Mein Lächeln verunsicherte sie, und sie hatte offensichtlich keine Ahnung, was vor sich ging, was ihr auch bewusst war. Die Ereignisse ergaben für sie einfach keinen Sinn. Wahrscheinlich hatte sie während ihrer gesamten Karriere nur mit Betrunkenen und Nachbarschaftsstreitereien zu tun gehabt. »Fünf Minuten«, sagte sie.
»Eine gute Entscheidung«, sagte ich, immer noch lächelnd. »Bitte lassen Sie den Lähmknüppel hier.«
»Hier entlang, Bürgerin«, sagte Seivarden mit der ganzen eleganten Höflichkeit einer Dienerin.
Als sie gegangen waren, sagte Kapitänin Vel eindringlich: »Sicherheit, wir sind ihnen gegenüber in der Überzahl, trotz der Waffe.«
»Ihnen.« Die Sicherheitskraft, die nun offenbar den höchsten Rang hatte, war offenkundig immer noch verwirrt, hatte ebenfalls nicht verstanden, was vor sich ging. Und mir wurde klar, dass die Sicherheit es gewohnt war, Inspektionsleiterin Skaaiat und alle Dockinspektorinnen als Verbündete zu betrachten. Und militärische Offiziere hatten natürlich nur leichte Verachtung für die Dockverwaltung und die Stationssicherheit übrig, eine Tatsache, der sich jede Sicherheitskraft bewusst sein musste. »Warum reden wir hier von uns und ihnen?«
Kapitänin Vels Gesicht nahm einen frustrierten und verärgerten Ausdruck an.
Die ganze Zeit hatten die Sicherheitsleute gemurmelte Worte ausgetauscht, in der Gewissheit, dass weitere ihrer Kameradinnen im Schacht unterwegs waren. Ich war mir sicher, dass eine Anaander Mianaai bei ihnen war und dass sie nur deshalb noch keinen Angriffsbefehl gegeben hatte, weil sie erkannt hatte, dass ich trotz Überprüfung durch die Station (und zweifellos auch durch ihre eigenen Sensoren) eine Waffe hatte. Sie musste ihren individuellen Körper beschützen, nachdem sie jetzt nicht mehr auf die anderen zurückgreifen konnte. Das und die zeitliche Verzögerung, als Fragen und Informationen von Bürgerin zu Bürgerin den Schacht hinauf und hinunter weitergegeben wurden, hatte sie bis jetzt daran gehindert, tätig zu werden. Aber zweifellos würde sie sich bald in Bewegung setzen. Und als wäre es eine Antwort auf meine Überlegung, wurde das Flüstern im Schacht intensiver, und die Sicherheitskräfte veränderten ihre Haltung, nur ein klein wenig, auf eine Weise, die mir verriet, dass sie bald angreifen würden.
Genau in diesem Moment kehrte die Sicherheitsoffizierin zurück. Sie drehte sich zu mir um und starrte mich im Vorbeigehen an, mit einem entsetzten Gesichtsausdruck. Sie sagte zu ihren zögernden Kameradinnen: »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Herrin der Radch ist dort drüben, und sie sagt, die Inspektionsleiterin und diese … diese Person würden auf ihren direkten Befehl handeln, und wir müssten unter allen Umständen verhindern, dass auch nur eine von ihren Versionen zu den Docks oder in ein Schiff gelangt.« Ihre Furcht und Verwirrung waren offenkundig.
Ich wusste, was sie empfand, aber jetzt war nicht der richtige Moment für Mitgefühl. »Sie hat Sie und nicht ihre Leibwache aufgefordert, weil ihre eigenen Leuten gegen sie kämpfen, vielleicht sogar gegeneinander. Je nachdem, wer von ihnen Befehle von welcher Version von ihr bekommen hat.«
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, sagte die Sicherheitsoffizierin. Aber ich hoffte, dass sich die Neigung der Sicherheit, mit der Dockverwaltung an einem Strang zu ziehen, zu unseren Gunsten auswirken würde.
Außerdem hatten Kapitänin Vel und ihre Leutnantinnen und Soldatinnen die Initiative verloren, genauso wie die Gelegenheit, mich zu entwaffnen, während die Sicherheit kurz davor stand, sich mitsamt ihren Lähmknüppeln auf meine Seite zu schlagen. Vielleicht wäre es anders, wenn die Gnade der Kalr Kampferfahrung gehabt hätte, wenn die Leute jemals einen Feind erlebt hätten, der nicht nur zu Trainingszwecken simuliert wurde. Wenn sie nicht so viel Zeit in einer Gnade mit Versorgungsflügen oder langen, langweiligen Patrouillen verbracht hätten. Oder wenn sie nicht so viele Paläste besucht und Gebäck gegessen hätten.
