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»Das wüsste ich auch gern.« Es war ein weiteres Rätsel für sie, aber keins, mit dem ich sie absichtlich konfrontiert hatte. Ich wusste es selbst nicht. Ich wusste nicht, warum es mir nicht egal war, ob Seivarden im Schneesturm erfror, warum ich sie mitgenommen hatte, warum es mir nicht egal war, ob sie mit einem fremden Kriecher flüchtete oder in die grünfleckige Eiswüste hinausmarschierte und starb.

»Und warum sind Sie so wütend auf ihn?«

Das wusste ich. Und wenn ich ehrlich war, war es Seivarden gegenüber nicht ganz fair, dass ich wütend war. Trotzdem änderte das nichts an den Fakten und auch nichts an meiner Wut.

»Warum wollen Sie Anaander Mianaai töten?« Seivarden drehte leicht den Kopf, als ihre Aufmerksamkeit durch den vertrauten Namen geweckt wurde.

»Das ist etwas Persönliches.«

»Etwas Persönliches.« Strigans Tonfall klang ungläubig.

»Ja.«

»Sie sind keine Person mehr. Das haben Sie mir selbst gesagt. Sie sind Ausrüstung. Eine Maschine. Das Anhängsel der KI eines Raumschiffs.« Ich sagte nichts, sondern wartete, dass sie über ihre eigenen Worte nachdachte. »Gibt es ein Schiff, das den Verstand verloren hat? In letzter Zeit, meine ich.«

Geistesgestörte Radchaai-Schiffe waren der Stoff für Melodramen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Radchaai-Territoriums. Auch wenn entsprechende Unterhaltungsprogramme für gewöhnlich Historiendramen waren. Als Anaander Mianaai die Herrschaft über den Kern des Radchaai-Reichs übernommen hatte, hatten sich ein paar Schiffe nach dem Tod oder der Gefangennahme ihrer Kapitäninnen selbst zerstört, und Gerüchten zufolge sollten sich einige weitere seit dreitausend Jahren immer noch irgendwo im Weltraum herumtreiben, halb wahnsinnig und verzweifelt. »Nicht dass ich wüsste.«

Höchstwahrscheinlich verfolgte sie die Nachrichten aus der Radch, zu ihrer eigenen Sicherheit, wenn man bedachte, was sie meiner Überzeugung nach verbarg und welche Konsequenzen ihr drohten, sollte Anaander Mianaai jemals davon erfahren. Sie verfügte möglicherweise über alle Informationen, die sie brauchte, um mich zu identifizieren. Aber nach einer halben Minute gestikulierte sie zweifelnd, enttäuscht. »Sie werden es mir nicht einfach sagen.«

Ich lächelte ruhig und freundlich. »Wo bliebe dann der Spaß?«

Sie lachte, schien sich wirklich über meine Antwort zu amüsieren. Was ich für ein hoffnungsvolles Zeichen hielt. »Wann werden Sie also gehen?«

»Wenn Sie mir die Waffe geben.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

Eine Lüge. Offenkundig eine Lüge. »Ihr Apartment in der Station Dras Annia. Es ist unberührt. Genauso, wie Sie es verlassen haben, soweit ich es einschätzen konnte.«

Strigans Bewegungen wurden bedächtiger, ein wenig langsamer — ihr Blinzeln, ihre Atemzüge. Die Hand, die sorgfältig Staub vom Ärmel ihres Mantels wischte. »Tatsächlich?«

»Es hat mich große Mühe gekostet hineinzukommen.«

»Woher hat eine Leichensoldatin überhaupt so viel Geld?«, fragte Strigan, immer noch angespannt. Aber mit aufrichtiger Neugier. Immer.

»Arbeit«, sagte ich.

»Lukrative Arbeit.«

»Und gefährliche.« Für dieses Geld hatte ich mein Leben aufs Spiel gesetzt.

»Die Ikone?«

»Hat damit zu tun.« Aber darüber wollte ich nicht reden. »Was muss ich tun, um Sie zu überzeugen? Ist das Geld unzureichend?« Ich hatte anderswo noch mehr, aber es zu sagen wäre dumm.

»Was haben Sie in meinem Apartment gesehen?«, fragte Strigan neugierig und verärgert.

»Ein Puzzle. Mit fehlenden Teilen.« Ich hatte die Existenz und die Natur dieser Teile korrekt deduziert. Ganz offensichtlich, denn jetzt war ich hier, und da war Arilesperas Strigan.

