strigans Sprache. Welches Geschlecht hatte sie der Herrin der Radch zugewiesen? »Aber er hat Sie noch nicht gefunden, vermutlich weil er gegenwärtig mit anderen Angelegenheiten beschäftigt ist, und aus Gründen, die Ihnen klar sein dürften, wird er wahrscheinlich zögern, diese Sache zu delegieren.«

»Also bin ich in Sicherheit.« Sie klang fester davon überzeugt, als sie es tatsächlich sein konnte.

Seivarden kehrte geräuschvoll aus dem Bad zurück und ließ sich zurück auf ihre Pritsche sinken, mit zitternden Händen, schnell und flach atmend.

»Ich nehme jetzt die Hand aus meinem Mantel«, sagte ich und tat es dann. Langsam. Leer.

Strigan seufzte und ließ ihre Waffe sinken. »Wahrscheinlich könnte ich Sie sowieso nicht erschießen.« Weil sie davon überzeugt war, dass ich zum Radchaai-Militär gehörte und demnach eine Rüstung trug. Natürlich konnte sie mich überraschen oder feuern, bevor ich meine Rüstung entfaltete, und mich tatsächlich erschießen.

Und natürlich hatte sie die Waffe. Auch wenn sie sie vielleicht nicht zur Hand hatte. »Kann ich meine Ikone zurückhaben?«

Sie runzelte die Stirn, dann erinnerte sie sich, dass sie sie immer noch in der Hand hielt. »Ihre Ikone.«

»Sie gehört mir«, stellte ich klar.

»Eine erstaunliche Ähnlichkeit«, sagte sie und schaute sie sich noch einmal an. »Woher stammt sie?«

»Von sehr weit weg.« Ich streckte eine Hand aus. Sie gab sie mir zurück, und einhändig streifte ich den Auslöser, worauf sich das Bildnis wieder zusammenfaltete und sich die goldene Scheibe schloss.

Strigan blickte konzentriert zu Seivarden und runzelte wieder die Stirn. »Ihr Streuner leidet unter Angstzuständen.«

»Ja.«

Strigan schüttelte den Kopf, entweder frustriert oder verärgert, und trat in ihre Krankenstation. Sie kehrte zurück, ging zu Seivarden hinüber, beugte sich herab und griff nach ihr.

Seivarden schreckte zusammen, stieß sich hoch und zurück, packte Strigans Handgelenk mit der Absicht, es zu brechen. Aber Seivarden war nicht mehr die, die sie einmal gewesen war. Die Ausschweifungen und die vermutliche Unterernährung hatten ihren Tribut gefordert. Strigan ließ ihren Arm in Seivardens Griff, und mit der anderen Hand holte sie zwischen den Fingern einen weißen Tab hervor, den sie Seivarden auf die Stirn drückte. »Sie tun mir nicht leid«, sagte sie auf Radchaai. »Es ist nur so, dass ich Ärztin bin.« Seivarden starrte sie mit einem unerklärlich entsetzten Gesichtsausdruck an. »Lassen Sie mich los.«

»Lassen Sie los, Seivarden, und legen Sie sich wieder hin«, sagte ich in strengem Tonfall. Sie starrte Strigan noch zwei Sekunden lang an, doch dann tat sie, was ich ihr gesagt hatte.

»Ich nehme ihn nicht als meinen Patienten an«, sagte Strigan zu mir, als sich Seivardens Atmung beruhigte und sich ihre Muskeln entspannten. »Es ist nicht mehr als Erste Hilfe. Und ich möchte nicht, dass er in Panik gerät und meine Sachen zerbricht.«

»Ich werde jetzt schlafen«, erwiderte ich. »Wir können morgen früh weiterreden.«

»Es ist schon morgen früh.« Aber sie diskutierte nicht weiter.

Sie wäre nicht so dumm, mich zu durchsuchen, während ich schlief. Sie musste wissen, wie gefährlich das sein konnte.

Sie würde mich auch nicht im Schlaf erschießen, obwohl es eine einfache und effektive Methode wäre, mich loszuwerden. Wenn ich schlief, wäre ich ein leichtes Ziel für eine Kugel, solange ich nicht jetzt meine Rüstung entfaltete und sie aktiviert ließ.

Aber das war nicht nötig. Strigan würde nicht auf mich schießen, zumindest nicht, bevor sie Antworten auf ihre vielen Fragen erhalten hatte. Und selbst dann würde sie es vielleicht nicht tun. Das Rätsel war einfach zu gut.

