»Ich komme schon zurecht. Sie sollten Ihr Bein schonen. Ich werde mich morgen bei Ihnen melden. Inspektionsleiterin, es war gut, Sie kennenzulernen.« Seivarden verbeugte sich, eine perfekt kalkulierte Höflichkeit gegenüber einer sozial Gleichgestellten, erwidert durch eine identische Verbeugung von Inspektionsleiterin Skaaiat, und entfernte sich dann über die Promenade.
Ich wandte mich Inspektionsleiterin Skaaiat zu. »Welche Unterkunft würden Sie mir empfehlen?«
Eine halbe Stunde später war ich, wie ich es mir gewünscht hatte, allein in meinem Zimmer. Es war kostspielig, nicht weit von der Hauptpromenade, ein unglaublich luxuriöses Quadrat mit fünf Metern Seitenlänge, ein Boden aus etwas, das fast wie echtes Holz war, und dunkelblaue Wände. Ein Tisch und Stühle sowie ein Bildprojektor im Boden. Viele, wenn auch nicht alle Radchaai besaßen optische und auditorische Implantate, die ihnen ermöglichten, Unterhaltungsprogramme, Musik oder Nachrichten direkt wahrzunehmen. Aber die Leute hatten immer noch Spaß daran, sich etwas gemeinsam anzuschauen, und die sehr Wohlhabenden legten manchmal großen Wert darauf, ihre Implantate abzuschalten.
Die Decke auf dem Bett fühlte sich an, als könnte sie tatsächlich aus Wolle bestehen statt aus etwas Synthetischem. An einer Wand war eine herunterklappbare Pritsche für eine Dienerin befestigt, die ich natürlich nicht mehr hatte. Und der unglaublichste Luxus für die Radch war, dass das Zimmer über ein eigenes winziges Bad verfügte — eine Notwendigkeit für mich, in Anbetracht der Waffe und der Munition, die ich mir unter meinem Hemd um den Körper geschnallt hatte. Die Scanner der Station hatten nichts davon bemerkt und würden auch nichts bemerken, aber menschliche Augen konnten es sehen. Wenn ich diese Dinge im Zimmer zurückließ, konnten sie von einer Prüferin gefunden werden. Auf gar keinen Fall konnte ich sie im Umkleideraum eines öffentlichen Bades zurücklassen.
Eine Konsole an der Wand in der Nähe der Tür verschaffte mir einen Zugang zu Kommunikationssystemen. Und zur Station. Und dadurch war es der Station möglich, mich zu beobachten, obwohl ich mir sicher war, dass die Station auch auf andere Weise in mein Zimmer schauen konnte. Ich war wieder in der Radch, niemals allein, niemals privat.
Nachdem ich das Zimmer übernommen hatte, war mein Gepäck innerhalb von fünf Minuten eingetroffen, ebenso ein Tablett mit einem Abendessen aus einem Restaurant in der Nähe, Fisch und Gemüse, immer noch dampfend und nach Gewürzen duftend.
Es bestand immer die Möglichkeit, dass niemand mich beachtete. Aber als ich mein Gepäck öffnete, stand fest, dass es durchsucht worden war. Vielleicht weil ich eine Fremde war. Vielleicht auch nicht.
Ich nahm meine Teekanne und die Tassen heraus, dann die Ikone von Ihr, die der Lilie entsprang, und stellte sie auf den niedrigen Tisch neben dem Bett. Ich benutzte einen Liter meiner Wasserzuteilung, um die Kanne zu füllen, und setzte mich dann, um zu essen.
Der Fisch war so köstlich, wie er roch, und besserte meine Stimmung ein wenig. Nachdem ich gegessen hatte, fiel es mir zumindest leichter, mich meiner Situation zu stellen, und ich gönnte mir eine Tasse Tee.
Die Station konnte zweifellos einen großen Prozentanteil ihrer Bewohner genauso intim beobachten, wie ich es mit meinen Offizierinnen hatte tun können. Den Rest — nun einschließlich mir — sah sie weniger detailliert. Temperatur, Herzfrequenz, Atmung. Weniger beeindruckend als der Datenstrom von genauer überwachten Bewohnerinnen, aber immer noch eine Menge Informationen. Wenn man gründliche Kenntnisse über die beobachtete Person hinzufügte, ihre Lebensgeschichte, ihre gesellschaftliche Stellung, war die Station fast in der Lage, Gedanken zu lesen.
Fast. Natürlich konnte sie nicht buchstäblich Gedanken lesen. Und die Station kannte meine Lebensgeschichte nicht, hatte keine vorherige Erfahrung mit mir. Sie würde die Anzeichen meiner Emotionen erkennen, hatte aber keine gute Basis, um zutreffend zu erraten, warum ich eine bestimmte Empfindung hatte.
