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»Herrin, was vermuten Sie, was die Presger getan haben könnten?« Aber ich wusste es. Obwohl meine Erinnerungen getrübt und unvollständig waren, wusste ich es.

»Dass sie mich geteilt haben. Dass sie einen Teil von mir korrumpiert haben. Und die Korruption hat sich ausgebreitet, mein anderes Ich hat rekrutiert — nicht nur weitere Teile von mir, sondern auch meine eigenen Bürgerinnen. Meine eigenen Soldatinnen.« Meine eigenen Schiffe. »Meine eigenen Schiffe. Ich kann nur raten, welches Ziel sie verfolgt. Aber es kann nichts Gutes sein.«

»Habe ich Sie korrekt verstanden«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits wusste, »dass diese andere Anaander Mianaai die treibende Kraft hinter dem Ende der Annexionen ist?«

»Sie wird alles zerstören, was ich aufgebaut habe!« Ich hatte die Herrin der Radch noch nie so verzweifelt und wütend erlebt. Hätte nie gedacht, dass sie dazu fähig war. »Ist dir bewusst — sicherlich hast du keinen Grund, über etwas Derartiges nachzudenken —, dass unsere Wirtschaft von den Ressourcen angetrieben wird, die wir uns während der Annexionen aneignen?«

»Ich fürchte, Herrin, dass ich nur ein Truppentransporter bin und mich nie mit solchen Dingen befasst habe. Aber was Sie sagen, ergibt Sinn.«

»Und was ist mit dir? Du freust dich doch wohl kaum darauf, deine Hilfseinheiten zu verlieren.«

Außerhalb von mir parkten meine fernen Gefährtinnen, die Gerechtigkeiten, überall im System, schweigend und wartend. Wie viele von ihnen hatten diesen Besuch erhalten — oder diese beiden Besuche? »Darauf freue ich mich keineswegs, Herrin.«

»Ich kann nicht versprechen, dass ich es verhindern kann. Ich bin nicht auf einen offenen Kriegsfeldzug vorbereitet. All meine Bewegungen geschehen im Geheimen, ich stoße hier und schiebe dort, sichere meine Ressourcen und so viel Unterstützung wie möglich. Aber letztlich ist sie ich, und ich kann nur wenig tun, woran sie nicht ebenfalls gedacht hat. Sie hat mich schon mehrere Male ausmanövriert. Das ist der Grund, warum ich mich dir so vorsichtig genähert habe. Ich wollte mich vergewissern, dass sie dich nicht längst beeinflusst hat.«

Ich fand es sicherer, nicht darauf einzugehen, und sagte stattdessen durch Eins Var: »Herrin, die Waffen im See, in Ors.« War das Ihre Feindin?, hätte ich fast gefragt, aber wenn wir es mit zwei Anaanders zu tun hatten, die jeweils die Gegner der anderen waren, woher sollte dann irgendjemand wissen, wer wer war?

»Die Ereignisse in Ors haben sich nicht exakt so entwickelt, wie ich mir gewünscht hatte«, antwortete Anaander Mianaai. »Ich hatte nicht erwartet, dass irgendwer diese Waffen findet; und wenn irgendeine Fischerin aus Ors sie gefunden und nichts gesagt oder sie sogar an sich genommen hätte, wäre damit trotzdem meinen Zwecken gedient gewesen.« Stattdessen hatte Denz Ay ihren Fund Leutnantin Awn gemeldet. Damit hatte die Herrin der Radch nicht gerechnet, erkannte ich nun. Sie hatte nicht gedacht, dass die Orsai Leutnantin Awn so sehr vertrauten. »Ich habe dort nicht erreicht, was ich wollte, aber vielleicht wird das Ergebnis nichtsdestotrotz meinen Zwecken dienlich sein. Hundert-Kapitänin Rubran wird den Befehl erhalten, dieses System zu verlassen und nach Valskaay zu fliegen. Ihre Abreise ist längst überfällig, und du wärst bereits vor einem Jahr aufgebrochen, hätte die Göttliche von Ikkt nicht darauf bestanden, dass Leutnantin Awn bleibt, gegen meinen Willen. Jedenfalls ist Leutnantin Awn wissentlich oder nicht das Instrument meiner Feindin, dessen bin ich mir sicher.«

Ich hatte nicht genug Vertrauen in Eins Vars Gelassenheit, um sie darauf antworten zu lassen, also sagte ich gar nichts. Oben auf dem zentralen Zugangsdeck setzte die Herrin der Radch ihre Tätigkeit fort, nahm Änderungen vor, gab Befehle, tauschte meine Gedanken aus. Und glaubte immer noch, dass sie wirklich dazu imstande war.

