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Leutnantin Awn machte eine ungeduldige Geste. Das alles wusste sie bereits. »Was hat das mit dem zu tun, was …«

»Sie haben das alles vermasselt.«

»Ich …«

»Was Sie getan haben, hat funktioniert. Und die hiesigen Tanmind mussten es schlucken. Schön und gut. Wenn ich getan hätte, was Sie getan haben — direkt zur orsianischen Priesterin gehen, mich in der Unterstadt häuslich einrichten, statt die Polizeiwache und das Gefängnis zu benutzen, die es in der Oberstadt bereits gab, Allianzen mit Behörden der Unterstadt eingehen und einfach zu ignorieren …«

»Ich habe niemanden ignoriert!«, protestierte Leutnantin Awn.

Leutnantin Skaaiat tat ihren Einwand ab. »Und zu ignorieren, was jede andere als die natürliche einheimische Hierarchie erkannt hätte. Ihr Haus kann es sich nicht leisten, hier irgendwem eine Klientinnenschaft anzubieten. Noch nicht. Weder Sie noch ich können mit irgendwem Verträge abschließen. Vorläufig. Wir mussten uns von den Verträgen unserer Häuser befreien lassen und zu direkten Klientinnen von Anaander Mianaai werden, während wir dienen. Aber wir haben trotzdem noch unsere Familienverbindungen, und diese Familien können die Verbindungen nutzen, die wir jetzt knüpfen, auch wenn wir selbst nicht dazu imstande sind. Und wir selbst können das auch, wenn wir uns zur Ruhe setzen. Während einer Annexion irgendwo Fuß zu fassen ist eine sehr sichere Methode, den finanziellen und sozialen Status der eigenen Familie zu verbessern.

Was so lange in Ordnung ist, bis die falsche Person es tut. Wir sagen uns immer wieder, dass alles so läuft, wie Amaat es will, dass die Gottheit dafür sorgt, dass alles so ist, wie es sein soll. Wenn wir also wohlhabend und geachtet sind, ist es so, weil es so sein soll. Die Eignungsprüfungen beweisen, dass alles gerecht ist, dass alle das bekommen, was sie verdienen, und wenn die richtigen Leute für die richtigen Karrieren auserwählt werden, zeigt das einfach, wie richtig das alles ist.«

»Ich bin keine von den richtigen Personen.« Leutnantin Awn stellte ihren leeren Becher ab, den Leutnantin Skaaiat nachfüllte.

»Sie sind nur eine von Tausenden, aber für jemanden sind Sie eine bemerkenswerte Person. Und diese Annexion ist anders, sie war die letzte. Die letzte Chance, sich Eigentum zu schnappen und Verbindungen zu knüpfen, in dem Maßstab, den die oberen Häuser schon immer gewohnt waren. Sie mögen es nicht, wenn solche letzten Chancen von Häusern wie unseren ergriffen werden. Und um es noch schlimmer zu machen, wurde durch Ihre Untergrabung der lokalen Hierarchie …«

»Ich habe die lokale Hierarchie benutzt!«

»Leutnantinnen«, warnte ich. Leutnantin Awns Ausbruch war laut genug gewesen, um ihn auf der Straße hören zu können, falls sich an diesem Abend jemand auf der Straße aufgehalten hätte.

»Wenn die Tanmind hier das Sagen hatten, muss es genau das gewesen sein, was Amaat gewollt hat. Richtig?«

»Aber sie …« Leutnantin Awn verstummte. Ich war mir nicht sicher, was sie hatte sagen wollen. Vielleicht, dass sie ihre Herrschaft über Ors erst vor relativ kurzer Zeit etabliert hatten. Vielleicht, dass sie in Ors zahlenmäßig in der Minderheit waren, während Leutnantin Awn das Ziel verfolgt hatte, die größtmögliche Anzahl von Leuten zu erreichen.

»Vorsicht«, warnte Leutnantin Skaaiat, obwohl Leutnantin Awn diese Warnung gar nicht gebraucht hätte. Jede Radchaai-Soldatin wusste, dass sie nicht sprechen sollte, ohne vorher nachzudenken. »Wenn Sie diese Waffen nicht gefunden hätten, hätte das nicht nur einen Vorwand geliefert, Sie aus Ors rauszuwerfen, sondern auch die Orsai kräftig zusammenzustauchen und die Oberstadt zu favorisieren. Um die angemessene Ordnung des Universums wiederherzustellen. Und dann hätte der Zwischenfall natürlich als Beweis dafür gedient, wie weich wir geworden sind. Wenn wir nur an den sogenannten unvoreingenommenen Eignungsprüfungen festgehalten hätten, wenn wir noch mehr Personen exekutiert hätten, wenn wir weiterhin Hilfseinheiten produziert hätten …«

»Ich habe Hilfseinheiten«, betonte Leutnantin Awn.

