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»Nahe genug, um etwas bewirken zu können, meinst du?«, erwiderte Anaander Mianaai von oben. »Drei Schwerter und vier Gnaden in Shuttle-Reichweite.« Wegen der Kommunikationssperre musste jeder Befehl von Anaander Mianaai aus der Station per Shuttle überbracht werden. »In diesem Moment mache ich mir ihretwegen keine Sorgen. Es gibt keine Möglichkeit, ihnen von hier aus Befehle zu erteilen.« Und in dem Moment, wo diese Sperre aufgehoben wurde, wäre die Angelegenheit längst geklärt. Dann würde das Wissen, das Anaander Mianaai so verzweifelt vor sich selbst geheim halten wollte, zu den Toren rasen, von wo es sich im gesamten Radch-Territorium ausbreiten würde.

»Ist irgendein Schiff angedockt?«, fragte ich. Im Augenblick waren das die einzigen Schiffe, die eine Rolle spielten.

»Nur ein Shuttle von der Gnade der Kalr«, sagte Anaander Mianaai in halb amüsiertem Tonfall. »Es ist meins.«

»Sind Sie sich sicher?« Und als sie nicht antwortete, fügte ich hinzu: »Kapitänin Vel steht nicht auf Ihrer Seite.«

»Auch du hast diesen Eindruck gewonnen, nicht wahr?« Jetzt klang Anaander Mianaai eindeutig amüsiert. Über mir, über Anaander Mianaai, stieg Seivarden die Leiter hinunter, lautlos, abgesehen von ihren Schuhen auf den Sprossen. Ich sah eine Tür, hielt inne, zog am Riegel. Ich ließ sie aufschwingen und blickte in den Korridor dahinter. Ich erkannte den Bereich hinter den Dockbüros wieder.

Nachdem wir alle in den Korridor gestiegen und den Notdurchgang geschlossen hatten, lief Anaander Mianaai voraus, gefolgt von Seivarden und mir. »Woher wissen wir, dass sie wirklich die ist, die sie zu sein behauptet?«, fragte Seivarden mich sehr leise. Ihre Stimme zitterte immer noch, und ihr Unterkiefer sah angespannt aus. Ich war überrascht, dass sie sich noch nicht irgendwo in einer Ecke zusammengerollt oder die Flucht ergriffen hatte.

»Es spielt keine Rolle, welche von ihnen sie ist«, sagte ich, ohne mir die Mühe zu machen, meine Stimme zu senken. »Ich vertraue keiner von ihr. Wenn sie versucht, in die Nähe des Shuttles der Gnade der Kalr zu gelangen, werden Sie diese Waffe nehmen und sie erschießen.« Alles, was sie zu mir gesagt hatte, konnte ebenso gut eine Täuschung gewesen sein, damit ich ihr half, zu den Docks und zur Gnade der Kalr zu gelangen, worauf sie diese Station vernichten würde.

»Sie brauchen die Garseddai-Waffe nicht, um mich zu erschießen«, sagte Anaander Mianaai, ohne sich umzublicken. »Ich trage keine Rüstung. Einige von mir schon. Aber ich nicht. Die meisten von mir nicht.« Sie drehte kurz den Kopf, um mich anzusehen. »Das ist recht unerfreulich, nicht wahr?«

Mit meiner freien Hand gestikulierte ich meinen Mangel an Interesse oder Mitgefühl.

Wir kamen um eine Ecke und hielten abrupt an, als wir mit Inspektionsgehilfin Ceit konfrontiert wurden, die einen Lähmknüppel in der Hand hielt, eine Waffe, wie sie von der Stationssicherheit benutzt wurde. Sie schien unser Gespräch im Korridor gehört zu haben, denn sie zeigte keine Überraschung über unser Auftauchen, sondern starrte uns nur mit dem Ausdruck erschrockener Entschlossenheit an. »Die Inspektionsleiterin sagt, dass ich niemanden durchlassen soll.« Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Stimme klang verunsichert. Sie sah Anaander Mianaai an. »Vor allem Sie nicht.«

Anaander Mianaai lachte.

»Still«, sagte ich, »sonst wird Seivarden Sie erschießen.«

Anaander Mianaai hob eine Augenbraue und schien nicht zu glauben, dass Seivarden zu einer solchen Tat imstande wäre, aber sie schwieg.

