Es hatte keinen Sinn, sich deswegen Sorgen zu machen. »Es stimmt«, fuhr Skaaiat fort, »dass man Hilfseinheiten nicht bezahlen muss und sie nie private Probleme haben. Sie tun, was man von ihnen verlangt, ohne Klage oder Kommentar, und sie tun es gut und vollständig. Und das traf auf meine menschlichen Soldatinnen nicht zu. Und die meisten meiner Soldatinnen waren gute Leute, aber es ist so einfach, nicht wahr, zu entscheiden, dass die Leute, gegen die man kämpft, nicht menschlich sind. Oder vielleicht muss man es tun, damit man in der Lage ist, sie zu töten. Leute wie Kapitänin Vel weisen gern auf die Gräueltaten hin, die menschliche Truppen begangen haben, die Hilfseinheiten niemals begehen würden. Als wäre die Erschaffung dieser Hilfseinheiten nicht bereits eine Gräueltat. Und sie sind tatsächlich effizienter.«
In Ors hätte Skaaiat eine sarkastische Bemerkung zu diesem Thema gemacht, aber nun sprach sie völlig ernsthaft. Vorsichtig und präzise. »Und wenn wir immer noch expandieren würden, würden wir sie immer noch benutzen. Weil wir es mit menschlichen Soldatinnen nicht schaffen würden, nicht für längere Zeit. Und wir sind dazu gemacht zu expandieren, wir sind seit mehr als zweitausend Jahren expandiert, und wenn wir jetzt aufhören, würde das bedeuten, dass wir völlig ändern, was wir sind. Im Augenblick sehen die meisten Leute das noch gar nicht, denken gar nicht darüber nach. Sie werden es erst tun, wenn es einen direkten Einfluss auf ihr Leben hat, und das hat es für die meisten Leute noch nicht. Es ist eine abstrakte Frage, außer für Leute wie Kapitänin Vel.«
»Aber Kapitänin Vels Meinung ist bedeutungslos«, sagte Seivarden. »Genauso wie die aller anderen. Die Herrin der Radch hat entschieden, aus welchem Grund auch immer. Und es wäre dumm, herumzugehen und etwas dagegen zu sagen.«
»Vielleicht entscheidet sie sich anders, wenn sie überzeugt wird«, erwiderte Skaaiat. Wir alle standen immer noch. Ich war viel zu angespannt, um mich zu setzen, Seivarden zu aufgeregt, Skaaiat zu wütend, wie mir schien. Daos Ceit stand erstarrt da und tat, als würde sie nichts hören. »Oder die Entscheidung ist vielleicht ein Anzeichen, dass die Herrin der Radch auf irgendeine Weise korrumpiert wurde. Kapitänin Vel und ihresgleichen sind gewiss gegen all die Gespräche, die wir mit Aliens führen. Die Radch stand schon immer für die Zivilisation, und mit Zivilisation war schon immer die reine, unverdorbene Menschheit gemeint. Wenn wir uns tatsächlich mit Nicht-Menschen auseinandersetzen, statt sie einfach zu töten, kann das nicht gut für uns sein.«
»Ist es das, worum es bei Ime ging?«, fragte Seivarden, die offenbar während unseres Spaziergangs hierher darüber nachgedacht hatte. »Jemand hat beschlossen, eine Basis einzurichten und Hilfseinheiten einzulagern und … und was dann? Um das Problem zu forcieren? Wir reden hier über Rebellion. Verrat. Warum reden jetzt alle über so etwas? Es sei denn, man hat nicht alle Personen erwischt, die für Ime verantwortlich waren. Und jetzt warten sie, dass ein paar Leute aus der Deckung kommen und Lärm machen, und sobald man glaubt, alle Beteiligten hätten sich zu erkennen gegeben …« Jetzt war sie offen verärgert. Das war ziemlich gut geraten, damit mochte sie mehr oder weniger richtig liegen. Je nachdem, welche Anaander hier die Oberhand hatte. »Warum haben Sie uns nicht gewarnt?«
»Ich habe es versucht, Bürgerin, aber ich hätte es direkter formulieren müssen. Allerdings war ich mir nicht sicher, dass Kapitänin Vel so weit gehen würde. Ich wusste nur, dass sie die Vergangenheit auf eine Weise idealisiert, mit der ich nicht einverstanden bin. Selbst die ehrenwertesten Leute mit den besten Absichten der Welt können aus einer Annexion keine gute Sache machen. Das Argument, dass Hilfseinheiten effizient und praktisch sind, spricht in meinen Augen nicht dafür, sie zu benutzen. Dadurch wird es nicht besser, es sieht nur ein wenig sauberer aus.«
Und das auch nur, wenn man ignorierte, was Hilfseinheiten eigentlich waren. »Sagen Sie mir« — ich hätte fast Sagen Sie mir, Leutnantin gesagt, konnte es mir aber gerade noch rechtzeitig verkneifen —, »sagen Sie mir, Inspektionsleiterin, was mit den Leuten geschieht, die darauf warten, dass man sie zu Hilfseinheiten macht.«
»Einige sind noch eingelagert oder an Bord von Truppentransportern«, sagte Skaaiat. »Aber die meisten wurden vernichtet.«
»Dadurch wird es natürlich viel besser«, sagte ich in ernsthaftem, gleichmäßigem Tonfall.
