Strigan beobachtete sie eine Weile sinnierend, dann wandte sie sich wieder an mich. »Ich muss nachdenken.« Ich deutete Zustimmung an, dann erhob sie sich, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür.
»Was ist ihr Problem?«, fragte Seivarden, anscheinend ohne jede Ironie, in leicht verächtlichem Tonfall. Ich antwortete nicht, sah sie nur an, ohne meinen Gesichtsausdruck zu verändern. Die Decken hatten auf ihrer Wange einen linienförmigen Abdruck hinterlassen, der langsam verblasste, und die Kleidung, die Nilter-Hosen und das gesteppte Hemd unter dem offenen Innenmantel, waren zerknittert und verrutscht. Während der vergangenen Tage mit regelmäßigem Essen und ohne Kef hatte ihre Haut wieder eine etwas gesündere Färbung angenommen, aber sie sah immer noch mager und erschöpft aus. »Warum halten Sie sich mit ihr auf?«, fragte sie mich, ohne sich durch meine prüfenden Blicke stören zu lassen. Als hätte sich etwas verschoben, worauf sie und ich plötzlich Kameradinnen waren. Gefährtinnen.
Doch keineswegs gleichgestellt. Niemals. »Geschäftliche Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss.« Genauere Erklärungen wären sinnlos oder idiotisch oder beides gewesen. »Haben Sie Schlafschwierigkeiten?«
Etwas Subtiles in ihrer Miene kommunizierte Rückzug, Abschottung. Ich war nicht mehr auf ihrer Seite. Sie saß zehn Sekunden lang schweigend da, und ich dachte schon, sie würde an diesem Abend gar nicht mehr mit mir sprechen, doch dann atmete sie tief ein und wieder aus. »Ja. Ich … ich muss mich etwas bewegen. Ich werde nach draußen gehen.«
Es hatte sich definitiv etwas verändert, aber ich wusste nicht genau, was es war oder wodurch es ausgelöst worden war.
»Es ist Nacht«, sagte ich. »Und sehr kalt. Ziehen Sie Ihren Außenmantel und Ihre Handschuhe an und gehen Sie nicht zu weit fort.«
Sie gestikulierte Einverständnis, und noch mehr überraschte mich, dass sie ihren Außenmantel und die Handschuhe anzog, bevor sie durch die zwei Türen ging, ohne ein einziges verbittertes Wort oder auch nur einen einzigen vorwurfsvollen Blick.
Warum interessierte es mich überhaupt? Entweder lief sie davon und erfror, oder sie tat es nicht. Ich ordnete meine eigenen Decken und legte mich zum Schlafen nieder, ohne abzuwarten, ob Seivarden sicher zurückkehrte oder nicht.
Als ich aufwachte, schlief Seivarden auf ihrem Haufen aus Decken. Sie hatte ihren Mantel nicht auf den Boden geworfen, sondern ihn neben die anderen an einen Haken in der Nähe der Tür gehängt. Ich stand auf und ging zum Schrank, um festzustellen, dass sie außerdem die Lebensmittelvorräte aufgefüllt hatte — neues Brot und eine Schüssel auf dem Tisch mit einem Block matschiger, langsam schmelzender Milch, neben einer weiteren mit einem Stück Bov-Fett.
Hinter mir öffnete sich Strigans Tür mit einem Klicken. Ich drehte mich um. »Er will etwas«, sagte sie leise zu mir. Seivarden rührte sich nicht. »Oder er verfolgt heimliche Absichten. An Ihrer Stelle würde ich ihm nicht trauen.«
»Das tue ich auch nicht.« Ich ließ ein Stück Brot in eine Schüssel mit Wasser fallen und stellte es zum Einweichen beiseite. »Aber ich frage mich tatsächlich, was über sie gekommen ist.« Strigan sah mich amüsiert an. »Ihn«, stellte ich richtig.
»Wahrscheinlich die Vorstellung, wie viel Geld Sie mit sich herumtragen«, stellte Strigan fest. »Damit könnte man eine Menge Kef kaufen.«
»Sollte das der Fall sein, wäre das kein Problem. Ich habe es dabei, um Sie zu bezahlen.« Abzüglich meiner Fahrtkosten zurück zum Lift und ein wenig für Notfälle. Was in diesem Fall vermutlich auch die Fahrtkosten für Seivarden einschloss.