»Daos Ceit«, sagte ich in der Sprache, von der ich wusste, dass es ihre Muttersprache war. »Erinnern Sie sich an den Tag, als Sie in das Haus der Leutnantin kamen und dort die Tyrannin vorfanden? Sie hatten Angst und griffen nach meiner Hand.« Ihre Augen wurden sogar noch größer. »Sie müssen vor allen anderen im Haus aufgewacht sein, weil man Sie sonst niemals hereingelassen hätte, nach dem, was in der Nacht davor geschehen ist.«

»Aber …«

»Ich muss mit Skaaiat Awer sprechen.«

»Sie leben!«, sagte sie, immer noch mit aufgerissenen Augen, immer noch recht ungläubig. »Ist die Leutnantin … die Inspektionsleiterin wird sehr …«

»Sie ist tot«, unterbrach ich sie, bevor sie mehr sagen konnte. »Ich bin tot. Ich bin alles, was noch übrig ist. Ich muss sofort mit Skaaiat Awer sprechen. Die Tyrannin wird hier bleiben, und wenn sie es nicht tut, sollten Sie sie so kräftig wie möglich schlagen.«

Ich hatte gedacht, Daos Ceit wäre hauptsächlich erstaunt, aber nun kamen ihr die Tränen, und eine fiel auf ihre Hand, mit der sie den Knüppel bereithielt. »Gut«, sagte sie. »Das werde ich tun.« Sie sah Anaander Mianaai an und hob den Knüppel ein kleines Stück, eine klare Drohung. Obwohl es mir recht tollkühn vorkam, hier lediglich Daos Ceit zu postieren.

»Was tut die Inspektionsleiterin gerade?«

»Sie hat Leute losgeschickt, die alle Docks manuell sperren sollen.« Dazu waren sehr viele Leute und sehr viel Zeit nötig. Es erklärte, warum Daos Ceit allein hier war. Ich dachte an Sturmrollläden, die in der Unterstadt heruntergelassen wurden. »Sie sagte, es wäre genauso wie in jener Nacht in Ors, und es musste etwas mit der Tyrannin zu tun haben.«

Anaander Mianaai hörte sich das alles amüsiert an. Seivarden schien ihre Verwirrung hinter sich gelassen zu haben und in eine Art Schockzustand verfallen zu sein.

»Sie bleiben hier«, sagte ich auf Radchaai zu Anaander Mianaai. »Wenn nicht, wird Daos Ceit Sie betäuben.«

»Ja, so viel habe ich verstanden«, sagte Anaander Mianaai. »Ich sehe, dass ich keinen sehr positiven Eindruck gemacht habe, als wir uns das letzte Mal begegneten, Bürgerin.«

»Alle wissen, dass Sie so viele Leute getötet haben«, sagte Daos Ceit. Zwei weitere Tränen kamen. »Und dass Sie die Leutnantin dafür verantwortlich gemacht haben.«

Ich hatte gedacht, sie wäre viel zu jung, um mit so intensiven Gefühlen auf das Ereignis zu reagieren. »Warum weinen Sie?«

»Ich habe Angst.« Ohne Anaander Mianaai aus den Augen oder den Knüppel sinken zu lassen.

Das kam mir sehr nachvollziehbar vor. »Kommen Sie, Seivarden.« Ich ging an Daos Ceit vorbei.

Stimmen wurden von vorn hörbar, wo das äußere Büro lag, hinter einer Biegung. Ein Schritt nach dem anderen. Für mich war es nie anders gewesen.

Seivarden stieß einen verkrampften Atemzug aus. Es hätte der Anfang eines Lachens sein können — oder von etwas, dass sie sagen wollte. »Also gut«, sagte sie schließlich. »Wir haben die Brücke überlebt.«

»Das war einfach.« Ich blieb stehen und überprüfte die Magazine unter meiner Brokatjacke, zählte sie, obwohl ich bereits wusste, wie viele ich hatte. Zog eins aus meinem Hosenbund und steckte es in eine Jackentasche. »Dies hier wird nicht einfach werden. Oder auch nur halb so gut enden. Kann ich mich auf Sie verlassen?«

»Immer«, sagte sie mit seltsam ausgeglichener Stimme, obwohl ich wusste, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stehen musste. »Habe ich das nicht längst gesagt?«

Ich verstand nicht, was sie damit meinte, aber jetzt war nicht die richtige Zeit, darüber nachzudenken oder danach zu fragen. »Also los!«

22

Ich hielt meine Waffe bereit, als wir um die Ecke bogen. Das äußere Büro war leer. Aber es war nicht still. Die Stimme von Inspektionsleiterin Skaaiat drang gedämpft durch die Wand. »Ich kann Sie verstehen, Kapitänin, aber letztlich bin ich für die Sicherheit der Docks verantwortlich.«

Eine Antwort, gedämpft, die Worte unverständlich, aber ich glaubte die Stimme wiederzuerkennen.