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Wenn jemand kam, konnte ich nichts dagegen tun. Esk wäre gescheitert — ich wäre gescheitert. Und meine Zeit war begrenzt. Vielleicht wurde ich nicht aufgehalten und scheiterte trotzdem. An so etwas konnte ich nicht denken.

Als der Augenblick kam, war ich bereit und unterwegs. Meine Sicht war auf vorn und achtern beschränkt, wo sich die einzigen fest installierten Kameras des Shuttles befanden. Als sich die Gerechtigkeit der Torren in der Achternsicht entfernte, wurde ich vom zunehmenden Gefühl der Panik überwältigt, die ich bis jetzt im Zaum gehalten hatte. Was tat ich? Wohin flog ich? Was konnte ich allein und mit nur einem Körper erreichen, taub und blind und von allem abgeschnitten? Welchen Sinn hatte es, Anaander Mianaai zu trotzen, die mich erschaffen hatte, die mich besaß, die unvorstellbar mächtiger war, als ich es jemals sein konnte?

Ich atmete. Ich würde in die Radch zurückkehren. Schließlich würde ich auch zur Gerechtigkeit der Torren zurückkehren, auch wenn es nur die letzten Augenblicke meines Lebens wären. Es war ohne Bedeutung, dass ich blind und taub war. Vor mir lag nur meine Aufgabe. Ich konnte nichts tun, außer im Pilotinnensessel zu sitzen und zu beobachten, wie die Gerechtigkeit der Torren kleiner und ferner wurde. Und an ein anderes Lied denken.

Nach dem Chronometer hatte ich alles exakt so getan, wie ich es tun sollte. Die Gerechtigkeit der Torren würde in vier Minuten und zweiunddreißig Sekunden von meinem Bildschirm verschwinden. Ich beobachtete, zählte, versuchte an nichts anderes zu denken.

In der Achternsicht blitzte es hell auf, blau-weiß, und ich hielt den Atem an. Als sich die Bildschirmanzeige normalisierte, sah ich nichts außer Schwarz — und Sternen. Ich hatte mein selbstgeschaffenes Tor verlassen.

Ich war mehr als vier Minuten zu früh herausgekommen. Und was war das für ein Blitz gewesen? Ich hätte nur sehen sollen, wie das Schiff verschwand und plötzlich die Sterne erschienen.

Mianaai hatte nicht versucht, den zentralen Zugang zu übernehmen oder sich mit den Offizierinnen auf den oberen Decks zusammenzutun. Als ihr klar geworden war, dass ich bereits von ihrer Feindin vereinnahmt worden war, musste sie unverzüglich beschlossen haben, den verzweifeltsten Ausweg zu wählen, der ihr zur Verfügung stand. Sie und die Var-Hilfskräfte, die ihr dienten, hatten meine Triebwerke übernommen und den Hitzeschild durchbrochen. Wie ich hatte entkommen können, ohne zusammen mit dem Rest des Schiffs atomisiert zu werden, konnte ich nicht erklären, aber ich hatte den Blitz gesehen, und ich existierte noch.

Die Gerechtigkeit der Torren war vernichtet, genauso wie alles, was sich an Bord befunden hatte. Ich war nicht dort, wo ich sein sollte, war vielleicht unerreichbar weit vom Radch-Territorium oder sonstigen Menschenwelten entfernt. Jede Möglichkeit, mich wieder mit mir selbst zu vereinigen, war verloren. Die Kapitänin war tot. Alle meine Offizierinnen waren tot. Ein Bürgerkrieg drohte.

Ich hatte Leutnantin Awn erschossen.

Jetzt würde nichts mehr so sein, wie es sollte.

17

Ich hatte das Glück, dass ich den Tor-Raum am Rand eines abgelegenen Nicht-Radchaai-Systems verlassen hatte, einer Ansammlung von Habitaten und Bergbaustationen, die von stark modifizierten Leuten bewohnt wurden — keine Menschen, jedenfalls nach Radchaai-Standards, Leute mit sechs oder acht Gliedmaßen (und ohne Garantie, dass manche davon Beine waren), ans Vakuum angepasste Haut und Lungen, Gehirne, die so sehr mit Implantaten und Drähten durchsetzt waren, dass man sich fragte, ob sie vielleicht nicht mehr als bewusste Maschinen mit einem biologischen Interface waren.