»Was passiert in der Radch mit Süchtigen?«
»Es gibt keine.« Sie hob ungläubig eine Augenbraue, dann auch die andere. »Nicht in den Stationen«, räumte ich ein. »In diese Richtung kann man nicht allzu tief abrutschen, wenn man die ganze Zeit von der KI der Station beobachtet wird. Auf einem Planeten ist es anders, weil er zu groß dafür ist. Und selbst wenn, sobald man den Punkt erreicht hat, dass man nicht mehr funktioniert, wird man umerzogen und für gewöhnlich irgendwo anders hingeschickt.«
»Um sich nicht zu blamieren.«
»Für einen neuen Anfang. Neue Umgebung, neue Aufgabe.« Und wenn man von sehr weit weg kam, um irgendeinen Job zu übernehmen, für den fast jede andere geeignet wäre, wusste jede, was der Grund war, auch wenn niemand so ungeschickt sein würde, es auszusprechen, wenn man in Hörweite war. »Es stört Sie, dass die Radchaai nicht die Freiheit haben, ihr eigenes Leben oder das anderer Bürgerinnen zu zerstören.«
»So hätte ich es nicht formuliert.«
»Nein, natürlich nicht.«
Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme. »Für jemanden, der einen Gefallen erwartet — einen unglaublichen, unaussprechlich großen und gefährlichen Gefallen —, verhalten Sie sich ungewöhnlich feindselig.«
Einhändig gestikulierte ich: Es ist, wie es ist.
»Andererseits macht es Sie wütend, wenn Sie sich mit ihm auseinandersetzen.« Sie neigte den Kopf in Seivardens Richtung. »Verständlich, würde ich meinen.«
Die Worte Ich bin so froh über Ihre Zustimmung lagen mir auf den Lippen, aber ich sprach sie nicht aus. Schließlich erwartete ich von ihr einen unglaublichen, unaussprechlich großen und gefährlichen Gefallen. »All das Geld in der Schachtel«, sagte ich stattdessen. »Genug für Sie, um Land zu kaufen oder Räume in einer Station oder, verdammt, warum nicht gleich eine ganze Station?«
»Es wäre eine sehr kleine.« Ihr Lippen verzogen sich amüsiert.
»Und dann hätten Sie sie nicht mehr. Es ist gefährlich, sie auch nur gesehen zu haben, aber noch viel schlimmer, sie tatsächlich zu besitzen.«
»Und Sie«, gab sie zu bedenken, während sie sich aufrichtete, die Arme fallen ließ und ihre Stimme nicht mehr amüsiert klang, »werden unverzüglich Anaander Mianaai darauf aufmerksam machen. Der dann in der Lage sein wird, die Spur bis zu mir zurückzuverfolgen.«
»Diese Gefahr wird immer bestehen«, stimmte ich zu. Ich würde auf gar keinen Fall vorgeben, dass es Mianaai, sobald sie mich unter Kontrolle hatte, nicht gelingen könnte, jede Information aus mir herauszuholen, die sie haben wollte, ganz gleich, ob ich sie offenbaren wollte oder nicht. »Aber die Gefahr bestand bereits in dem Moment, als Sie sie erblickten, und sie wird weiter bestehen, solange Sie leben, ob Sie sie mir nun geben oder nicht.«
Strigan seufzte. »Das ist wohl wahr. Und höchst bedauerlich. Und um ganz ehrlich zu sein, möchte ich sehr gern nach Hause zurückkehren.«
Eine solche Dummheit war nicht zu fassen. Aber es war nicht meine Sorge, denn ich war nur daran interessiert, diese Waffe in die Hände zu bekommen. Ich sagte nichts. Strigan schwieg ebenfalls. Stattdessen legte sie ihren Außenmantel und die Handschuhe an und trat durch die zwei Türen nach draußen. Ich setzte mich, um zu frühstücken, während ich mich bemühte, nicht zu raten, wohin sie ging oder ob ich irgendeinen Grund hatte, mir Hoffnungen zu machen.
Fünfzehn Minuten später kehrte Strigan mit einer breiten, flachen Kiste zurück, die sie auf den Tisch stellte. Die Kiste wirkte wie ein solider Block, doch dann nahm Strigan eine dicke schwarze Fläche ab, unter der noch mehr Schwarz zum Vorschein kam.
Strigan stand wartend da, den Deckel in den Händen, und beobachtete mich. Ich streckte den Arm aus und berührte vorsichtig mit einem Finger eine Stelle auf dem Schwarz. Braun breitete sich von dort aus, zerfloss zur Gestalt einer Waffe, die nun genau die Farbe meiner Haut hatte. Ich hob den Finger an, und das Schwarz kehrte zurück. Griff erneut zu, hob eine weitere schwarze Fläche ab, unter der das Ganze nun allmählich wie eine Kiste aussah, in der sich tatsächlich Dinge befanden, auch wenn es eine verstörend lichtschluckende schwarze Kiste war, gefüllt mit Munition.