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»Und wenn ich Flügel hätte, wäre ich eine Segelkapsel.« Dieses Wenn und Aber änderte nichts mehr. »Sagen Sie der Tyrannin« — ich benutzte das orsianische Wort —, »dass ich sie aufsuchen werde, sobald ich das Bett verlassen kann. Seivarden, bringen Sie mir meine Kleidung.«

Wie sich herausstellte, hatte Inspektionsleiterin Skaaiat tatsächlich Daos Ceit besucht, die während der letzten Zuckungen von Anaander Mianaais Kampf mit sich selbst schwer verletzt worden war. Ich ging langsam einen Korridor entlang, der von in Korrektiva eingewickelten Verletzten gesäumt war, die auf behelfsmäßigen Pritschen lagen oder in Kapseln eingeschlossen waren, die sie so lange in Suspension hielten, bis sich die Ärztinnen um sie kümmern konnten. Daos Ceit lag in einem Zimmer bewusstlos auf dem Bett. Sie sah schmaler und jünger aus, als sie war. »Wird sie es überstehen?«, fragte ich Seivarden. Inspektionsleiterin Skaaiat hatte nicht gewartet, bis ich langsam durch den Korridor gegangen war, denn sie musste zurück zu den Docks.

»Das wird sie«, antwortete die Ärztin hinter mir. »Sie sollten das Bett noch nicht verlassen.«

Sie hatte recht. Allein das Ankleiden hatte mich trotz Seivardens Hilfe erschöpft. Ich hatte es nur durch meine Entschlossenheit den Korridor entlang geschafft. Jetzt spürte ich, dass ich nicht einmal mehr die Kraft hatte, den Kopf zu drehen und der Ärztin zu antworten.

»Ihnen sind gerade neue Lungen gewachsen«, fuhr die Ärztin fort. »Unter anderem. Sie werden die nächsten paar Tage nicht herumlaufen können. Mindestens.« Daos Ceit atmete flach, aber regelmäßig, und sah dem kleinen Mädchen so ähnlich, das ich gekannt hatte, dass ich mich einen Moment lang fragte, warum ich sie nicht sofort wiedererkannt hatte.

»Sie brauchen den Platz«, sagte ich, dann verknüpfte ich diesen Gedanken mit einer anderen Information. »Sie hätten mich so lange in Suspension halten können, bis Sie nicht mehr so viel zu tun haben.«

»Die Herrin der Radch sagte, sie würde Sie brauchen, Bürgerin. Sie sollen möglichst schnell wieder auf die Beine kommen.« Leicht gekränkt, fand ich. Die Ärztinnen hätten verständlicherweise lieber anderen Patientinnen den Vorzug gegeben. Und sie hatte mir nicht widersprochen, als ich sagte, dass sie den Platz brauchen würde.

»Sie sollten wieder ins Bett gehen«, sagte Seivarden. Die zuverlässige Seivarden war in diesem Moment der Fels in der Brandung zwischen mir und dem totalen Zusammenbruch. Ich hätte nicht aufstehen dürfen.

»Nein.«

»So ist sie nun mal«, sagte Seivarden in rechtfertigendem Tonfall.

»Ich sehe es.«

»Gehen wir ins Zimmer zurück.« Seivarden klang äußerst geduldig und ruhig. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, dass sie zu mir sprach. »Dort können Sie sich ausruhen. Wir kümmern uns um die Herrin der Radch, wenn Sie wieder gesund sind.«

»Nein«, wiederholte ich. »Lassen Sie uns gehen.«

Auf Seivarden gestützt, schleppte ich mich von der Krankenstation zu einem Fahrstuhl und dann durch einen Korridor, der unendlich lang schien, bis er plötzlich in einen riesigen offenen Raum mündete, dessen weiter Boden mit glitzernden Scherben aus farbigem Glas übersät war, die unter meinen wenigen Schritten knirschten.

»Der Kampf hatte sich auf den Tempel ausgeweitet«, sagte Seivarden, ohne dass ich gefragt hatte.

Ich war nun auf der Hauptpromenade. Das zerbrochene Glas war alles, was von den vielen Grabbeigaben im Raum übrig geblieben war. Es waren nur wenige Leute unterwegs, die meisten stocherten in den Scherben herum, auf der Suche nach größeren Stücken, die sich zusammenfügen ließen, wie ich dachte. Eine Sicherheitskraft in hellbrauner Jacke schaute zu.

»Die Kommunikation wurde innerhalb eines Tages wiederhergestellt, glaube ich«, fuhr Seivarden fort, während sie mich über die Scherben zum eigentlichen Palast führte. »Danach bekamen die Leute allmählich mit, was los war. Und sie ergriffen Partei. Nach einer Weile musste man Partei ergreifen. Es ging nicht anders. Wir befürchteten, die Militärschiffe könnten sich gegenseitig angreifen, aber auf der anderen Seite waren es nur zwei, und die zogen es vor, durch die Tore das System zu verlassen.«

»Gab es zivile Opfer?«, fragte ich.

