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Jede Dekade bestand aus zwanzig Leutnantinnen und ihrer Dekaden-Kommandantin, aber Esk war jetzt mein niedrigstes bewohntes Deck. Unterhalb von Esk, von Var abwärts, war alles, also die Hälfte meiner Dekadendecks, kalt und leer, obwohl die Frachträume immer noch gefüllt waren. Die Leere und Stille dieser Räume, in denen einst Offiziere gelebt hatten, war für mich zu Anfang beunruhigend gewesen, aber inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt.

Im Shuttle saß Leutnantin Awn vor Eins Esk, schweigend, mit angespannten Zügen. In mancherlei Hinsicht fühlte sie sich körperlich wohler als zu irgendeinem Zeitpunkt in Ors — die Temperatur, zwanzig Grad Celsius, war ihrer Uniform aus Jacke und Hosen wesentlich angemessener. Und der Gestank nach Sumpfwasser war durch den vertrauteren und leichter zu ertragenden Geruch von recycelter Luft ersetzt worden. Aber in den winzigen Räumen — auf die sie mit Stolz und freudiger Erwartung ihrer Zukunft reagiert hatte, als sie zum ersten Mal die Gerechtigkeit der Torren betreten hatte — schien sie sich nun eingesperrt und beengt zu fühlen. Sie war angespannt und unglücklich.

Esk-Dekaden-Kommandantin Tiaund saß in ihrem winzigen Büro. Dort gab es nur zwei Stühle und einen Schreibtisch, der nahe an einer Wand stand, kaum mehr als ein Regalbrett und Platz für vielleicht zwei weitere Personen, wenn sie standen. »Leutnantin Awn ist zurückgekehrt«, sagte ich zu ihr und zu Hundert-Kapitänin Rubran auf dem Kommandodeck. Das Shuttle dockte mit einem dumpfen Klacken an.

Kapitänin Rubran runzelte die Stirn. Sie war überrascht und bestürzt über die Nachricht von Leutnantin Awns plötzlicher Rückkehr gewesen. Der Befehl war direkt von Anaander Mianaai gekommen und wurde deshalb nicht hinterfragt. Gleichzeitig war der Befehl gekommen, keine weiteren Fragen zu stellen.

In ihrem Büro auf dem Esk-Deck seufzte Kommandantin Tiaund, schloss die Augen und sagte: »Tee.« Sie saß schweigend da, bis Zwei Esk ihr eine Tasse und eine Kanne brachte, eingoss und beides neben dem Ellbogen der Kommandantin abstellte. »Sie wird mich aufsuchen, sobald es ihr möglich ist.«

Die Aufmerksamkeit von Eins Esk war hauptsächlich auf Leutnantin Awn gerichtet, die sich ihren Weg durch den Lift und die engen weißen Korridore suchte, die sie zur Esk-Dekade führen würden, zu ihrem eigenen Quartier. Ich las ihre Erleichterung, als sie feststellte, dass sich bis auf Zwei Esk niemand in diesen Korridoren aufhielt.

»Kommandantin Tiaund wird Sie empfangen, sobald es Ihnen genehm ist«, sendete ich direkt an Leutnantin Awn. Sie nahm es mit einem kurzen Fingerzucken zur Kenntnis, während sie in die Esk-Korridore trat.

Zwei Esk verließ den Schreibtisch, lief durch den Korridor bis zum Frachtraum und den wartenden Suspensionskapseln, und Eins Esk übernahm die Aufgaben, um die Zwei Esk sich gekümmert hatte, und folgte gleichzeitig Leutnantin Awn. Weiter oben in der Krankenstation legte eine technische Medizinerin alles bereit, was sie benötigte, um das fehlende Segment von Eins Esk zu ersetzen.

An der Tür zu ihrem kleinen Quartier — dasselbe, das über eintausend Jahre zuvor Leutnantin Seivarden gehört hatte — drehte sich Leutnantin Awn um und wollte etwas zu dem Segment sagen, das ihr gefolgt war, doch dann hielt sie plötzlich inne. »Etwas stimmt nicht. Was?«

»Bitte verzeihen Sie mir, Leutnantin«, sagte ich. »In den nächsten paar Minuten wird die technische Medizinerin ein neues Segment verbinden. Ich könnte für eine Weile nicht ansprechbar sein.«

»Nicht ansprechbar«, sagte sie und fühlte sich kurz überwältigt, aus irgendeinem Grund, den ich nicht verstand. Gefolgt von Schuldgefühlen und Wut. Sie stand vor der ungeöffneten Tür ihres Quartiers, nahm zwei tiefe Atemzüge, drehte sich dann um und kehrte durch den Korridor zum Lift zurück.