Strigan lachte wieder. »Ich mag Sie. Hören Sie zu.« Sie beugte sich vor, die Hände auf die Oberschenkel gestützt. »Sie können Anaander Mianaai nicht töten. Ich wünschte mir bei allem, was gut ist, dass es möglich wäre, aber das ist es nicht. Selbst mit … selbst wenn ich hätte, wovon Sie überzeugt scheinen, dass ich es habe, könnten Sie es nicht tun. Sie haben mir erzählt, dass fünfundzwanzig dieser Waffen nicht ausreichten …«

»Vierundzwanzig«, korrigierte ich.

Sie winkte ab. »Nicht ausreichten, um die Radchaai von Garsedd fernzuhalten. Warum glauben Sie, eine könnte mehr als ein geringfügiges Ärgernis bewirken?«

Sie wusste es besser, weil sie ansonsten nicht fortgerannt wäre. Sie hätte die Schläger nicht aufgefordert, mich zu erledigen, bevor ich an sie herankommen konnte.

»Und warum sind Sie so fest entschlossen, etwas so Lächerliches zu tun? Jeder außerhalb der Radch hasst Anaander Mianaai. Wenn er durch ein Wunder sterben sollte, würden die Feiern hundert Jahre dauern. Aber das wird nicht geschehen. Und es wird auf gar keinen Fall geschehen, weil irgendein Idiot eine Waffe hat. Ich bin mir sicher, dass Sie das wissen. Wahrscheinlich wissen Sie es sogar viel besser, als ich es jemals wissen könnte.«

»Richtig.«

»Also warum?«

Informationen sind Macht. Informationen sind Sicherheit. Pläne, die auf unzulänglichen Informationen basieren, sind fehleranfällig, und ob sie scheitern oder erfolgreich sind, kann vom Wurf einer Münze abhängen. Als mir zum ersten Mal klar geworden war, dass ich Strigan suchen musste, um ihr die Waffe abzunehmen, hatte ich gewusst, dass dies ein solcher Moment sein würde. Wenn ich Strigans Frage beantwortete — wenn ich sie vollständig beantwortete, was sie zweifellos verlangen würde —, würde ich ihr damit etwas geben, das sie gegen mich verwenden konnte, eine Waffe. Sie würde sich dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst Schaden zufügen, aber dieser Aspekt war fast nie als Abschreckung geeignet.

»Manchmal …«, begann ich, um mich sogleich zu korrigieren. »Recht häufig erfährt jemand ein wenig über die Radchaai-Religion und fragt dann: Wenn alles nach dem Willen von Amaat geschieht, wenn nichts geschehen kann, das nicht bereits von der Göttin geplant wurde, warum soll man sich dann noch die Mühe machen, überhaupt irgendetwas zu tun?«

»Gute Frage.«

»Nicht besonders.«

»Nein? Wie lautet also die Antwort?«

»Ich bin«, sagte ich, »wie Anaander Mianaai mich gemacht hat. Anaander Mianaai ist, wie sie gemacht wurde. Wir beide werden die Dinge tun, für die wir gemacht wurden. Die Dinge, die wir noch tun sollen.«

»Ich bezweifle sehr, dass Anaander Mianaai Sie gemacht hat, damit Sie ihn irgendwann töten.«

Jede Antwort würde im Moment mehr enthüllen, als ich wollte.

»Und ich«, fuhr Strigan nach anderthalb Sekunden Schweigen fort, »bin gemacht, um Fragen zu stellen. Das ist einfach der göttliche Wille.« Sie machte eine Geste mit der linken Hand. Nicht mein Problem.

»Sie geben zu, dass Sie die Waffe haben.«

»Ich gebe gar nichts zu.«

Mir blieb nur noch ein riskanter Versuch, ein Schritt in die nicht einschätzbare Dunkelheit. Ich konnte nur abwarten, ob ich nach dem Münzwurf weiterlebte oder starb, ohne zu wissen, wie die Chancen standen. Meine einzige Alternative wäre, einfach aufzugeben, aber wie konnte ich jetzt aufgeben? Nach so langer Zeit, nach so vielen Mühen. Und ich hatte bereits genauso viel oder sogar mehr riskiert und war schon so weit gekommen.

Sie musste die Waffe haben. Sie musste. Aber wie konnte ich sie dazu bringen, sie mir zu geben? Was würde sie dazu bewegen, sie mir zu geben?

»Sagen Sie es mir«, forderte Strigan mich auf und beobachtete mich aufmerksam. Zweifellos sah sie meine Frustration und meine Zweifel mithilfe ihrer medizinischen Implantate, die Fluktuationen meines Blutdrucks, meiner Körpertemperatur, meiner Atmung. »Sagen Sie mir, warum.«

Ich schloss die Augen, spürte die Desorientierung, weil ich nicht mehr durch andere Augen sehen konnte, von denen ich wusste, dass ich sie früher einmal gehabt hatte. Ich öffnete sie wieder, atmete tief ein und sagte es ihr.