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Ich trat aus dem Laden, bog um eine Ecke auf die Hauptpromenade, auf der sich zu dieser Zeit viele Radchaai drängten, die den Tempel oder den eigentlichen Palast betraten oder verließen, die (zweifellos teuren und modischen) Teeläden besuchten oder sich lediglich in passender Gesellschaft sehen ließen. Als ich zuvor hier entlanggelaufen war, auf dem Weg zum Bekleidungsgeschäft, hatten die Leute gestarrt und geflüstert oder nur die Augenbrauen hochgezogen. Jetzt war ich, wie es schien, die meiste Zeit unsichtbar, abgesehen von einer gelegentlichen, ähnlich gut gekleideten Radchaai, die den Blick auf meine Jacke fallen ließ, um nach Hinweisen auf meine Familienzugehörigkeit zu suchen und schließlich überrascht die Augen aufzureißen, als sie keine sah. Oder das Kind, das sich mit einer behandschuhten Hand am Ärmel einer Erwachsenen festhielt und sich umdrehte, um mich offen anzustarren, bis es weitergezerrt wurde und außer Sichtweite war.

Im Tempel drängten sich die Bürgerinnen um die Blumen und den Weihrauch, während Juniorpriesterinnen, die jung genug waren, um in meinen Augen wie Kinder auszusehen, Körbe und Kisten mit Nachschub heranschafften. Als Hilfseinheit stand es mir nicht zu, Tempelopfer zu berühren oder selbst darzubringen. Aber das wusste hier niemand. Ich wusch mir die Hände im Becken und kaufte eine Handvoll gelb-orangefarbener Blumen und ein Stück von dem Weihrauch, den Leutnantin Awn bevorzugt hatte.

Im Tempel musste es einen Ort geben, der Gebeten für die Toten vorbehalten war, und es gab Tage, die für solche Opfergaben günstig waren, obwohl heute kein solcher Tag war. Als Fremde hätte ich eigentlich auch keine verstorbenen Radchaai haben können, derer ich gedenken wollte. Stattdessen betrat ich den hallenden Hauptsaal, wo Amaat stand, eine juwelenbesetzte Emanation in jeder Hand, bereits knietief in Blumen versunken, ein Hügel aus Rot und Orange und Gelb so hoch wie mein Kopf, der immer weiter anwuchs, während die Besucherinnen weitere Blüten auf den Haufen warfen. Als ich die erste Reihe der Menge erreicht hatte, fügte ich meine hinzu, vollführte die Gesten und sprach lautlos das Gebet, warf den Weihrauch in den Kasten, der, wenn er voll war, von anderen Juniorpriesterinnen geleert wurde. Es war nur ein Zeichen, und man würde alles zum Eingang zurückbringen, wo es erneut verkauft wurde. Wenn all der geopferte Weihrauch tatsächlich verbrannt würde, wäre die Luft im Tempel viel zu verräuchert gewesen, um sie noch atmen zu können. Und heute war nicht einmal ein Feiertag.

Als ich mich vor der Göttin verneigte, trat eine Schiffskapitänin in brauner Uniform neben mich. Sie wollte gerade ihre Handvoll Blüten werfen, als sie innehielt und mich anstarrte. Die Finger ihrer leeren Hand zuckten leicht. Ihre Züge erinnerten mich an Hundert-Kapitänin Rubran Osck. Doch während Kapitänin Rubran schlaksig gewesen war und ihr Haar lang und glatt getragen hatte, war diese Kapitänin kleiner und stämmiger und hatte kurz geschnittenes Haar. Ein Blick auf ihren Schmuck bestätigte, dass sie eine Cousine von Rubran Osck war, eine Angehörige des gleichen Zweiges des gleichen Hauses. Ich erinnerte mich, dass Anaander Mianaai nicht in der Lage gewesen war, Kapitänin Rubrans Loyalität vorherzusagen, und nicht zu fest am Netz aus Klientinnenschaften und Verträgen zerren wollte, zu der die Hundert-Kapitänin gehört hatte. Ich fragte mich, ob das immer noch der Fall war oder ob sich Osck für die eine oder andere Seite entschieden hatte.

Es spielte keine Rolle. Die Kapitänin starrte immer noch und erhielt inzwischen vermutlich Antworten auf ihre Fragen. Die Station oder ihr Schiff würden ihr sagen, dass ich eine Fremde war, und ich ging davon aus, dass die Kapitänin dann das Interesse verlieren würde. Oder auch nicht, wenn sie von Seivarden erfuhr. Ich wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern beendete mein Gebet, drehte mich um und schob mich durch die Leute, die ebenfalls ihre Opfer darbringen wollten.