»Die gibt es immer.« Wir überquerten die letzten paar Meter der mit Glasscherben übersäten Promenade und traten in den Palast. Dort stand eine Beamtin mit schmutziger Uniformjacke, mit dunklen Flecken an einem Ärmel. »Tür eins«, sagte sie, fast ohne uns anzuschauen. Sie klang erschöpft.

Tür eins führte auf einen Rasen. Drei Seiten mit Blick auf Hügel und Bäume und darüber ein blauer Himmel mit kleinen Wolken. Die vierte Seite bestand aus einer beigefarbenen Wand, vor der das Gras herausgerissen war. Ein paar Meter vor mir stand ein einfacher, aber dick gepolsterter grüner Sessel. Bestimmt nicht für mich, aber das war mir egal. »Ich muss mich setzen.«

»Ja«, sagte Seivarden, führte mich hin und ließ mich Platz nehmen. Ich machte kurz die Augen zu.

Ein Kind redete mit hoher Piepsstimme. »Die Presger hatten mich vor Garsedd kontaktiert«, sagte das Kind. »Die Übersetzerinnen, die sie schickten, waren natürlich aus dem gezüchtet worden, was sie aus den menschlichen Schiffen geholt hatten, aber sie waren von den Presger erzogen und ausgebildet worden, und ich hätte mich ebenso gut mit Aliens unterhalten können. Sie sind besser geworden, aber ich fühle mich in ihrer Gesellschaft immer noch unwohl.«

»Ich bitte meine Herrin um Verzeihung.« Seivarden. »Warum haben Sie sie abgewiesen?«

»Ich hatte bereits geplant, sie zu vernichten«, sagte das Kind. Anaander Mianaai. »Ich hatte schon begonnen, alles zu organisieren, was ich brauchen würde. Ich dachte, sie hätten von meinem Plan Wind bekommen und wären so verängstigt, dass sie Frieden schließen wollten. Ich dachte, sie würden Schwäche zeigen.« Sie lachte verbittert, was sich bei einer so jungen Stimme merkwürdig anhörte. Aber Anaander Mianaai war alles andere als jung.

Ich öffnete die Augen. Seivarden kniete neben meinem Stuhl. Ein etwa fünf- oder sechsjähriges Kind saß im Schneidersitz vor mir im Gras. Ganz in schwarz gekleidet, mit einem Gepäckstück in der Hand, um sich herum den Inhalt meines Koffers verstreut. »Du bist wach.«

»Sie haben meine Ikonen mit Zuckerguss bekleckert«, beklagte ich mich.

»Sie sind wunderschön.« Sie nahm die Scheibe der kleineren auf, aktivierte sie. Das Bild klappte auf, funkelte, und das Messer glitzerte in der dritten Hand im künstlichen Sonnenlicht. »Das bist du, nicht wahr?«

»Ja.«

»Die Itranische Tetrarchie! Hast du dort die Waffe gefunden?«

»Nein. Von dort habe ich mein Geld.«

Anaander Mianaai starrte mich erstaunt an. »Man hat dich mit so viel Geld gehen lassen?«

»Einer der Tetrarchen war mir einen Gefallen schuldig.«

»Das muss ein großer Gefallen gewesen sein.«

»Richtig.«

»Bringt man dort tatsächlich Menschenopfer dar? Oder ist das«, mit einer Geste zum abgeschlagenen Kopf in der Hand der Figur, »nur metaphorisch gemeint?«

»Es ist kompliziert.«

Sie hauchte ein Hmm. Seivarden kniete stumm und reglos da.

»Die Ärztin sagte, Sie würden mich brauchen.«

Die fünfjährige Anaander Mianaai lachte. »So ist es.«

»Wenn es so ist«, sagte ich, »dann ficken Sie sich doch selbst.« Was sie auch tatsächlich, buchstäblich tun konnte.

»Dein Zorn gilt zur Hälfte dir selbst.« Sie nahm den letzten Bissen vom Gebäck, rieb die behandschuhten Händchen gegeneinander, ließ Bruchstücke vom Zuckerguss aufs Gras rieseln. »Aber dein Zorn ist so gewaltig, dass schon die Hälfte ziemlich verheerend ist.«

»Ich könnte zehnmal zorniger sein«, sagte ich, »und es würde nichts bedeuten, wenn ich unbewaffnet wäre.«

Ihr Mund verzog sich zu einem halben Lächeln. »Ich habe es nicht so weit gebracht, indem ich nützliche Instrumente beiseitegelegt habe.«