Strigan befand sich nicht im Hauptraum, als ich aufwachte, aber die Tür zum Schlafzimmer war verschlossen. Also vermutete ich, dass sie entweder schlief oder Privatsphäre wünschte. Seivarden war wach und starrte mich an. Sie war nervös und rieb sich die Arme und Schultern. Vor einer Woche hatte ich sie daran hindern müssen, sich die Haut blutig zu kratzen. Ihr Zustand hatte sich erheblich verbessert.

Die Schachtel mit dem Geld lag dort, wo Strigan sie zurückgelassen hatte. Ich überprüfte den Inhalt — er war nicht angetastet worden —, steckte sie weg, schloss meinen Rucksack und überlegte dabei, wie mein nächster Schritt aussehen sollte.

»Bürgerin«, sagte ich zu Seivarden, schroff und gebieterisch. »Frühstück.«

»Was?« Sie war so überrascht, dass sie für einen Moment aufhörte, sich zu bewegen.

Ich zog einen Mundwinkel hoch, nur ganz leicht. »Soll ich die Ärztin bitten, Ihr Hörvermögen zu überprüfen?« Das Saiteninstrument lag neben mir, wo ich es am Vorabend deponiert hatte. Ich nahm es auf, zupfte eine Quinte. »Frühstück.«

»Ich bin nicht Ihre Dienerin«, protestierte sie empört.

Ich verstärkte meinen spöttischen Ausdruck um ein winziges Maß. »Was sind Sie dann?«

Sie erstarrte, ihr Gesichtsausdruck sichtlich verärgert, und dann versuchte sie genauso sichtlich zu entscheiden, welche Antwort sie mir am besten darauf geben konnte. Aber die Frage war — im Augenblick — viel zu schwierig, um sie einfach beantworten zu können. Ihr Vertrauen in ihre Überlegenheit hatte offenkundig einen zu harten Schlag erhalten, als dass sie in diesem Moment damit zurechtkommen konnte. Es war ihr anscheinend nicht möglich, eine passende Erwiderung zu finden.

Ich beugte mich zum Instrument herab und begann damit, eine Melodie zu zupfen. Ich erwartete, dass sie sitzen blieb, bis zumindest der Hunger sie antrieb, sich selbst eine Mahlzeit zuzubereiten. Oder ihr fiel mit einiger Verzögerung doch etwas ein, das sie zu mir sagen konnte. Ich stellte fest, dass ich halb gehofft hatte, sie würde mich körperlich angreifen, damit ich Vergeltung üben konnte, aber vielleicht stand sie immer noch unter dem Einfluss dessen, was Strigan ihr gestern Abend gegeben hatte, wenn auch nur leicht.

Die Tür zu Strigans Zimmer ging auf, und sie trat in den Hauptraum, hielt inne, verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. Seivarden beachtete sie nicht weiter. Niemand von uns sagte etwas, und nach fünf Sekunden drehte Strigan sich um und ging in die Küche, wo sie einen Schrank öffnete.

Er war leer. Was ich bereits am Vorabend gewusst hatte. »Sie haben hier alles ausgeräumt, Breq von der Gerentate«, sagte Strigan ohne Groll. Fast, als würde sie es komisch finden. Hier drohte uns kaum die Gefahr des Verhungerns — selbst im Sommer war es draußen wie ein großer Kühlschrank, und das ungeheizte Lagergebäude enthielt jede Menge Proviant. Es ging nur darum, sich etwas zu holen und es aufzutauen.

»Seivarden.« Ich benutzte den gleichen gelassenen und verächtlichen Tonfall, den ich von Seivarden in der fernen Vergangenheit gehört hatte. »Holen Sie etwas zu essen aus dem Schuppen.«

Sie erstarrte und blinzelte dann verblüfft. »Was zum Teufel glauben Sie, wer Sie sind?«

»Ihre Ausdrucksweise, Bürgerin!«, tadelte ich sie. »Außerdem könnte ich Ihnen dieselbe Frage stellen.«

»Sie … Sie ignorante Niemand.« Die plötzliche Intensität ihrer Wut führte dazu, dass sie wieder den Tränen nahe war. »Sie glauben, Sie wären etwas Besseres als ich? Dabei sind Sie kaum als menschlich zu bezeichnen.« Sie meinte damit nicht, dass ich eine Hilfseinheit war. Ich war mir ziemlich sicher, dass ihr dieser Aspekt noch gar nicht aufgefallen war. Sie meinte damit, dass ich keine Radchaai war, und vielleicht, dass ich Implantate haben könnte, die außerhalb des Einflussbereichs der Radch üblich waren und die in den Augen von Radchaai meine Menschlichkeit kompromittierten. »Ich wurde nicht als Ihre Dienerin gezüchtet.«