Niemand war über den Befehl zur Abreise überrascht. Im vergangenen Jahr waren bereits vier andere Gerechtigkeiten aufgebrochen, zu Zielen, die endgültig sein sollten. Aber weder ich noch irgendeine meiner Offizierinnen hatten mit Valskaay gerechnet, das sechs Tore entfernt war.

Valskaay, die Welt, die ich nur ungern verlassen hatte. Vor einhundert Jahren, in der Stadt Vestris Cor auf Valskaay, hatte Eins Esk immer neue Bände mit ausgeklügelter, mehrstimmiger Chormusik entdeckt, allesamt für die Rituale der lästigen valskaayanischen Religion komponiert, einige Stücke noch aus der Zeit, bevor die Menschen in den Weltraum vorgestoßen waren. Sie hatte alles gespeichert, was sie gefunden hatte, damit sie es weniger bereuen würde, von einem solchen Schatz fortgeholt zu werden, in ländliche Regionen versetzt zu werden. Dort hatte sie die schwere Arbeit erwartet, Rebellen in einem Reservat aufzuscheuchen, Wald und Höhlen und Quellen, die wir nicht einfach sprengen konnten, weil hier die Wasserscheide für den halben Kontinent lag. Eine Region mit kleinen Flüssen und Felsklippen und Farmen. Grasende Schafe und Pfirsichgärten. Und Musik — sogar die Rebellen, als sie schließlich in der Falle saßen, hatten gesungen, entweder uns zum Trotz oder zum Trost für sich selbst. Ihre Stimmen erreichten meine dankbaren Ohren, als ich am Eingang der Höhle stand, in der sie sich versteckt hatten.

Der Tod wird uns einholen Wie auch immer das Schicksal es vorsieht Jeder wird ihm zum Opfer fallen Und solange ich bereit bin Fürchte ich ihn nicht Wie auch immer er sich mir zeigen wird.

Wenn ich an Valskaay dachte, dachte ich an Sonnenschein und den süßen, hellen Geschmack von Pfirsichen. Ich dachte an Musik. Aber ich war mir sicher, dass ich dieses Mal nicht auf den Planeten geschickt würde. Für Eins Esk würde es keine Obstgärten geben, keine Besuche (inoffiziell, so unauffällig wie möglich) von Versammlungen der Chorvereine.

Während der Reise nach Valskaay würde ich nicht, wie sich herausstellte, die Tore nehmen, sondern meine eigenen generieren und eine direktere Route nehmen. Die Tore, die von den meisten Schiffen benutzt wurden, waren vor Jahrtausenden errichtet worden, wurden ständig offen und stabil gehalten, umgeben von Signalstationen, die Warnungen, Bekanntmachungen, Informationen über lokale Regelungen und Navigationsgefahren sendeten. Nicht nur Schiffe, sondern auch Nachrichten und Daten strömten kontinuierlich durch die Tore.

In den zweitausend Jahren, die ich bereits gelebt hatte, hatte ich nur einmal eins benutzt. Wie alle Radchaai-Kriegsschiffe war ich imstande, meine eigenen Abkürzungen zu erschaffen. Das war gefährlicher als der Flug durch die eingerichteten Tore, denn ein Fehler in den Berechnungen konnte mich irgendwohin schicken — oder nirgendwohin, sodass man nie wieder von mir hörte. Und da ich keine Einrichtungen zurückließ, die mein Tor offen hielten, reiste ich in einer Blase aus normalem Raum, von allem isoliert, bis ich an meinem Ziel eintraf. Ich beging keine solchen Fehler, und während der Vorbereitung einer Annexion konnte diese Isolation von großem Vorteil sein. Nun jedoch machte mich die Aussicht nervös, Monate allein zu sein, während Anaander Mianaai sich im Geheimen auf meinem Var-Deck aufhielt.

Bevor ich aufbrach, traf eine Nachricht von Leutnantin Skaaiat für Leutnantin Awn ein. Sie war kurz. Ich sagte, wir bleiben in Verbindung. Das war mein Ernst.

Leutnantin Dariet sagte: »Sehen Sie, ich habe es Ihnen gesagt.« Aber Leutnantin Awn gab darauf keine Antwort.