Leutnantin Skaaiat zuckte mit den Schultern. »Das hätten sie ignorieren können, alles andere hätte schließlich gepasst. Sie werden alles ignorieren, was ihnen nicht das einbringt, was sie haben wollen. Und was sie wollen, ist alles, was sie sich schnappen können.« Sie wirkte so ruhig. Fast entspannt. Ich war es gewohnt, keine Daten von Leutnantin Skaaiat zu sehen, aber dieser Widerspruch zwischen ihrem Auftreten und der Ernsthaftigkeit der Situation — Leutnantin Awns anhaltende Bestürzung und, wenn ich ehrlich war, auch mein eigenes Unbehagen angesichts der Ereignisse — ließ sie in meinen Augen seltsam flach und unwirklich erscheinen.

»Ich verstehe Jen Shinnans Anteil daran«, sagte Leutnantin Awn. »Das ist mir klar. Aber ich verstehe nicht, wie … wie eine andere Person davon profitieren soll.« Die Frage, die sie nicht direkt stellen konnte, war natürlich, warum Anaander Mianaai darin involviert war oder warum sie zu einer vorigen, angemessenen Ordnung zurückkehren wollte, nachdem sie selbst einige Änderungen gutgeheißen hatte. Und warum, wenn sie tatsächlich so etwas wollte, gab sie nicht einfach den Befehl dazu? Hätte man sie danach gefragt, hätten beide Leutnantinnen wahrscheinlich gesagt, dass sie gar nicht von der Herrin der Radch sprachen, sondern von irgendeiner unbekannten Person, die in die Angelegenheit verwickelt sein musste. Aber ich war mir sicher, dass sie eine solche Behauptung bei einer Befragung unter Drogen nicht aufrechterhalten konnten. Zum Glück war ein solches Ereignis unwahrscheinlich. »Ich verstehe nicht, warum irgendjemand mit solchen Möglichkeiten nicht einfach den Befehl geben konnte, mich abzulösen und jemand anderes auf meinen Posten zu setzen, wenn es nur darum gegangen wäre.«

»Vielleicht war das nicht alles, was man erreichen wollte«, erwiderte Leutnantin Skaaiat. »Aber ganz offensichtlich wollte jemand zumindest genau das erreichen und versprach sich einen Nutzen davon, es auf diese Weise zu tun. Und Sie haben alles getan, um zu vermeiden, dass Leute getötet werden. Alles andere hätte keinen Unterschied gemacht.« Sie leerte ihren Becher. »Sie werden in Verbindung mit mir bleiben«, sagte sie. Es war keine Frage und auch keine Aufforderung. Und dann etwas sanfter: »Sie werden mir fehlen.«

Für einen kurzen Moment dachte ich, Leutnantin Awn würde wieder weinen. »Wer ist meine Nachfolgerin?«

Leutnantin Skaaiat nannte eine Offizierin und ein Schiff.

»Also eine menschliche Soldatin.« Leutnantin Awn war kurz beunruhigt, doch dann seufzte sie frustriert. Vermutlich erinnerte sie sich daran, dass Ors nun nicht mehr ihr Problem war.

»Ich weiß«, sagte Leutnantin Skaaiat. »Ich werde mit ihr reden. Und Sie passen gut auf sich auf. Annexionen gehören jetzt der Vergangenheit an, in den Truppentransportern mit Hilfseinheiten drängen sich nun die nutzlosen Töchter namhafter Häuser, die auf keinen geringeren Posten abgeschoben werden können.« Leutnantin Awn runzelte die Stirn, wollte offenbar widersprechen, dachte vielleicht an ihre Kameradinnen, die anderen Esk-Leutnantinnen. Oder an sich selbst. Leutnantin Skaaiat bemerkte ihren Gesichtsausdruck und lächelte reumütig. »Dariet ist in Ordnung. Es sind die anderen, vor denen Sie sich in Acht nehmen sollten. Die eine sehr hohe Meinung von sich selbst haben, aber nur wenig, womit sie es rechtfertigen können.« Skaaiat hatte einige von ihnen während der Annexion kennengelernt, hatte sich ihnen gegenüber stets absolut korrekt und höflich verhalten.