Gebäck und Tee mit Kolleginnen, die entschiedene politische Ansichten hatten. »Sie wissen nicht einmal«, sagte ich zu Kapitänin Vel, »welche von ihnen welche Befehle gibt.« Sie runzelte verwirrt die Stirn. Also hatte sie die Situation noch nicht ganz verstanden. Ich war davon ausgegangen, dass sie mehr wusste.
»Sie sind verwirrt«, sagte Kapitänin Vel. »Es ist nicht Ihre Schuld, dass unsere Feindin Sie falsch informiert hat. Außerdem war Ihre Persönlichkeit von Anfang an nicht Ihre eigene.«
»Meine Herrin geht!«, rief eine Sicherheitskraft. Gleichzeitig blickten alle ihre Kameradinnen zur Sicherheitsoffizierin. Die zu mir blickte.
All das brachte Inspektionsleiterin Skaaiat nicht aus dem Konzept. »Und wer genau, Kapitänin, ist die Feindin?«
»Sie sind es!«, antwortete Kapitänin Vel inbrünstig und verbittert. »Und jede, die genauso wie Sie all das befördert und unterstützt, was uns in den letzten fünfhundert Jahren widerfahren ist. Fünfhundert Jahre der Unterwanderung und Korruption durch Aliens.« Das Wort, das sie benutzte, war nahe mit dem verwandt, das die Herrin der Radch verwendet hatte, um meine Entweihung der Opfergaben im Tempel zu beschreiben. Kapitänin Vel wandte sich wieder mir zu. »Sie sind verwirrt, aber Sie wurden von Anaander Mianaai gemacht, um Anaander Mianaai zu dienen. Nicht ihren Feindinnen.«
»Es gibt keine Möglichkeit, Anaander Mianaai zu dienen, ohne ihrer Feindin zu dienen«, sagte ich und dann zur Sicherheitsoffizierin: »Inspektionsleiterin Skaaiat hat sich um die Docks gekümmert. Sie sichern alle Luftschleusen, die Sie erreichen können. Wir müssen dafür sorgen, dass niemand diese Station verlässt. Davon hängt die weitere Existenz dieser Station ab.«
»Verstanden«, sagte die Sicherheitsoffizierin und beriet sich mit ihren Leuten.
»Sie hat mit Ihnen gesprochen«, riet ich, als ich mich wieder an Kapitänin Vel wandte. »Sie hat Ihnen gesagt, dass die Presger die Radch infiltriert haben, um sie zu zerrütten und zu zerstören.« An Kapitänin Vels Gesicht erkannte ich, dass ich richtig geraten hatte. »Eine solche Lüge hätte sie keiner Person erzählen können, die sich an die Taten der Presger erinnert, als diese die Menschen noch für ihre rechtmäßige Beute hielten. Sie haben die Macht, uns nach Belieben zu vernichten. Niemand zerrüttet die Herrin der Radch außer die Herrin der Radch selbst. Sie hat seit tausend Jahren im Verborgenen gegen sich selbst Krieg geführt. Ich habe sie gezwungen, es einzusehen, alle von ihr, die hier sind, und sie wird alles tun, um zu verhindern, dass dieses Wissen zu ihren anderen Versionen gelangt. Einschließlich der Vernichtung der Station durch die Gnade der Kalr, bevor diese Information nach außen dringen kann.«
Schockierte Stille. Dann sagte Inspektionsleiterin Skaaiat: »Wir können nicht sämtliche Zugänge zur Station kontrollieren. Wenn sie nach draußen geht und ein unbewachtes Fahrzeug findet oder eins, das bereit ist, sie mitzunehmen …« Was für jedes Schiff gelten würde, denn hier würde niemand auf die Idee kommen, sich der Herrin der Radch zu widersetzen. Und es gab keine Möglichkeit, eine Warnung an alle Schiffe zu senden. Oder sicherzustellen, dass alle der Warnung Glauben schenkten.
»Tragen Sie die Nachricht weiter, so schnell Sie können, so weit Sie können«, sagte ich, »und lassen Sie die Omen fallen, wie sie fallen. Und ich muss die Gnade der Kalr warnen, dass sie keine Person an Bord nehmen darf.« Kapitänin Vel machte eine schnelle, verärgerte Bewegung. »Nicht, Kapitänin«, sagte ich. »Es wäre mir lieber, der Gnade der Kalr nicht mitteilen zu müssen, dass ich gezwungen war, Sie zu töten.«
Die Shuttlepilotin war bewaffnet und gerüstet und nicht bereit, ohne einen direkten Befehl von ihrer Kapitänin abzufliegen. Und ich war nicht bereit, Kapitänin Vel in die Nähe des Shuttles zu lassen. Wäre die Pilotin eine Hilfseinheit gewesen, hätte ich nicht gezögert, sie zu töten, doch so schoss ich ihr ins Bein und ließ sie von Seivarden und den zwei Dockinspektorinnen, die mitgekommen waren, um den manuellen Abdockvorgang einzuleiten, in die Station schleppen.