Das Nervensystem eines neuen Segments muss für die Verbindung einigermaßen funktionieren. Man hatte es in der Vergangenheit mit leblosen Körpern versucht, aber es war nie gelungen. Das Gleiche galt für vollständig sedierte Körper — die Verbindung kam nie richtig zustande. Manchmal erhält das neue Segment ein Beruhigungsmittel, aber manchmal ziehen die technischen Medizinerinnen es vor, den neuen Körper aufzutauen und ihn schnell zu fesseln, ohne jegliche Sedierung. Das eliminiert den riskanten Schritt, die Sedierung exakt zu dosieren, die Verbindung wird allerdings dadurch jedes Mal zu einer äußerst unangenehmen Prozedur.

In diesem Fall kümmerte sich die Medizinerin wenig um mein Wohlergehen. Natürlich war sie auch nicht dazu verpflichtet.

Leutnantin Awn betrat den Lift, der sie zur Krankenstation bringen würde, genau in dem Moment, als die Medizinerin den Impuls zur Öffnung der Supensionskapsel gab. Der Deckel schwang auf, und für eine Hundertstelsekunde lag der Körper still und eiskalt in der Flüssigkeit.

Die technische Medizinerin rollte den Körper aus der Kapsel auf einen Tisch, wobei die Flüssigkeit herablief, und im selben Augenblick wachte der Körper auf, zuckend, hustend, würgend. Das Konservierungsmedium rinnt problemlos von selbst aus Kehle und Lungen, aber bei den ersten paar Malen ist diese Erfahrung äußerst unbehaglich. Leutnantin Awn trat aus dem Lift und lief durch den Korridor zur Krankenstation, dicht gefolgt von Eins Esk Achtzehn.

Die Medizinerin machte sich zügig an die Arbeit, und plötzlich befand ich mich auf dem Tisch (ich lief hinter Leutnantin Awn, ich flickte die Uniform, die Zwei Esk auf dem Weg zu den Frachträumen zurückgelassen hatte, ich legte mich in meine kleine, enge Koje, ich verschob einen Spielstein im Dekadenraum), und ich konnte sehen und hören, auch wenn ich keine Kontrolle über den neuen Körper hatte, und dessen Erschrecken erhöhte die Herzschlagfrequenz aller Eins-Esk-Segmente. Das neue Segment öffnete den Mund und schrie, und im Hintergrund hörte es Gelächter. Ich schlug um mich, die Fesseln lösten sich, und ich rollte vom Tisch, fiel anderthalb Meter zu Boden und schlug schmerzhaft auf. Nicht nicht nicht, dachte ich in Richtung des Körpers, doch er hörte gar nicht zu. Ihm war übel, er war in Panik, er lag im Sterben. Er stemmte sich hoch und kroch benommen irgendwohin, Hauptsache weg von hier.

Dann legten sich Hände unter meine Arme (woanders rührte sich Eins Esk nicht) und halfen mir auf, und da war Leutnantin Awn. »Hilfe«, krächzte ich, nicht auf Radchaai. Die verdammte Medizinerin hatte einen Körper ohne anständige Stimme ausgesucht. »Helfen Sie mir.«

»Alles in Ordnung.« Leutnantin Awn griff nach, legte die Arme um das neue Segment, zog mich näher heran. Es zitterte, immer noch unterkühlt von der Suspension und vor Angst. »Alles in Ordnung. Alles wird gut.« Das Segment keuchte und schluchzte, scheinbar eine Ewigkeit, und ich dachte, es würde sich übergeben, bis … plötzlich die Verbindung stand und ich es unter Kontrolle hatte. Ich unterdrückte das Schluchzen.

»So«, sagte Leutnantin Awn. Erschrocken. Angewidert. »Schon viel besser.« Ich sah, dass sie wieder wütend geworden war. Oder es war vielleicht nur ein erneutes Aufwallen der Pein, die ich seit dem Tempel an ihr bemerkt hatte. »Verletzen Sie meine Einheit nicht«, sagte Leutnantin Awn brüsk, und mir wurde klar, dass sie zwar immer noch mich ansah, aber mit der technischen Medizinerin sprach.

»Das habe ich nicht getan«, erwiderte die Medizinerin mit einer Spur von Verachtung in der Stimme. Sie hatten ein solches Gespräch schon einmal während der Annexion ausführlicher und schärfer geführt. Schließlich ist es nicht menschlich, hatte die Medizinerin gesagt. Es lag seit tausend Jahren im Frachtraum, es ist nicht mehr als ein Teil des Schiffs. Leutnantin Awn hatte sich bei Kommandantin Tiaund beschwert, die Leutnantin Awns Wut verstanden und es ihr auch gesagt hatte, doch anschließend hatte ich mich nicht mehr um diese Medizinerin gekümmert. Wenn Sie so zimperlich sind, hatte die Medizinerin hinzugefügt, sind Sie hier vielleicht am falschen Ort.