»Ist sie nicht wunderbar? Oh!« Sie drehte den Kopf, als hätte sie etwas gehört. »Ich muss gehen. Ich werde Sie wieder besuchen!«
»Das würde ich sehr begrüßen«, sagte ich. Dann war sie zur Tür hinaus. Ich sah Seivarden an. »Wie viel hat das alles gekostet?«
»Etwa das, was ich für den Flieger bekommen habe«, sagte sie und zog leicht den Kopf ein, vielleicht aus Beschämung. Oder aus einem anderen Grund.
»Haben Sie irgendetwas aus meinem Rucksack genommen?«
Das brachte ihren Kopf wieder hoch. »Nein! Ich schwöre, dass ich es nicht getan habe.« Ich antwortete nicht. »Sie glauben mir nicht. Das kann ich Ihnen nicht verübeln. Sie können nachschauen, sobald Ihre Hände wieder frei sind.«
»Das werde ich tun. Aber was dann?«
Sie runzelte verständnislos die Stirn. Natürlich konnte sie es nicht verstehen, weil sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, mich (fälschlich) als menschliches Wesen einzuschätzen, dem sie möglicherweise Respekt entgegenbringen sollte. Wie es schien, war sie noch nicht darauf gekommen, dass sie vielleicht gar nicht bedeutend genug für die Radch sein könnte, dass man eine Sondereinsatzoffizierin zu ihr schickte.
»Ich habe nie den Auftrag erhalten, nach Ihnen zu suchen«, sagte ich. »Ich habe Sie rein zufällig gefunden. Und soweit ich weiß, sucht auch sonst niemand nach Ihnen.« Ich wünschte, ich könnte gestikulieren, sie mit einem Wink hinausschicken.
»Warum sind Sie dann hier? Es kann keine Vorbereitungsarbeit für eine Annexion sein, weil es keine mehr geben wird. Zumindest hat man es mir gesagt.«
»Keine Annexionen mehr«, bestätigte ich. »Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass Sie kommen und gehen können, wie Sie möchten. Ich habe nicht den Befehl, Sie zurückzubringen.«
Seivarden dachte sechs Sekunden lang darüber nach und sagte dann: »Ich habe schon einmal versucht, den Dienst zu quittieren. Ich habe es wirklich getan. Diese Station, in der ich war, hatte ein Programm. Wenn jemand aussteigt, gibt man ihr einen Job. Eine ihrer Arbeiterinnen holte mich rein und säuberte mich und erzählte mir von dem Angebot. Der Job war miserabel, das Angebot war beschissen, aber ich hatte die Nase voll. So dachte ich jedenfalls.«
»Wie lange haben Sie durchgehalten?«
»Nicht ganz sechs Monate.«
»Sie verstehen«, sagte ich nach einer zweisekündigen Pause, »warum ich diesmal nicht allzu viel Vertrauen in Sie habe.«
»Glauben Sie mir, das verstehe ich. Aber diesmal ist es anders.« Sie beugte sich mit ernster Miene vor. »Nichts klärt die eigenen Gedanken so sehr wie die Überzeugung, dass man sterben wird.«
»Die Wirkung ist oftmals nur vorübergehend.«
»In der Station sagte man zu mir, dass man mir etwas geben könnte, das bewirkt, dass Kef bei mir nicht mehr wirkt. Aber zuerst müsste ich in Ordnung bringen, was mich dazu getrieben hat, es überhaupt zu nehmen, weil ich ansonsten nur irgendetwas anderes finden würde. Blödsinn, wie ich bereits sagte, aber wenn ich es wirklich gewollt hätte, wenn es mir damit ernst gewesen wäre, hätte ich es tun können.«
In Strigans Haus hatte sie angedeutet, dass es einen ganz einfachen und klaren Grund gab, warum sie damit angefangen hatte. »Haben Sie ihnen gesagt, warum Sie damit angefangen haben?« Sie antwortete nicht. »Haben Sie ihnen gesagt, wer Sie waren?«
»Natürlich nicht.«
Ich vermutete, dass die zwei Fragen für sie ein und dieselbe waren. »Im Garsedd-System haben Sie dem Tod ins Auge geblickt.«