An den Seiten des Tempels gab es kleinere Schreine. In einem standen drei Erwachsene und zwei Kinder um einen Säugling, den sie an die Brust von Aatr gelegt hatten. Das Bildnis war zu diesem Zweck gestaltet worden, die Arme unter den oft im Fluch angerufenen Brüsten der Göttin angewinkelt. Anscheinend hoffte die Familie auf ein verheißungsvolles Schicksal oder wenigstens ein Zeichen, was die Zukunft für dieses Kind bereithalten mochte.

Alle Schreine waren sehr schön, sie glitzerten mit Gold und Silber, Glas und polierten Steinen. Das gesamte Gebäude dröhnte von den Echos zahlloser leiser Gespräche und Gebete. Keine Musik. Ich dachte an den fast leeren Tempel der Ikkt, wie die Göttliche der Ikkt mir von Hunderten längst verstorbener Sängerinnen erzählt hatte.

Ich hielt mich fast zwei Stunden lang im Tempel auf, um die Schreine der Nebengöttinnen zu bewundern. Er schien diesen gesamten Teil der Station einzunehmen, der nicht zum eigentlichen Palast gehörte. Beide waren zweifellos miteinander verbunden, da Anaander Mianaai hier regelmäßig als Priesterin fungierte, auch wenn die Zugänge bestimmt nicht allzu offenkundig waren.

Den Totenschrein hob ich mir bis zuletzt auf. Zum einen, weil es der Teil des Tempels war, der höchstwahrscheinlich mit Touristinnen überfüllt war, zum anderen, weil ich wusste, dass er mich traurig machen würde. Er war größer als die anderen Nebenschreine, fast halb so groß wie der riesige Hauptsaal, gefüllt mit Regalen und Kisten voller Opfer für die Toten. Überall Speisen oder Blumen. Überall Glas. Gläserne Teetassen mit Glastee, von dem Glasdampf aufstieg. Haufen aus zierlichen Glasrosen mit Glasblättern. Zwei Dutzend unterschiedliche Früchte, Fische und Gemüsesorten, die fast ein Phantomaroma meines Abendessens am Vortag abgaben. Man konnte massenproduzierte Versionen davon in Geschäften kaufen, die ein gutes Stück von der Hauptpromenade entfernt waren, und sie in den häuslichen Schrein legen, für Göttinnen oder für die Toten, aber diese waren anders, jede ein Kunstwerk mit sorgfältig gearbeiteten Details, jede unübersehbar mit den Namen der lebenden Spenderin und der toten Empfängerin beschrieben, damit jede Besucherin die Frömmigkeit der Trauernden — und den Wohlstand und Status — sehen konnte.

Wahrscheinlich hatte ich genug Geld, um ein solches Opfer in Auftrag zu geben. Aber wenn ich es tat und die entsprechenden Namen angab, wäre es das Letzte, was ich jemals tun würde. Und zweifellos würden die Priesterinnen es ablehnen. Ich hatte bereits überlegt, ob ich Leutnantin Awns Schwester Geld schicken sollte, aber auch das würde ein unwillkommenes Ausmaß an Neugier auf sich ziehen. Vielleicht konnte ich es so arrangieren, dass zumindest das, was übrig blieb, an sie ging, nachdem ich getan hatte, weswegen ich hierhergekommen war, aber ich vermutete, dass es unmöglich war. Trotzdem versetzten mir die Gedanken daran und an mein luxuriöses Zimmer und die teure, schöne Kleidung einen schuldbewussten Stich.

Als ich am Tempeleingang gerade auf die Promenade hinaustreten wollte, versperrte mir eine Soldatin den Weg. Menschlich, keine Hilfseinheit. Sie verbeugte sich. »Entschuldigen Sie. Ich habe eine Nachricht von der Bürgerin Vel Osck, der Kapitänin der Gnade der Kalr

Die Kapitänin, die mich angestarrt hatte, als ich Amaat mein Opfer dargebracht hatte. Die Tatsache, dass sie eine Soldatin schickte, um mich anzusprechen, verriet mir, dass es ihr einige Mühe wert war, da sie eine Nachricht auch durch die Systeme der Station hätte übermitteln lassen können, aber sie ging nicht so weit, eine Leutnantin zu beauftragen oder persönlich an mich heranzutreten. Obwohl es auch an einer gewissen gesellschaftlichen Unbeholfenheit liegen mochte, wenn sie die Kontaktaufnahme auf eine Soldatin abschob. Es war schwer, die etwas ungeschickte Formulierung eines Satzes zu überhören, der dazu gedacht war, eine höfliche Anrede zu vermeiden. »Verzeihung, Bürgerin«, sagte ich. »Ich kenne die Bürgerin Vel Osck nicht.«