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Aber ich hatte Seivarden. Kapitänin Seivarden Vendaai, vor tausend Jahren verschollen, zufällig wiedergefunden, erneut verschollen. Die nun im Omaugh-Palast auftauchte. Jede Radchaai wäre neugierig darauf, mit einer Neugier, die religiös aufgeladen war. Und Anaander Mianaai war eine Radchaai. Zwangsläufig würde ihr auffallen, dass ich in Gesellschaft von Seivarden zurückgekehrt war. Wie jede andere Bürgerin würde sie sich darüber wundern, wenn auch nur beiläufig, was das zu bedeuten hatte. Und bei einer Persönlichkeit wie ihr waren auch beiläufige Gedanken etwas sehr Substanzielles.

Seivarden würde um eine Audienz bitten. Und sie irgendwann bekommen. Und bei dieser Audienz hatte sie Anaanders ganze Aufmerksamkeit. Kein Teil von ihr würde ein solches Ereignis ignorieren.

Und zweifellos würde Seivarden die Aufmerksamkeit der Herrin der Radch haben, sobald wir aus dem Schiff stiegen. Genauso wie ich, wenn ich in Seivardens Gesellschaft eintraf. Furchtbar riskant. Vielleicht hatte ich meine Natur nicht gut genug verborgen, vielleicht erkannte man trotzdem, was ich war. Aber ich war fest entschlossen, es zu versuchen.

Ich saß auf der Koje und wartete auf die Erlaubnis, das Schiff verlassen und die Station Omaugh betreten zu dürfen. Mein Rucksack lag zu meinen Füßen, Seivarden lehnte sich lässig und gelangweilt gegen die Wand des Zimmers.

»Etwas macht Ihnen Sorgen«, stellte Seivarden beiläufig fest. Als ich nicht antwortete, fuhr sie fort: »Immer wenn Sie diese Melodie summen, sind Sie in Gedanken verloren.«

Mein Herz ist ein Fisch, der sich im Wassergras verbirgt. Ich hatte an alles gedacht, was schiefgehen mochte, von diesem Moment an, wenn ich das Schiff verließ und mit den Dockinspektorinnen konfrontiert wurde. Oder der Stationssicherheit. Oder Schlimmerem. Ich hatte daran gedacht, dass alles, was ich getan hatte, umsonst gewesen wäre, wenn ich verhaftet wurde, bevor ich auch nur die Docks betreten konnte.

Und ich hatte an Leutnantin Awn gedacht. »Bin ich so leicht zu durchschauen?« Ich zwang mich zu einem Lächeln, als wäre ich leicht amüsiert.

»Das nicht. Nur …« Sie zögerte. Runzelte ein wenig die Stirn, als hätte sie es plötzlich bereut, überhaupt etwas gesagt zu haben. »Sie haben ein paar Angewohnheiten, die mir aufgefallen sind, mehr nicht.« Sie seufzte. »Trinken die Dockinspektorinnen Tee? Oder warten sie nur, bis wir genügend gealtert sind?« Wir konnten das Schiff nicht ohne die Genehmigung des Inspektionsbüros verlassen. Die Inspektorin musste unsere Daten erhalten haben, als das Schiff eine Andockgenehmigung erbeten hatte. Also hatte sie genug Zeit gehabt, sie zu prüfen und zu entscheiden, was bei unserer Ankunft geschehen sollte.

Seivarden, die sich immer noch gegen die Wand lehnte, schloss die Augen und summte. Die Stimme schwankte, die Tonhöhe ging abwechselnd hinauf und hinunter, als sie falsche Intervalle sang. Aber es war trotzdem wiedererkennbar. Mein Herz ist ein Fisch. »Bei Aatrs Titten«, fluchte sie nach anderthalb Strophen, weiterhin mit geschlossenen Augen. »Jetzt mache ich es auch schon.«

Der Türsummer ertönte. »Herein«, sagte ich. Seivarden öffnete die Augen, richtete sich auf. War plötzlich angespannt. Ich vermutete, dass ihre Gelangweiltheit nur eine Pose gewesen war.

Die Tür glitt auf, und eine Person in der dunkelblauen Uniform einer Dockinspektorin — bestehend aus Jacke, Handschuhen und Hose — kam zum Vorschein. Sie war zierlich und jung, vielleicht drei- oder vierundzwanzig. Sie wirkte vertraut, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, an wen sie mich möglicherweise erinnerte. Die spärlicher verstreuten Edelsteine und Gedenknadeln verrieten es mir vielleicht, wenn ich genauer hinstarrte, um die Namen lesen zu können. Was sehr unhöflich wäre. Auf der anderen Seite des Raumes versteckte Seivarden die bloßen Hände hinter dem Rücken.