Sie zuckte zusammen, nur ganz leicht. »Und alles hat sich verändert. Ich wachte auf, und alles, was ich hatte, war Vergangenheit. Und es war keine besonders gute Vergangenheit, niemand war darauf erpicht, mir zu erzählen, was geschehen war, alle waren so höflich und freundlich, und alles war ein einziger Schwindel. Und ich konnte für mich keine Zukunft mehr sehen. Hören Sie.« Sie beugte sich vor, ernst, etwas angestrengter atmend. »Sie sind ganz allein hier draußen, und offensichtlich sind Sie dazu geeignet, weil Sie sonst nie diesen Auftrag erhalten hätten.« Sie hielt kurz inne, vielleicht um zu überlegen, wer eigentlich wozu geeignet war, wer einen Auftrag wozu erhalten hatte, bis sie den Gedanken aufgab. »Aber am Ende können Sie in die Radch zurückkehren und Leute aufsuchen, die Sie kennen, die sich an Sie erinnern, persönlich, einen Ort finden, wo Sie dazugehören, selbst wenn Sie nicht immer dort sind. Ganz gleich, wohin Sie gehen, Sie bleiben ein Teil dieses Musters, selbst wenn Sie niemals zurückkehren, wissen Sie jederzeit, dass es da ist. Aber als man diese Suspensionskapsel öffnete, war jede, die jemals irgendein persönliches Interesse an mir hatte, bereits vor siebenhundert Jahren gestorben. Wahrscheinlich schon früher. Nicht einmal …« Ihre Stimme zitterte, und sie hielt inne, um auf irgendeinen Punkt hinter mir zu starren. »Selbst die Schiffe.«
Selbst die Schiffe. »Schiffe? Mehr als nur die Schwert der Nathtas?«
»Mein … das allererste Schiff, in dem ich diente. Die Gerechtigkeit der Torren. Ich dachte, wenn ich vielleicht herausfinden könnte, wo sie stationiert war, könnte ich eine Nachricht schicken und …« Sie machte eine verneinende Geste, löschte den Rest ihres Satzes aus. »Es war verschwunden. Vor zehn … warten Sie … ich habe mein Zeitgefühl verloren. Vor etwa fünfzehn Jahren.« Eher zwanzig. »Niemand konnte mir sagen, was passiert ist. Niemand weiß etwas.«
»Waren irgendwelche der Schiffe, in denen Sie dienten, Ihnen in besonderer Weise zugetan?«, fragte ich und achtete auf einen gleichmäßigen, möglichst neutralen Tonfall.
Sie blinzelte. Richtete sich auf. »Das ist eine seltsame Frage. Haben Sie irgendwelche Erfahrungen mit Schiffen?«
»Ja«, sagte ich. »Wirklich.«
»Schiffe haben immer eine enge Bindung zu ihrer Kapitänin.«
»Nicht mehr so wie früher.« Nicht mehr, seit einige Schiffe nach dem Tod ihrer Kapitänin wahnsinnig geworden waren. Das war vor sehr langer Zeit gewesen. »Trotzdem haben sie ihre Favoritinnen.« Obwohl eine Favoritin es nicht unbedingt wissen musste. »Aber das spielt eigentlich gar keine Rolle, nicht wahr? Schiffe sind keine Personen, und sie wurden geschaffen, um Ihnen zu dienen, um eine Bindung einzugehen, wie Sie es ausgedrückt haben.«
Seivarden runzelte die Stirn. »Jetzt sind Sie verärgert. Sie sind sehr gut darin, es zu verbergen, aber Sie sind verärgert.«
»Trauern Sie um Ihre Schiffe«, fragte ich, »weil sie gestorben sind? Oder weil ihr Verlust bedeutet, dass sie nicht da sind, um Ihnen das Gefühl der Bindung und Fürsorge zu geben?« Schweigen. »Oder glauben Sie, dass das dasselbe ist?« Immer noch keine Antwort. »Ich werde meine Frage selbst beantworten: Sie waren niemals eine Favoritin irgendeines Schiffs, in dem Sie gedient haben. Sie halten es gar nicht für möglich, dass Schiffe Favoritinnen haben können.«
Seivarden riss die Augen auf — vielleicht vor Überraschung, vielleicht aus einem anderen Grund. »Sie kennen mich viel zu gut, als dass ich glauben könnte, Sie wären nicht wegen mir hier. Davon war ich überzeugt, seit ich tatsächlich angefangen habe, darüber nachzudenken.«
»Also erst seit relativ kurzer Zeit«, sagte ich.
Sie ignorierte meine Bemerkung. »Sie sind die erste Person, seit diese Kapsel geöffnet wurde, die sich vertraut anfühlt. Als würde ich Sie wiedererkennen. Als würden Sie mich wiedererkennen. Ich weiß nicht, warum das so ist.«
Ich wusste es natürlich. Aber dies war nicht der Moment, um es zu sagen, um es zu erklären, in meinem bewegungsunfähigen und verletzlichen Zustand. »Ich versichere Ihnen, dass ich nicht Ihretwegen hier bin. Ich verfolge hier meine persönlichen Angelegenheiten.«
»Sie sind für mich von der Brücke gesprungen.«