»Ich bleibe dabei, Kapitänin«, antwortete Skaaiat Awer, als Seivarden und ich durch das Büro gingen und das große Vorzimmer erreichten.
Kapitänin Vel stand mit dem Rücken vor einem offenen Liftschacht, hinter ihr eine Leutnantin und zwei Soldatinnen. Die Leutnantin hatte immer noch Gebäckkrümel auf ihrer braunen Jacke. Sie mussten durch den Schacht nach unten gestiegen sein, weil ich mir ziemlich sicher war, dass die Station die Lifte unter Kontrolle hatte. Vor uns, den dreien und all den wachsamen Gottheiten im Vorzimmer zugewandt, standen Skaaiat Awer und vier Dockinspektorinnen. Kapitänin Vel sah mich, sah Seivarden und runzelte leicht überrascht die Stirn. »Kapitänin Seivarden«, sagte sie.
Inspektionsleiterin Skaaiat drehte sich nicht um, aber ich konnte erraten, was sie dachte — dass sie Daos Ceit geschickt hatte, um ganz allein den hinteren Zugang zu bewachen. »Ihr geht es gut«, sagte ich, antwortete ihr und nicht Kapitänin Vel. »Sie hat mich durchgelassen.« Und dann, ohne dass ich es geplant hatte, schienen die Worte aus eigenem Antrieb aus meinem Mund zu kommen. »Leutnantin, ich bin es, ich bin Eins Esk der Gerechtigkeit der Torren.«
Ich wusste, dass sie sich umdrehen würde, sobald ich die Worte ausgesprochen hatte. Ich hob die Waffe und richtete sie auf Kapitänin Vel. »Keine Bewegung, Kapitänin.« Aber sie rührte sich ohnehin nicht. Sie und ihre Leute von der Gnade der Kalr rätselten noch über das, was ich soeben gesagt hatte.
Skaaiat Awer drehte sich um. »Daos Ceit hätte mich andernfalls niemals durchgelassen«, sagte ich. Und erinnerte mich an Daos Ceits hoffnungsvolle Frage. »Leutnantin Awn ist tot. Die Gerechtigkeit der Torren ist zerstört. Jetzt bin nur noch ich übrig.«
»Sie lügen«, sagte sie, aber obwohl meine Aufmerksamkeit auf Kapitänin Vel und die anderen konzentriert war, konnte ich deutlich erkennen, dass sie mir glaubte.
Eine der Lifttüren öffnete sich ruckhaft, und Anaander Mianaai sprang hindurch. Und dann noch eine. Die erste drehte sich mit erhobener Faust um, als die zweite sich auf sie stürzte. Die Soldatinnen und Inspektorinnen wichen instinktiv vor den kämpfenden Anaanders zurück, in meine Schusslinie. »Gnade der Kalr, zurücktreten!«, rief ich, und die Soldatinnen gehorchten, selbst Kapitänin Vel. Ich feuerte zweimal, traf eine Anaander in den Kopf und die andere in den Rücken.
Alle anderen standen erstarrt da. Schockiert. »Inspektionsleiterin«, sagte ich, »Sie dürfen nicht zulassen, dass die Herrin der Radch die Gnade der Kalr erreicht. Sie würde den Hitzeschild durchbrechen und uns alle vernichten.«
Eine Anaander lebte noch, bemühte sich vergeblich aufzustehen. »Du hast es völlig falsch verstanden«, keuchte sie. Blutend. Sterbend, vermutete ich, falls sie nicht schnell in medizinische Behandlung kam. Aber es spielte kaum eine Rolle, da es nur einer von Tausenden von Körpern war. Ich fragte mich, was im privaten Zentrum des eigentlichen Palastes vor sich gehen mochte, welches Ausmaß die Gewalt dort angenommen hatte. »Ich bin nicht diejenige, die du erschießen willst.«
»Wenn Sie Anaander Mianaai sind«, sagte ich, »dann will ich Sie erschießen.« Ganz gleich, welche Hälfte sie repräsentierte, dieser Körper wusste nichts von den Gesprächen im Audienzsaal, hielt es immer noch für möglich, dass ich auf ihrer Seite stand.
Sie keuchte, und für einen Augenblick dachte ich, sie wäre gestorben. Dann sagte sie schwach: »Meine Schuld.« Und dann: »Wenn ich an meiner Stelle wäre« — ein kurzer Moment schmerzhafter Belustigung —, »wäre ich zum Sicherheitsdienst gegangen.«
Nur dass im Gegensatz zu Anaander Mianaais Leibwache (und der Person, die auf der Promenade auf mich geschossen hatte) die Stationssicherheit lediglich mit Lähmknüppeln »bewaffnet« war und ihre »Rüstungen« aus Helmen und Westen bestanden. Sie hatten sich nie mit Gegnern auseinandersetzen müssen, die Schusswaffen hatten. Ich hatte eine, und weil ich die war, die ich war, stellte ich damit eine tödliche Gefahr dar. Diese Mianaai wusste auch nichts von diesem Teil des Gespräches. »Haben Sie meine Waffe bemerkt?«, fragte ich. »Haben Sie sie wiedererkannt?« Sie hatte keine Rüstung, hatte nicht erkannt, dass die Waffe, mit der ich auf sie geschossen hatte, anders als alle anderen Waffen war.