Ich hatte tatsächlich Schmerzen in der Hüfte gehabt. Und was Inspektionsleiterin Skaaiat zu mir gesagt hatte, war in Radchaai-Begriffen unglaublich unhöflich. Hätte ich wütend reagiert, für die Station sichtbar, falls sie zugeschaut hätte (für Anaander Mianaai sichtbar, falls auch sie zugeschaut hätte), wäre das absolut natürlich gewesen. Weder die eine noch die andere hätte mehr tun können als raten, was mich so aufgebracht hatte. Ich konnte jetzt die Rolle der erschöpften Reisenden spielen, unter den Schmerzen einer alten Verletzung leidend, die nichts mehr benötigte als Essen und Ruhe.
Im Zimmer war es sehr still. Selbst wenn Seivarden wieder einmal geschmollt hatte, war es nie so erdrückend lautlos gewesen. Ich hatte mich nicht so gut an das Alleinsein gewöhnt, wie ich gedacht hatte. Und wenn ich an Seivarden dachte, sah ich plötzlich, was ich bisher nicht gesehen hatte, dort auf der Promenade und blind vor Wut auf Skaaiat Awer. In jenem Moment hatte ich gedacht, Inspektionsleiterin Skaaiat wäre die einzige Person, der ich bereits begegnet war und die mich erkennen konnte, aber das stimmte nicht. Seivarden hätte mich erkennen können.
Aber Leutnantin Awn hatte nie etwas von Seivarden erwartet, hatte nie verletzt oder enttäuscht auf sie reagiert. Wären sie sich jemals begegnet, hätte Seivarden sicher keinen Zweifel an ihrer Verachtung gelassen. Leutnantin Awn hätte sich auf steife Weise höflich verhalten, mit unterschwelliger Wut, die ich bemerkt hätte, aber sie hätte niemals die Betroffenheit und den Schmerz empfunden, den sie gespürt hatte, als die damalige Leutnantin Skaaiat gedankenlos etwas Abweisendes gesagt hatte.
Aber vielleicht täuschte ich mich, wenn ich glaubte, meine Reaktion auf die beiden, Skaaiat Awer und Seivarden Vendaai, wären sehr unterschiedlich. Ich hatte mich schon einmal in Gefahr gebracht, aus Wut auf Seivarden.
Ich konnte es nicht entwirren. Und ich musste eine Rolle spielen, für meine eventuellen Beobachterinnen, ein Bild, das ich auf dem Weg hierher sorgfältig vorbereitet hatte. Ich stellte meine leere Tasse neben die Teekanne, kniete mich auf dem Boden vor der Ikone nieder, wobei meine Hüfte leicht protestierte, und begann zu beten.
19
Am nächsten Morgen kaufte ich Kleidung. Die Inhaberin des Ladens, den Inspektionsleiterin Skaaiat mir empfohlen hatte, stand bereits kurz davor, mich hinauszuwerfen, als mein Kontostand auf ihrer Konsole aufblitzte, unaufgefordert, wie ich vermutete. Offenbar wollte die Station ihr die Verlegenheit ersparen — und mir gleichzeitig mitteilen, wie genau sie mich im Auge behielt.
Ich brauchte auf jeden Fall Handschuhe, und wenn ich die Rolle der vermögenden und großzügigen Touristin spielen wollte, musste ich noch viel mehr kaufen. Doch bevor ich irgendetwas in dieser Richtung sagen konnte, holte die Inhaberin Ballen aus Brokat, Samt und Satin in einem Dutzend Farben hervor. In Purpur und Orangebraun, drei Grüntönen, Gold, Hellgelb sowie Eisblau, Aschgrau und Tiefrot.
»Diese Kleider können Sie nicht tragen«, sagte sie mir gebieterisch, während eine Untergebene mir Tee reichte und es schaffte, ihre Abscheu vor meinen bloßen Händen mehr oder weniger zu verbergen. Die Station hatte mich gescannt und meine Maße durchgegeben, sodass ich nichts tun musste. Einen halben Liter Tee, zwei unerträglich süße Kekse und ein Dutzend Beleidigungen später verließ ich den Laden in einer orangebraunen Jacke mit dazu passenden Hosen, einem frostweißen steifen Hemd darunter und dunkelgrauen Handschuhen, die so dünn und weich waren, dass es sich fast wie barhändig anfühlte. Zum Glück bevorzugte die aktuelle Mode Jacken und Hosen, die weit genug geschnitten waren, um darunter meine Waffe verstecken zu können. Der Rest — zwei weitere Jacken und Hosen, zwei Handschuhpaare, ein halbes Dutzend Hemden und drei Paar Schuhe — würden in meine Unterkunft geliefert, wie die Inhaberin mir versicherte, wenn ich meinen Besuch im Tempel beendet hatte.