»Awer war von Anfang an dagegen«, sagte Skaaiat. Sie meinte damit eine fortgesetzte Expansion, nicht die Expansion an sich. Und die Radch hatte bereits seit Langem Hilfseinheiten benutzt, als sich Anaander Mianaai zu dem gemacht hatte, was sie war. Es waren nur noch nicht so viele gewesen. »Awers Hausherrinnen haben es der Herrin der Radch wiederholt gesagt.«
»Aber die Hausherrinnen haben sich nicht geweigert, davon zu profitieren.« Ich sprach mit ruhiger, freundlicher Stimme.
»Es ist so einfach, bei etwas mitzumachen, nicht wahr?«, sagte Skaaiat. »Vor allem, wenn man davon profitiert, wie Sie sagen.« Dann runzelte sie die Stirn und legte den Kopf schief, als sie ein paar Sekunden lang auf etwas horchte, das nur sie hören konnte. Sah mich fragend an, dann Seivarden. »Die Stationssicherheit ist an der Tür. Sie fragt nach Bürgerin Seivarden.« Fragen war zweifellos wesentlich höflicher als die Wirklichkeit. »Entschuldigen Sie mich für einen Moment.« Sie trat in den Korridor, gefolgt von Daos Ceit.
Seivarden sah mich seltsam ruhig an. »Allmählich wünsche ich mir, ich wäre immer noch tiefgefroren in meiner Rettungskapsel.« Ich lächelte, aber es schien sie nicht zu überzeugen. »Alles in Ordnung? Sie scheinen ein Problem zu haben, seit wir diese Vel Osck verlassen haben. Verdammte Skaaiat Awer, dass sie uns nicht direkter gewarnt hat! Normalerweise kann man eine Awer nicht davon abhalten, unangenehme Dinge zu sagen. Ausgerechnet jetzt beschließt sie, diskret zu sein!«
»Mir geht es gut«, log ich.
Während ich sprach, kehrte Skaaiat mit einer Bürgerin in der hellbraunen Uniform der Stationssicherheit zurück, die sich verbeugte und an Seivarden wandte. »Bürgerin, würden Sie und diese Person mich bitte begleiten?« Die Höflichkeit war natürlich bloße Formsache. Niemand schlug eine Einladung der Stationssicherheit aus. Selbst wenn wir es versucht hätten, hielt sich draußen die Verstärkung bereit, um sicherzustellen, dass wir uns nicht weigerten. Die Leute, die uns seit dem Treffen mit Kapitänin Vel gefolgt waren, konnten nicht vom Sicherheitsdienst sein. Es waren Sondereinsatzkommandos oder vielleicht sogar Anaander Mianaais eigene Wachen. Die Herrin der Radch hatte alle Puzzleteile zusammengesetzt und beschlossen, mich zu beseitigen, bevor ich irgendeinen ernsthaften Schaden anrichten konnte. Aber dafür war es inzwischen sicherlich zu spät. Alle ihre Versionen beobachteten mich jetzt. Das verriet mir die Tatsache, dass sie die Stationssicherheit geschickt hatte, um mich verhaften zu lassen, und nicht irgendeine Sondereinsatzoffizierin, um mich schnell und leise zu töten.
»Natürlich«, antwortete Seivarden völlig ruhig und höflich. Natürlich. Sie wusste, dass sie sich keines Vergehens schuldig gemacht hatte, sie war davon überzeugt, dass ich zu einem Sondereinsatzkommando gehörte und für Anaander persönlich arbeitete. Warum sollte sie sich also Sorgen machen? Ich aber wusste, dass nun endlich der Augenblick gekommen war. Die Omen, die seit zwanzig Jahren in der Luft verharrt hatten, würden nun fallen und mir wie auch Anaander Mianaai ihr Muster offenbaren.
Die Sicherheitsoffizierin zuckte nicht einmal mit der Wimper, als sie weitersprach. »Die Herrin der Radch möchte unter vier Augen mit Ihnen sprechen, Bürgerin.« Kein Blick in meine Richtung. Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, warum man sie geschickt hatte, um uns zur Herrin der Radch zu eskortieren, war sich gar nicht der Tatsache bewusst, dass ich gefährlich war, dass sie die Rückendeckung brauchte, die draußen im Korridor auf uns wartete. Falls sie überhaupt wusste, dass die Leute warteten.