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Ich kann mich sehr, sehr schnell bewegen. Ich stand, und mein Arm hatte den Hieb bereits zur Hälfte ausgeführt, als mir meine Bewegung bewusst wurde. Ein Sekundenbruchteil verging, in dem ich mich vielleicht hätte zusammenreißen können, aber dann war er vorbei, und meine Faust schlug in Seivardens Gesicht — so schnell, dass ihr nicht einmal die Zeit blieb, mit Überraschung zu reagieren.

Sie stürzte, fiel rückwärts auf ihre Pritsche, Blut ergoss sich aus ihrer Nase, und sie blieb reglos liegen.

»Ist er tot?«, fragte Strigan, die immer noch in der Küche stand, mit leichter Neugier.

Ich machte eine mehrdeutige Geste. »Sie sind die Ärztin.«

Sie ging zur bewusstlosen und blutenden Seivarden hinüber. Blickte auf sie herab. »Nicht tot«, verkündete sie. »Obwohl ich mich gern davon überzeugen würde, dass der Schlag keine schlimmeren Folgen haben wird.«

Ich deutete Resignation an. »Es ist, wie Amaat es will«, sagte ich, zog meinen Mantel an und ging nach draußen, um Lebensmittel zu holen.

6

Auf Shis’urna, in Ors, saß die Sieben Issa der Gerechtigkeit der Ennte, die Leutnantin Skaaiat zu Jen Shinnan begleitet hatte, neben mir im unteren Stockwerk des Hauses. Sie hatte außer ihrer Bezeichnung noch einen Namen, den ich nie benutzte, obwohl ich ihn kannte. Selbst Leutnantin Skaaiat sprach individuelle menschliche Soldatinnen, die ihr unterstanden, gelegentlich nur als »Sieben Issa« an. Oder mit ihren Segmentnummern.

Ich holte ein Spielbrett hervor, und wir spielten schweigend zwei Runden. »Können Sie mich nicht hin und wieder gewinnen lassen?«, fragte sie nach dem zweiten Spiel, und bevor ich antworten konnte, ertönte ein dumpfes Geräusch aus dem Obergeschoss, was sie zum Grinsen brachte. »Wie es aussieht, kann sich Leutnantin Steif doch entspannen!« Sie warf mir einen Blick zu, der mich in ihren Witz einbeziehen sollte, in ihre Belustigung über den Kontrast zwischen Awns üblicher bedächtiger Förmlichkeit und dem, was offensichtlich oben zwischen ihr und Leutnantin Skaaiat vor sich ging. Aber schon im nächsten Moment verblasste Sieben Issas Lächeln. »Es tut mir leid. Ich wollte damit nichts andeuten. Es ist nur das, was wir …«

»Ich weiß«, sagte ich. »Ich nehme es Ihnen nicht übel.«

Sieben Issa runzelte die Stirn und machte unbeholfen eine ungeschickte zweifelnde Geste mit der linken Hand, während die Finger ihres Handschuhs ein halbes Dutzend Spielsteine umschlossen. »Schiffe haben Gefühle.«

»Ja, natürlich.« Ohne Gefühle werden unbedeutende Entscheidungen zu qualvollen Versuchen, endlose Reihen von belanglosen Aspekten miteinander zu vergleichen. Es ist viel einfacher, so etwas emotional abzuwägen. »Aber wie ich bereits sagte, nehme ich es Ihnen nicht übel.«

Sieben Issa betrachtete das Spielbrett und ließ die Steine in eine der Vertiefungen fallen. Sie starrte sie noch einen Moment lang an, bevor sie wieder aufblickte. »Man hört Gerüchte. Über Schiffe und Leute, die sie mögen. Und ich würde schwören, dass sich Ihr Gesicht niemals verändert, aber …«

Ich bewegte meine Gesichtsmuskeln und lächelte, einen Ausdruck, den ich schon viele Male gesehen hatte.

Sieben Issa zuckte zusammen. »Tun Sie das nicht!«, sagte sie empört, aber weiterhin gedämpft, damit die Leutnantinnen uns nicht hören konnten.

Es ging nicht darum, dass mir das Lächeln vielleicht missglückt war — ich wusste genau, dass es das nicht war. Es war die plötzliche Veränderung, von meiner üblichen Ausdruckslosigkeit zu etwas Menschlichem, was einige der Sieben Issas irritierte. Ich legte das Lächeln ab.

»Bei Aatrs Titten«, fluchte Sieben Issa. »Wenn Sie das tun, sieht es aus, als wären Sie besessen oder so.« Sie schüttelte den Kopf und nahm die Steine auf, um sie über das Spielbrett zu verteilen. »Also gut, das heißt, Sie wollen nicht darüber reden. Spielen wir noch eine Runde.«

Der Abend wurde spät. Die Gespräche der Nachbarn wurden schleppender und zielloser, bis sie ganz aufhörten, als die Leute ihre schlafenden Kinder einsammelten und zu Bett gingen.