Hatte weder die Zeit noch die Aufmerksamkeit erübrigt, dachte ich, sich zu fragen, wie irgendjemand in der Station eine Waffe haben konnte, von der sie nichts wusste. Oder vielleicht vermutete sie nur, dass ich eine Waffe benutzt hatte, die sie vor sich selbst versteckt hatte. Aber jetzt sah sie sie. Keine andere verstand, keine andere erkannte die Waffe wieder, außer Seivarden, die es bereits wusste. »Ich könnte einfach hier stehen bleiben und jede erledigen, die durch die Schächte kommt. Wie ich es auch mit Ihnen gemacht habe. Ich habe jede Menge Munition.«
Sie antwortete nicht. Der Schock würde sie innerhalb weniger Minuten zur Strecke bringen, dachte ich.
Bevor irgendjemand von der Gnade der Kalr reagieren konnte, kam ein Dutzend Sicherheitskräfte der Station mit Helmen und Schutzwesten durch den Liftschacht heruntergepoltert. Die ersten sechs stürzten in den Korridor, hielten dann inne, schockiert und verwirrt über den Anblick der toten Mianaais am Boden.
Ich hatte die Wahrheit gesagt. Ich hätte sie erledigen können, ich hätte sie in diesem Augenblick der erstarrten Überraschung erschießen können. Aber ich wollte es nicht tun. »Sicherheit«, sagte ich so entschieden und gebieterisch, wie ich konnte. Dachte noch einmal daran, welches Magazin ich am schnellsten zur Hand hatte. »Auf wessen Befehl handeln Sie?«
Die vorgesetzte Sicherheitsoffizierin drehte sich um und starrte mich an, sah Skaaiat Awer und ihre Dockinspektorinnen, die Kapitänin Vel und ihren zwei Leutnantinnen gegenüberstanden. Zögerte, während sie versuchte, uns in irgendeine Ordnung zu bringen, die sie verstand.
»Die Herrin der Radch hat mir befohlen, die Docks zu sichern«, gab sie bekannt. Während sie sprach, sah ich in ihrem Gesicht den Moment, als sie die toten Mianaais mit der Waffe in meinen Händen zusammenbrachte. Die Waffe, die ich nicht hätte haben dürfen.
»Ich habe die Docks sichern lassen«, sagte Inspektionsleiterin Skaaiat.
»Mit allem gebührenden Respekt, Inspektionsleiterin.« Die Sicherheitsoffizierin klang recht aufrichtig. »Die Herrin der Radch muss zu einem Tor gelangen, damit sie Unterstützung anfordern kann. Wir werden dafür sorgen, dass sie unbehelligt ein Schiff erreicht.«
»Warum nicht ihre eigenen Sicherheitsleute?«, fragte ich, obwohl ich bereits die Antwort wusste. Die Sicherheitsoffizierin jedoch nicht. Es stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, dass ihr diese Frage noch nicht in den Sinn gekommen war.
Kapitänin Vel sagte brüsk: »Ein Shuttle meines Schiffs ist angedockt. Ich wäre mehr als glücklich, meine Herrin an jedes gewünschte Ziel zu bringen.« Mit einem vielsagenden Blick zu Skaaiat Awer.
Höchstwahrscheinlich befand sich eine weitere Anaander Mianaai im Schacht hinter diesen Sicherheitskräften. »Seivarden«, sagte ich, »führen Sie die Sicherheit zu der Stelle, wo sich Inspektionsgehilfin Daos Ceit aufhält.« Als ich den zweifelnden und beunruhigten Blick der Sicherheitsoffizierin sah, fügte ich hinzu: »Danach werden Ihnen mehrere Dinge klar sein. Sie sind uns gegenüber weiterhin in der Überzahl, und wenn Sie nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten zurückgekehrt sind, können Sie mich überwältigen.« Oder es zumindest versuchen. Vermutlich waren sie noch nie zuvor einer Hilfseinheit begegnet und hatten keine Ahnung, wie gefährlich ich sein konnte.
»Und wenn ich es nicht tue?«, fragte die Sicherheitsoffizierin.
Ich hatte ein ausdrucksloses Gesicht gewahrt, doch nun lächelte ich so herzlich, wie es mir möglich war. »Versuchen Sie es, und Sie werden sehen, was geschieht.«