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Was als Nächstes geschah, war hauptsächlich meine eigene Schuld.

Wir hatten die Brücke zur Hälfte überquert, als Seivarden sagte: »Also gut, alles klar. Ich habe es verstanden. Sie sind wütend.«

Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um. »Wie viel haben Sie dafür bekommen?«, fragte ich schließlich — nur einer der Punkte, die ich hatte ansprechen wollen.

»Was?« Obwohl ich mich nicht umgedreht hatte, konnte ich die Bewegung sehen, als sie sich vorbeugte, die Hände auf die Knie gestützt, konnte ich ihren immer noch schweren Atem hören, wie sie sich anstrengte, mich im Wind zu verstehen.

»Wie viel Kef?«

»Ich wollte nur ein wenig«, sagte sie, ohne wirklich auf meine Frage einzugehen. »Genug, um es etwas zu lindern. Ich brauche es. Und schließlich haben Sie auch nichts für den Flieger bezahlt.« Für einen Moment glaubte ich, sie hätte sich erinnert, wie ich an den Flieger gekommen war, mochte es noch so unwahrscheinlich sein. Doch sie fuhr fort: »In Ihrem Rucksack haben Sie genug, um zehn Flieger zu kaufen, und nichts davon gehört Ihnen, sondern der Herrin der Radch, nicht wahr? Sie lassen mich nur deshalb so rennen, weil Sie sauer sind.«

Ich blieb stehen, blickte immer noch geradeaus, während der Wind meinen Mantel flach an mich drückte. Ich versuchte zu verstehen, was ihre Worte bedeuteten, was sie glaubte, wer oder was ich war. Warum sie glaubte, ich hätte mich mit ihr abgemüht.

»Ich weiß, was Sie sind«, sagte sie, während ich schweigend dastand. »Zweifellos wünschen Sie sich, mich zurücklassen zu können, aber das können Sie nicht, nicht wahr? Sie haben den Befehl, mich zurückzubringen.«

»Was bin ich?«, fragte ich, laut, gegen den Wind, da ich mich immer noch nicht umgedreht hatte.

»Niemand, das sind Sie.« Seivarden sprach in verächtlichem Tonfall. Sie stand jetzt aufrecht, knapp hinter meiner linken Schulter. »Sie wurden auf Ihre militärische Eignung geprüft, und wie eine Million anderer Niemande heutzutage glauben Sie, das würde Sie zu jemandem machen. Und Sie haben den Akzent geübt und wie Sie Ihr Besteck halten, und Sie haben sich auf Knien zum Sondereinsatzkommando hochgearbeitet, und jetzt bin ich Ihr Sondereinsatz. Sie müssen mich heil nach Hause bringen, obwohl Sie es lieber nicht tun würden, nicht wahr? Sie haben ein Problem mit mir, und ich vermute, Ihr Problem besteht darin, dass Sie sich so viel Mühe geben können, wie Sie wollen, dass es keine Rolle spielt, vor wem Sie niederknien, aber Sie werden niemals das sein, wozu ich geboren wurde, und Leute wie Sie finden das einfach schrecklich

Ich drehte mich zu ihr um. Ich war mir sicher, dass mein Gesicht keinen Ausdruck zeigte, aber als mein Blick ihren traf, zuckte sie zusammen — nichts war gelindert, ganz und gar nichts — und trat reflexhaft drei schnelle Schritte zurück.

Über den Rand der Brücke.

Ich trat an den Rand, blickte hinunter. Seivarden hing sechs Meter tiefer, die Hände um einen komplexen Schnörkel aus rotem Glas geklammert, die Augen weit aufgerissen, der Mund leicht geöffnet. Sie blickte zu mir auf und sagte: »Sie wollten mich schlagen!«

Die Berechnungen war ganz einfach. Wenn ich meine gesamte Kleidung zusammenknotete, kam ich nur auf 5,7 Meter. Das rote Glas war irgendwo unter der Brücke mit einer Stelle verbunden, die ich nicht sehen konnte. Kein Anzeichen für etwas, woran sie hinaufklettern könnte. Das farbige Glas war nicht so stabil wie die Brücke selbst — ich schätzte, dass die rote Spirale irgendwann in den nächsten drei bis sieben Sekunden unter Seivardens Gewicht bersten würde. Obwohl das nicht mehr als eine Vermutung war. Trotzdem würde jede Hilfe, die ich vielleicht herbeirufen konnte, zweifellos zu spät eintreffen. Der untere Bereich der Schlucht war weiterhin von Wolken verhüllt. Die Röhren waren nur ein paar Zentimeter dünner als meine ausgestreckten Arme, und sie reichten selbst sehr tief hinunter.

»Breq?« Seivardens Stimme klang belegt und angestrengt. »Können Sie etwas tun?« Wenigstens kein Sie müssen etwas tun.