»Geehrte Breq«, sagte die Inspektionsgehilfin mit einer leichten Verbeugung. Meine bloßen Hände schienen sie nicht zu beunruhigen. Vermutlich weil sie es gewohnt war, mit Fremden umzugehen. »Bürgerin Seivarden. Würden Sie mich bitte ins Büro der Inspektionsleiterin begleiten?«

Eigentlich hätte es nicht nötig sein sollen, dass wir persönlich bei der Inspektionsleiterin vorstellig wurden. Diese Gehilfin hatte die Befugnis, uns den Zugang zur Station zu gewähren. Oder unsere Verhaftung anzuordnen.

Wir folgten ihr durch die Schleuse in den Hangar, an einer weiteren Schleuse vorbei in einen Korridor, in dem es von Leuten wimmelte — Dockinspektorinnen in Dunkelblau, Stationssicherheit in Hellbraun, hier und dort das dunklere Braun von Soldatinnen und Tupfer in helleren Farben — vereinzelte nichtuniformierte Bürgerinnen. Dieser Korridor mündete in einen großen Raum mit einem Dutzend Göttinnen an den Wänden, die über die Reisenden und Händlerinnen wachten, an einem Ende der Eingang zur eigentlichen Station und gegenüber der Durchgang zum Inspektionsbüro.

Die Gehilfin eskortierte uns durch den Empfangsbereich, wo sich neun rangniedere Gehilfinnen in blauen Uniformen mit den Beschwerden von Schiffskapitäninnen auseinandersetzten. Dahinter lagen die Büros für vermutlich ein Dutzend ranghöhere Gehilfinnen mitsamt ihrem Personal. An diesen vorbei und in ein weiter hinten liegendes Büro mit vier Stühlen und einem kleinen Tisch und einer geschlossenen Tür in der Rückwand.

»Es tut mir leid, Bürg… Geehrte und Bürgerin«, sagte die Gehilfin, die uns hierhergeführt hatte. Ihre Finger zuckten, als sie mit jemandem kommunizierte, wahrscheinlich der Stations-KI oder der Inspektionsleiterin. »Die Inspektionsleitung war disponibel, doch dann kam etwas dazwischen. Ich bin mir sicher, dass es nicht länger als ein paar Minuten dauern wird. Bitte setzen Sie sich. Möchten Sie Tee?«

Also eine etwas längere Wartezeit. Und der Tee deutete darauf hin, dass es keinen Haftbefehl gab. Dass niemand bemerkt hatte, dass meine Dokumente gefälscht waren. Alle hier — einschließlich der Station — würden davon ausgehen, dass ich wirklich die war, die ich zu sein behauptete, eine reisende Fremde. Und vielleicht erhielt ich sogar die Gelegenheit herauszufinden, an wen diese junge Inspektionsgehilfin mich erinnerte. Nachdem sie nun etwas mehr gesprochen hatte, bemerkte ich einen leichten Akzent. Woher stammte sie? »Gern, danke«, sagte ich.

Seivarden reagierte nicht sofort auf das Angebot, Tee zu trinken. Sie hatte die Arme verschränkt und die bloßen Hände unter die Ellbogen gesteckt. Wahrscheinlich freute sie sich über den Tee, schämte sich aber für ihre unbehandschuhten Hände, die sie nicht verbergen konnte, wenn sie eine Tasse hielt. Zumindest glaubte ich das, bis sie sagte: »Ich kann kein Wort von dem verstehen, was sie sagt.«

Seivardens Akzent und Sprechweise mussten den meisten gebildeten Radchaai bekannt sein, aus alten Unterhaltungsprogrammen und der Art und Weise, wie Anaander Mianaais Sprache von angesehenen — oder auf Ansehen hoffenden — Familien nachgeahmt wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass die Unterschiede in Aussprache und Vokabular so extrem waren. Aber ich hatte sie über einen langen Zeitraum miterlebt, während Seivarden noch nie ein gutes Ohr für Sprachen gehabt hatte. »Sie bietet uns Tee an.«

»Oh.« Seivarden warf einen kurzen Blick auf ihre verschränkten Arme. »Nein.«

Ich nahm die Teetasse, die die Gehilfin aus einer Kanne auf dem Tisch gefüllt hatte, bedankte und setzte mich. Das Büro war in Blassgrün gestrichen, und der Bodenbelag bestand aus etwas, das vermutlich wie Holz aussehen sollte, was möglicherweise sogar funktioniert hätte, wenn die Designerin jemals etwas zu Gesicht bekommen hätte, das keine Imitation einer Imitation war. In einer Wandnische hinter der jungen Gehilfin stand eine Ikone von Amaat und eine kleine Schale mit gekräuselten Blütenblättern in hellem Orange. Und daneben eine Messingkopie der Felswand im Tempel der Ikkt. Ich wusste, dass man so etwas kaufen konnte, während der Pilgersaison an Ständen auf dem Platz vor dem Vortempelteich.