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»Auf den bisherigen Stationen unserer Reise haben Sie sich nicht an der Mode gestört«, sagte ich.

»Es waren fremde Orte«, erwiderte Seivarden gereizt. »Es war kein Zuhause

Inspektionsleiterin Skaaiat lächelte. »Ich denke, Sie werden sich irgendwann daran gewöhnen. Der eigentliche Palast befindet sich hier.«

Wir folgten ihr über die Promenade, wobei meine und Seivardens unzivilisierte Kleidung und unsere bloßen Hände einige neugierige und angewiderte Blicke auf sich zogen. Dann erreichten wir den Eingang, der lediglich durch einen einfachen schwarzen Balken über der Tür gekennzeichnet war.

»Ich werde schon zurechtkommen«, sagte Seivarden, als hätte ich etwas gesagt. »Ich werde später nachkommen, wenn ich fertig bin.«

»Ich werde auf Sie warten.«

Inspektionsleiterin Skaaiat beobachtete, wie Seivarden den Palast betrat, und sagte dann: »Geehrte Breq, auf ein Wort, bitte.«

Ich bestätigte mit einer Geste, worauf sie sagte: »Sie sind sehr besorgt um Bürgerin Seivarden. Das verstehe ich, und es spricht für Sie. Aber es gibt keinen Grund, sich um ihre Sicherheit zu sorgen. Die Radch kümmert sich um ihre Bürgerinnen.«

»Sagen Sie mir, Inspektionsleiterin, wenn Seivarden irgendeine Niemand aus einem bedeutungslosen Haus wäre, die die Radch ohne Genehmigungen verlassen hätte — und was auch immer sie sonst getan haben mag, ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob da noch etwas anderes war —, wenn sie eine Person wäre, von der Sie noch nie gehört haben, mit einem Hausnamen, den sie nicht kennen oder mit dessen Geschichte Sie nicht vertraut sind, wäre sie am Dock dann höflich empfangen worden und hätte sie Tee bekommen, um dann in den eigentlichen Palast geführt zu werden und ihr Anliegen vorbringen zu können?«

Sie hob die rechte Hand, kaum einen Millimeter weit, und dieses kleine unpassende goldene Abzeichen blitzte auf. »Sie befindet sich nicht mehr in einer solchen Stellung. Sie ist praktisch ohne Haus und bankrott.« Ich sagte nichts, sah sie nur an. »Nein, es hat etwas für sich, was Sie sagen. Wenn ich nicht wüsste, wer sie ist, hätte ich niemals daran gedacht, irgendetwas für sie zu tun. Aber sicher werden solche Dinge in der Gerentate doch genauso gehandhabt.«

Ich lächelte leicht und hoffte, einen freundlicheren Eindruck als bisher zu machen. »Sicher.«

Inspektionsleiterin Skaaiat schwieg für einen Moment, beobachtete mich, dachte über etwas nach, aber ich hatte keine Ahnung, was es sein könnte. Bis sie sagte: »Beabsichtigen Sie, ihr eine Klientinnenschaft anzubieten?«

Das wäre eine unglaublich unhöfliche Frage gewesen, wäre ich eine Radchaai gewesen. Aber als ich mit Skaaiat Awer zu tun gehabt hatte, hatte sie häufig Dinge gesagt, die besser unausgesprochen geblieben wären. »Wie könnte ich? Ich bin keine Radchaai. Und in der Gerentate schließen wir keine solchen Verträge.«

»Nein, das stimmt«, sagte Inspektionsleiterin Skaaiat. Unverblümt. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, plötzlich tausend Jahre in der Zukunft aufzuwachen, nachdem ich mein Schiff bei einem berüchtigten Zwischenfall verloren habe, nachdem all meine Freundinnen tot sind und mein Haus nicht mehr existiert. Auch ich würde vielleicht davonlaufen. Seivarden muss eine Möglichkeit finden, sich irgendwo einzufügen. Aus der Sicht der Radchaai sieht es so aus, als würden Sie ihr dieses Angebot machen.«

»Sie machen sich Sorgen, dass ich Seivarden falsche Hoffnungen machen könnte.« Ich dachte an Daos Ceit im äußeren Büro, an die wunderschöne, sehr teure Nadel aus Perle und Platin, die kein Zeichen einer Klientinnenschaft war.

»Ich weiß nicht, welche Hoffnungen sich Bürgerin Seivarden macht. Es ist nur … Sie verhalten sich so, als wären Sie für sie verantwortlich. Für mich sieht das einfach falsch aus.«

»Wenn ich eine Radchaai wäre, würde es dann immer noch falsch aussehen?«

»Wenn Sie eine Radchaai wären, würden Sie sich anders verhalten.« Die Anspannung ihres Unterkiefers verriet, dass sie verärgert war, aber versuchte, es zu verbergen.