Für sie war es ein Rätsel, wie sich irgendjemand für die primitive Gestalt entscheiden konnte, mit der die meisten Menschen, die ich kannte, geboren wurden. Aber sie waren sehr stolz auf ihre Isolation, und es war ein in Ehren gehaltener Grundsatz ihrer Gesellschaft, dass man mit nur wenigen Ausnahmen (von denen sie die meisten eigentlich nicht zugeben wollten) eine Person niemals zu etwas aufforderte, wozu sie nicht freiwillig bereit war. Sie betrachteten mich mit einer Mischung aus Verblüffung und leichter Verachtung und behandelten mich, als wäre ich ein Kind, das sich zu ihnen verirrt hatte und das sie vielleicht ein bisschen im Auge behalten sollten, bis meine Eltern mich wiedergefunden hatten, aber in Wirklichkeit waren sie nicht für mich verantwortlich. Sofern irgendjemand von ihnen meine Herkunft erraten hatte — was sicherlich der Fall war, denn dazu mussten sie nur einen Blick auf mein Shuttle werfen —, erwähnten sie es nicht, und niemand bedrängte mich mit Fragen, was sie als furchtbar unhöflich empfunden hätten. Sie waren still, eigenständig und vor allem ihrem Clan verpflichtet, aber gleichzeitig zu unberechenbaren Gelegenheiten überraschend großzügig. Wäre dem nicht so gewesen, wäre ich immer noch dort oder vielleicht tot.

Ich bemühte mich sechs Monate lang zu verstehen, wie man irgendetwas machte — nicht nur, wie ich der Herrin der Radch meine Nachricht überbringen konnte, sondern wie ich als ich selbst lief und atmete und schlief und aß. Als ein ich selbst, das nur ein Fragment dessen war, was ich vorher gewesen war, ohne vorstellbare Zukunft außer dem ewigen Wunsch nach dem, was vergangen war. Dann traf eines Tages ein Menschenschiff ein, und die Kapitänin war gern bereit, mich an Bord zu nehmen, im Austausch gegen das wenige Geld, das mir von der Verschrottung des Shuttles geblieben war — das hätte mich Andockgebühren gekostet, die ich nicht mehr hätte bezahlen können. Später fand ich heraus, dass ein vier Meter langer Aal mit Tentakeln den Restbetrag meiner Flugkosten entrichtet hatte, ohne es mir zu sagen, weil ich, wie diese Person der Kapitänin erzählt hatte, nicht hierhergehörte und anderswo gesünder leben würde. Seltsame Leute, wie ich bereits sagte, und ich habe ihnen eine Menge zu verdanken, auch wenn sie beleidigt und bestürzt auf die Vorstellung reagieren würden, dass irgendjemand ihnen etwas schuldig sein mochte.

In den neunzehn Jahren seit damals hatte ich elf Sprachen und 713 Lieder gelernt. Ich fand Möglichkeiten zu verbergen, was ich war — selbst, in diesem Punkt war ich mir ziemlich sicher, vor der Herrin der Radch persönlich. Ich hatte als Köchin gearbeitet, als Hausmeisterin, als Pilotin. Ich hatte mich für einen Plan entschieden, wie ich vorgehen wollte. Ich war einem religiösen Orden beigetreten und hatte sehr viel Geld gemacht. Während dieser ganzen Zeit hatte ich nur ein Dutzend Personen getötet.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte sich die Anwandlung gelegt, Seivarden alles zu erzählen, und sie schien ihre Fragen vergessen zu haben. Bis auf eine. »Und wohin jetzt?« Sie fragte es beiläufig, als sie auf der Bank neben meinem Bett saß, gegen die Wand gelehnt, als würde sie sich nur aus Langeweile für die Antwort interessieren.

Wenn sie sie hörte, beschloss sie vielleicht, lieber allein zu bleiben. »Zum Omaugh-Palast.«

Sie runzelte die Stirn, aber nur leicht. »Ist der neu?«

»Das nicht gerade.« Er war vor über siebenhundert Jahren erbaut worden. »Aber schon nach Garsedd.« Mein rechter Fußknöchel begann zu kribbeln und zu jucken, ein sicheres Zeichen, dass das Korrektiv mit der Arbeit fertig war. »Sie haben das Radchaai-Territorium ohne Genehmigung verlassen. Und Sie haben zu diesem Zweck Ihre Rüstung verkauft.«

»Außergewöhnliche Umstände«, sagte sie, immer noch gegen die Wand gelehnt. »Ich werde ein Gesuch einreichen.«

»Das wird Ihnen auf jeden Fall eine Verzögerung einbringen.« Jede Bürgerin, die die Herrin der Radch sprechen wollte, konnte einen entsprechenden Antrag stellen, auch wenn die Reise umso komplizierter, kostspieliger und zeitaufwendiger sein würde, je weiter man von einem Provinzpalast entfernt war. Manchmal wurden solche Anträge abgelehnt, wenn die Entfernung zu groß war und die Angelegenheit als hoffnungslos oder unbegründet beurteilt wurde — und die Antragstellerin nicht in der Lage war, die Kosten selbst zu tragen. Aber Anaander Mianaai war für jede Angelegenheit die letzte Revisionsinstanz, und dieser Fall war alles andere als Routine. Außerdem wäre sie bereits vor Ort in der Station. »Sie müssten monatelang auf eine Audienz warten.«