Выбрать главу

»Seivarden«, ergänzte ich.

»… bevor Bürgerin Seivardens Reisegenehmigung erteilt wird. Je nachdem, von wo sie abgereist ist und wo sich ihre persönlichen Daten befinden.«

»Natürlich«, antwortete ich und nippte von meinem Tee. »Nichts anderes war zu erwarten.«

Nachdem wir gegangen waren, sagte Seivarden halblaut zu mir: »Was für eine Wichtigtuerin. War das echter Tee?«

»Ja.« Ich wartete darauf, dass sie sich beschwerte, weil sie keinen bekommen hatte, aber mehr sagte sie nicht dazu. »Er war sehr gut. Was wollen Sie tun, wenn statt Ihrer Reisegenehmigung ein Haftbefehl kommt?«

Sie machte eine abweisende Geste. »Warum sollte das passieren? Ich habe doch schon die Rückkehr beantragt. Also können sie mich verhaften, wenn ich dort eintreffe. Und ich werde mein Gesuch einreichen. Glauben Sie, die Konsulin lässt sich diesen Tee von zu Hause einfliegen, oder kann man ihn hier vielleicht kaufen?«

»Finden Sie es heraus, wenn Sie möchten«, sagte ich. »Ich werde ins Zimmer zurückgehen, um zu meditieren.«

Die Dienerin der Konsulatsvertreterin gab Seivarden freiheraus ein halbes Kilo Tee, wahrscheinlich aus Dankbarkeit für die Gelegenheit, die vorausgegangene Kränkung durch ihre Arbeitgeberin wiedergutmachen zu können. Und als mein Visum eintraf, war auch Seivardens Reisegenehmigung da — und kein Haftbefehl oder irgendein sonstiger Kommentar oder irgendwelche Informationen. Das machte mir Sorgen, wenn auch nur ein wenig. Aber vermutlich hatte Seivarden recht — warum sollten sie irgendetwas anderes tun? Wenn sie das Schiff verließ, wäre noch genug Zeit und Gelegenheit, ihre juristischen Schwierigkeiten anzusprechen.

Trotzdem. Es war möglich, dass die Radch-Behörden erkannt hatten, dass ich in Wirklichkeit keine Bürgerin der Gerentate war. Das war unwahrscheinlich, denn die Gerentate war sehr, sehr weit weg von dort, wohin ich unterwegs war. Außerdem waren die Beziehungen zwischen der Gerentate und der Radch recht freundlich — oder zumindest nicht offen feindselig —, aber die Gerentate gab generell keine Informationen über ihre Bürgerinnen heraus, auch nicht an die Radch. Wenn die Radch eine Anfrage stellte — was sie nicht tun würde —, würde die Gerentate weder bestätigen noch abstreiten, dass ich eine ihrer Staatsangehörigen war. Wäre ich von der Gerentate ins Radchaai-Territorium gereist, wäre ich wiederholt gewarnt worden, dass ich es auf eigene Gefahr tat und keine Hilfe erhalten würde, sollte ich in Schwierigkeiten geraten. Aber die Radchaai-Beamtinnen, die mit reisenden Fremden zu tun hatten, wussten das natürlich und wären bereit, meine Identität mehr oder weniger für bare Münze zu nehmen.

Die dreizehn Paläste von Anaander Mianaai waren die Hauptstädte der jeweiligen Provinzen. Die Stationen von der Größe einer Metropole bestanden zur einen Hälfte aus einer halbwegs gewöhnlichen großen Radchaai-Station — mitsamt KI — und zur anderen Hälfte aus dem eigentlichen Palast. Jeder dieser Paläste war die Residenz von Anaander Mianaai und der Sitz der Provinzverwaltung. Der Omaugh-Palast konnte also keine Hinterwäldlerstation sein. Ein Dutzend Tore führten in das System, und jeden Tag kamen und gingen Hunderte von Schiffen. Seivarden wäre nur eine von Tausenden von Bürgerinnen, die um eine Audienz ersuchten oder ein juristisches Urteil anfechten wollten. Auch wenn es zweifelsohne ein ungewöhnlicher Fall war, denn keine dieser anderen Bürgerinnen kehrte nach einer tausendjährigen Suspension zurück.

Ich verbrachte die monatelange Reise damit, mir zu überlegen, was zu tun war, wie ich diese Sache für mich ausnutzen wollte. Wie ich mit den Nachteilen umgehen, sie zu meinen Gunsten wenden konnte. Und ich dachte darüber nach, was ich eigentlich erreichen wollte.