»Wessen Name steht auf dieser Nadel?« Die unbeabsichtigte Frage klang schroffer, als angemessen gewesen wäre.

»Was?« Sie runzelte verdutzt die Stirn.

»Diese Nadel an Ihrem rechten Ärmel. Sie ist anders als alles, was Sie sonst tragen.« Wessen Name steht darauf?, wollte ich erneut fragen und: Was haben Sie für Leutnantin Awns Schwester getan?

Inspektionsleiterin Skaaiat blinzelte und wich ein kleines Stück zurück, als hätte ich sie geschlagen. »Es ist ein Gedenken an eine verstorbene Freundin.«

»Und in diesem Moment denken Sie an sie. Sie bewegen ständig Ihr Handgelenk, drehen es immer zu sich hin. Das machen Sie schon seit mehreren Minuten.«

»Ich denke häufig an sie.« Sie atmete ein und wieder aus. Und noch einmal. »Ich glaube, ich bin vielleicht nicht fair zu Ihnen, Breq Ghaiad.«

Ich wusste es. Ich wusste, welcher Name auf dieser Nadel stand, obwohl ich ihn nicht gelesen hatte. Ich wusste es. War mir nicht sicher, ob mir dieses Wissen eine bessere Meinung von Inspektionsleiterin Skaaiat gab oder eine viel schlechtere. Aber ich war in diesem Moment in Gefahr, auf eine Weise, die ich nicht vorhergesehen hatte. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es dazu kommen könnte. Ich hatte bereits Dinge gesagt, die ich niemals hätte sagen dürfen. Und wollte noch viel mehr sagen. Hier war die einzige Person, der ich in zwanzig langen Jahren begegnet war, die erkennen konnte, wer ich war. Die Versuchung, einfach Leutnantin, ich bin es, ich bin Eins Esk der Gerechtigkeit der Torren, schauen Sie mich an! zu rufen, war überwältigend.

Stattdessen sagte ich sehr vorsichtig: »Ich stimme mit Ihnen überein, dass Seivarden sich hier ein Zuhause suchen muss. Es ist nur so, dass ich der Radch nicht so vertraue, wie Sie es tun. Wie Seivarden es tut.«

Inspektionsleiterin Skaaiat öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch dann schnitt Seivardens Stimme ab, was auch immer Inspektionsleiterin Skaaiat hatte sagen wollen. »Es hat wirklich nicht lange gedauert!« Seivarden trat neben mich, sah mich an, runzelte die Stirn. »Sie haben wieder Probleme mit Ihrem Bein. Sie sollten sich setzen.«

»Bein?«, fragte Inspektionsleiterin Skaaiat.

»Eine alte Verletzung, die nicht richtig verheilt ist«, sagte ich, für einen Moment froh darüber, dass Seivarden mein Unbehagen darauf zurückführte. Jedenfalls würde es die Station tun, falls sie alles beobachtete.

»Und Sie hatten einen langen Tag, und ich habe Sie hier stehen lassen. Das war sehr unhöflich von mir, bitte verzeihen Sie mir, Geehrte«, sagte Inspektionsleiterin Skaaiat.

»Natürlich.« Ich schluckte die Worte hinunter, die daraufhin meinen Mund verlassen wollten, und wandte mich an Seivarden. »Wie ist also der Stand der Dinge?«

»Ich habe mein Gesuch eingereicht und müsste irgendwann in den nächsten Tagen einen Termin bekommen«, sagte sie. »Ich habe auch Ihren Namen angegeben.« Als Inspektionsleiterin Skaaiat eine Augenbraue hochzog, fügte Seivarden hinzu: »Breq hat mir das Leben gerettet. Mehr als einmal.«

Inspektionsleiterin Skaaiat sagte nur: »Ihre Audienz wird vermutlich erst in einigen Monaten stattfinden.«

»In der Zwischenzeit«, fuhr Seivarden nach einer kleinen bestätigenden Geste mit immer noch verschränkten Armen fort, »wurde mir eine Unterkunft zugewiesen, und ich stehe jetzt auf der Rationsliste, und ich habe noch fünfzehn Minuten, um mich bei der nächsten Versorgungsstelle zu melden und mir Kleidung abzuholen.«

Unterkunft. Nun gut, wenn es für Inspektionsleiterin Skaaiat nicht richtig war, dass sie bei mir wohnte, würde es aus den gleichen Gründen auch für Seivarden falsch aussehen. Und selbst wenn sie nicht länger meine Dienerin war, hatte sie mich aufgefordert, sie zu ihrer Audienz zu begleiten. Das war, rief ich mir ins Gedächtnis, der wichtigste Punkt. »Möchten Sie, dass ich Sie begleite?« Ich wollte es nicht. Ich wollte allein sein, mein inneres Gleichgewicht wiederfinden.