Denz Ay traf vier Stunden vor Sonnenaufgang ein, und ich stieg ohne ein Wort zu ihr ins Boot. Weder sie noch ihre Tochter, die im Heck saß, grüßten mich oder reagierten sonst wie auf meine Anwesenheit. Langsam und fast lautlos trieben wir vom Haus fort.

Am Tempel wurde weiter Wache gehalten, und die Gebete der Priester waren als unregelmäßiges gedämpftes Gemurmel hörbar. Auf den Straßen der Ober- und der Unterstadt war es still, abgesehen von meinen eigenen Schritten und den Geräuschen des Wassers, und dunkel, abgesehen von den strahlenden Sternen und dem Blinken der Bojen, die die Sperrzonen abgrenzten, und dem Licht vom Tempel der Ikkt. Die Sieben Issa, die uns zurück zu Leutnantin Awns Haus begleitet hatte, schlief auf einer Pritsche im Erdgeschoss.

Leutnantin Awn und Leutnantin Skaaiat lagen zusammen im Obergeschoss, still und kurz vor dem Einschlafen.

Niemand außer uns war hier draußen auf dem Wasser. Im Boden des Bootes sah ich Seile, Netze, Atmer und einen runden, verschlossenen Korb, an dem ein Anker befestigt war. Die Tochter bemerkte, wie mein Blick darauf fiel, und schob den Korb gespielt lässig mit dem Fuß unter ihren Sitz. Ich schaute woanders hin, über das Wasser, zu den blinkenden Bojen, und sagte nichts. Die Fiktion, dass sie die Informationen, die ihre Tracker aussandten, verbergen oder verändern konnten, war durchaus nützlich, auch wenn niemand tatsächlich daran glaubte.

Sobald wir in den Kreis der Bojen gelangt waren, setzte sich Denz Ays Tochter einen Atmer auf den Mund und glitt mit einem Seil in der Hand über die Bordwand. Der See war nicht besonders tief, schon gar nicht zu dieser Jahreszeit. Wenige Augenblicke später tauchte sie wieder auf und stieg zurück ins Boot, und wir zogen die Kiste hoch, was relativ einfach war, bis sie die Oberfläche erreicht hatte. Aber zu dritt schafften wir es, sie ins Boot zu hieven, ohne allzu viel Wasser aufzunehmen.

Ich wischte Schlamm vom Deckel. Die Kiste war von Radchaai hergestellt worden, aber das war an sich gar nicht allzu alarmierend. Ich fand den Riegel und ließ ihn aufschnappen.

Die Waffen, die sich darin befanden — länglich, schlank und tödlich —, gehörten zu den Modellen, mit denen die Tanmind-Soldatinnen vor der Annexion ausgerüstet waren. Ich wusste, dass jede einzelne eine Identifikationsmarkierung haben musste und dass sämtliche Waffen, die wir konfisziert hatten, gelistet und gemeldet waren. Also konnte ich das Bestandsverzeichnis konsultieren und mehr oder weniger genau bestimmen, ob es sich hierbei um konfiszierte Waffen oder solche handelte, die uns entgangen waren.

Wenn es konfiszierte Waffen waren, würde diese Situation plötzlich viel komplizierter werden, als es im Moment noch den Anschein hatte. Und die Situation war auch jetzt schon kompliziert genug.

Leutnantin Awn befand sich in einer Non-REM-Schlafphase. Leutnantin Skaaiat ebenfalls, wie es schien. Ich konnte das Bestandsverzeichnis aus eigener Initiative konsultieren. Ich sollte es sogar tun. Aber ich tat es nicht — teils, weil ich erst gestern an die Korruption der Behörden von Ime erinnert worden war, an den Amtsmissbrauch, den skandalösen Missbrauch von Macht, Dinge, die jede Bürgerin für unmöglich gehalten hätte. Allein diese Mahnung genügte, mich vorsichtig zu machen. Aber auch nach Denz Ays Erklärungen, dass Bewohner der Oberstadt nachträglich Beweise deponierten, und dem Gespräch beim Abendessen, in dem die feindselige Stimmung in der Oberstadt klar zum Ausdruck gekommen war, schien irgendetwas nicht ganz in Ordnung zu sein. Niemand in der Oberstadt würde davon erfahren, wenn ich Informationen über konfiszierte Waffen anforderte, aber was war, wenn andere darin involviert waren? Personen, die alarmiert würden, wenn an bestimmten Stellen bestimmte Fragen gestellt wurden? Denz Ay und ihre Tochter saßen still im Boot und schienen völlig unbesorgt zu sein, schienen sich auch nicht zu wünschen, woanders zu sein oder etwas anderes zu tun.