»Vertrauen Sie mir?«, fragte ich.

Ihre Augen wurden noch größer, ihr Keuchen noch etwas rauer. Ich wusste, dass sie mir nicht vertraute. Sie war nur deshalb immer noch bei mir, weil sie glaubte, ich wäre offiziell im Dienst und sie könnte mir daher nicht ausweichen, und dass sie wichtig genug für die Radch war, um jemanden zu ihr zu schicken — ihre eigene Bedeutung zu unterschätzen hatte noch nie zu Seivardens Schwächen gehört — und vielleicht weil sie genug davon hatte wegzulaufen, vor der Welt, vor sich selbst. Bereit zum Aufgeben. Aber ich verstand immer noch nicht, warum ich bei ihr war. Von allen Offizierinnen, denen ich gedient hatte, war sie nie meine Favoritin gewesen.

»Ich vertraue Ihnen«, log sie.

»Wenn ich nach Ihnen greife, aktivieren Sie Ihre Rüstung und legen die Arme um mich.« Neue Angst blitzte in ihrem Gesicht auf, aber dafür war nicht genug Zeit. Ich entfaltete meine Rüstung unter der Kleidung und trat von der Brücke.

In dem Moment, als meine Hände ihre Schultern berührten, zersplitterte das rote Glas. Scharfkantige Fragmente flogen davon, mit kurzem Funkeln. Seivarden schloss die Augen, zog den Kopf ein, das Gesicht an meinem Hals, hielt mich so fest, dass meine Atmung beeinträchtigt worden wäre, hätte ich keine Rüstung getragen. Wegen der Rüstung konnte ich ihren panischen Atem nicht auf meiner Haut spüren, konnte nicht spüren, wie die Luft vorbeirauschte, auch wenn ich sie hörte. Aber sie fuhr ihre eigene Rüstung nicht aus.

Wenn ich mehr als nur ich selbst gewesen wäre, wenn ich die Zahlen gehabt hätte, die ich benötigte, hätte ich unsere Endgeschwindigkeit berechnen können und wie lange es dauern würde, sie zu erreichen. Die Schwerkraft allein war simpel, aber das Gewicht meines Rucksacks und unserer schweren Mäntel, die uns umflatterten und unsere Geschwindigkeit beeinflussten, machten es zu kompliziert. Es wäre viel einfacher gewesen, es für ein Vakuum zu berechnen, aber wir fielen nicht durch ein Vakuum.

Doch der Unterschied zwischen fünfzig Metern pro Sekunde und hundertfünfzig war in diesem Moment nur in abstrakten Begriffen ein großer. Ich konnte den Boden noch nicht sehen, das Ziel, das ich zu treffen hoffte, war klein, und ich wusste nicht, wie viel Zeit wir haben würden, unsere Haltung anzupassen, falls wir es überhaupt konnten. Während der nächsten zwanzig bis vierzig Sekunden blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten und zu fallen.

»Rüstung!«, schrie ich Seivarden ins Ohr.

»Hab sie verkauft«, antwortete sie. Ihre Stimme zitterte leicht, klang angestrengt in der rauschenden Luft. Ihr Gesicht war immer noch fest gegen meinen Hals gepresst.

Plötzlich wurde es grau. Feuchtigkeit schlug sich auf freiliegenden Teilen meiner Rüstung nieder und wurde nach oben geblasen. Eins Komma drei fünf Sekunden später sah ich den Boden, dicht gepackte dunkle Kreise. Größer und demzufolge näher, als mir lieb gewesen wäre. Ich wurde von einem Adrenalinschub überrascht, anscheinend hatte ich mich zu sehr ans Fallen gewöhnt. Ich drehte den Kopf, versuchte an Seivardens Schulter vorbei auf das zu blicken, was genau unter uns lag.

Meine Rüstung war dazu gedacht, die Kraft eines aufprallenden Geschosses zu verteilen und einen Teil davon als Wärme abzugeben. Theoretisch war sie undurchdringlich, aber mit genügend Kraftaufwand konnte ich trotzdem verletzt oder sogar getötet werden. Unter einem unablässigen Kugelhagel hatte ich Knochenbrüche erlitten und Körper verloren. Ich war mir nicht sicher, was die Reibungskräfte eines Aufpralls mit meiner Rüstung oder mit mir anstellen würden. Ich besaß einige Skelett- und Muskelverstärkungen, aber ob sie für so etwas ausreichend waren, konnte ich nicht sagen. Ich war nicht in der Lage zu berechnen, wie schnell wir fielen, wie viel Energie absorbiert werden musste, um uns auf eine Geschwindigkeit zu verlangsamen, die wir überleben konnten, wie heiß es innerhalb und außerhalb meiner Rüstung werden mochte. Und Seivarden konnte ohne Rüstung nichts dazu beitragen.