Für mich ist es schwierig einzuschätzen, an wie viel von mir selbst ich mich erinnere. Wie viel ich vielleicht gewusst hatte, was ich vielleicht mein ganzes Leben lang vor mir selbst verborgen hatte. Zum Beispiel dieser letzte Befehl, die Anweisung, die ich, die Gerechtigkeit der Torren, mir, Eins Esk Neunzehn, gegeben hatte. Geh zum Irei-Palast, mach Anaander Mianaai ausfindig und erzähle ihr, was geschehen ist. Was hatte ich damit gemeint? Über die offensichtliche und bloße Tatsache hinaus, dass ich der Herrin der Radch die Nachricht überbringen wollte.

Warum war es so wichtig gewesen? Weil es das gewesen war. Es war keine Nebensache gewesen, sondern eine dringende Notwendigkeit. Damals schien alles klar gewesen zu sein. Natürlich musste ich die Nachricht überbringen, natürlich musste ich die richtige Anaander warnen.

Ich würde meine Befehle befolgen. Aber während der Zeit, in der ich mich von meinem Tod erholt hatte, als ich mich Schritt für Schritt dem Radch-Territorium genähert hatte, hatte ich beschlossen, auch noch etwas anderes zu tun. Ich würde der Herrin der Radch trotzen. Und vielleicht bewirkte mein Trotz gar nichts, wäre nur eine schwache Geste, die sie kaum bemerkte.

Die Wahrheit sah so aus, dass Strigan recht hatte. Mein Wunsch, Anaander Mianaai zu töten, war unvernünftig. Jeder ernsthafte Versuch, so etwas zu tun, war verrückt. Selbst wenn ich über eine Waffe verfügte, mit der ich mich der Herrin der Radch nähern konnte, die sie erst wahrnehmen würde, wenn ich meine Absichten offenbarte, konnte ich mir nicht mehr erhoffen als einen Schrei des Aufbegehrens, der bereits im nächsten Augenblick verklungen war, der sich leicht als unwichtig abtun ließ. Nichts, womit ich möglicherweise etwas bewirken konnte.

Dennoch. All diese geheimen Maßnahmen gegen sich selbst. Zweifellos zu dem Zweck, einen offenen Konflikt, einen allzu großen Schaden für die Radch zu vermeiden. Vielleicht auch, um Anaander Mianaais eigene Überzeugung zu schützen, eine einzige Person zu sein. Konnte sie, nachdem das Dilemma klar erkannt worden war, noch so tun, als würde es sich anders verhalten?

Und wenn es jetzt zwei Anaander Mianaais gab, könnte es dann nicht noch mehr geben? Vielleicht einen Teil, der gar nichts von ihrem eigenen inneren Konflikt wusste? Oder sich einredete, nichts davon zu wissen? Was würde geschehen, wenn ich das, was die Herrin der Radch vor sich selbst geheim hielt, offen ausgesprochen hätte? Zweifellos etwas Schlimmes, weil sie sich sonst nie so große Mühe gegeben hätte, es vor sich selbst zu verbergen. Würde sie sich zerreißen, sobald die Angelegenheit offen auf dem Tisch lag?

Aber wie konnte ich Anaander Mianaai irgendetwas direkt ins Gesicht sagen? Vorausgesetzt, ich erreichte den Omaugh-Palast, vorausgesetzt, ich konnte das Schiff verlassen und die Station betreten — wenn ich so weit kam, konnte ich mich auch mitten auf die Hauptpromenade stellen und laut meine Geschichte rufen, damit jeder sie hörte.

Vielleicht konnte ich damit beginnen, aber ich würde nie bis zum Ende kommen. Der Sicherheitsdienst würde mich abführen, vielleicht würden sogar Soldatinnen geschickt, und in den Nachrichten des Tages würde es heißen, eine Reisende hätte auf der Promenade den Verstand verloren, aber die Sicherheit hätte das Problem unter Kontrolle bekommen. Viele Bürgerinnen würden den Kopf schütteln und etwas über unzivilisierte Fremde murmeln und mich dann vergessen. Und welcher Teil der Herrin der Radch auch immer mich zuerst bemerkte, konnte mich zweifellos ohne Mühe als geistig geschädigt abtun — oder zumindest die verschiedenen anderen Teile von ihr überzeugen, dass ich es war.

Nein, ich brauchte die ungeteilte Aufmerksamkeit von Anaander Mianaai, wenn ich sagte, was ich zu sagen hatte. Wie ich sie bekam, war ein Problem, über das ich seit fast zwanzig Jahren nachgedacht hatte. Ich wusste, dass es schwieriger sein würde, eine Person zu ignorieren, deren Auslöschung man bemerken würde. Ich konnte die Station besuchen und mich bemühen, gesehen zu werden, mich bekannt zu machen, sodass mich nicht irgendein Teil von Anaander einfach kommentarlos beseitigen konnte. Aber ich glaubte nicht, dass so etwas genügen würde, um die Herrin der Radch — alle ihre Teile — zu zwingen, mir zuzuhören.