Выбрать главу

»Sie zerstören die Instrumente Ihrer Feindinnen, wo immer Sie welche finden«, sagte ich. »Das haben Sie selbst zu mir gesagt. Und ich werde Ihnen nicht nützlich sein.«

»Ich bin die Richtige«, sagte das Kind. »Ich werde für dich singen, wenn du möchtest, auch wenn ich nicht weiß, ob es mit dieser Stimme geht. Das alles wird auf andere Systeme übergreifen. Es hat bereits begonnen, ich habe nur noch keine Rückmeldung von den benachbarten Provinzpalästen erhalten. Ich brauche dich an meiner Seite.«

Ich versuchte mich etwas aufzurichten. Es schien zu funktionieren. »Es spielt keine Rolle, auf wessen Seite jemand steht. Ganz gleich, wer gewinnt, am Ende werden immer Sie es sein, und im Grunde wird sich nichts verändern.«

»Das kannst du leicht sagen«, erwiderte die fünfjährige Anaander Mianaai. »Und vielleicht hast du sogar recht. Vieles hat sich überhaupt nicht verändert, vieles wird vermutlich so bleiben, wie es ist, ganz gleich, welche Seite von mir die Oberhand gewinnt. Aber sag mir, glaubst du, es war Leutnantin Awn egal, welche von mir an dem Tag an Bord war?«

Darauf hatte ich keine Antwort.

»Wenn jemand Macht, Geld und Beziehungen hat, werden manche Unterschiede keine Rolle spielen. Oder wenn du dich in naher Zukunft dem Tod ergeben willst, was bei dir anscheinend der Fall ist. Es sind die Leute ohne Geld und Macht, die unbedingt leben wollen, für die selbst Kleinigkeiten keineswegs klein sind. Was für dich keinen Unterschied macht, ist für andere eine Sache von Leben und Tod.«

»Und Sie sorgen sich so sehr um die Unscheinbaren und Machtlosen«, sagte ich. »Ihretwegen haben Sie bestimmt schlaflose Nächte. Ihnen muss das Herz bluten.«

»Sei nicht so überheblich«, sagte Anaander Mianaai. »Du hast mir zweitausend Jahre lang ohne jegliche Skrupel gedient. Du weißt besser als fast jede andere hier, was das heißt. Ich sorge mich wirklich. Aber vielleicht auf eine abstraktere Art als du, zumindest in diesen Tagen. Wie auch immer, ich habe es mir so ausgesucht. Und du hast recht, ich kann mich meiner selbst eigentlich nicht entledigen. Es ist gut, wenn mich gelegentlich jemand daran erinnert. Am besten wäre es, wenn ich ein Gewissen hätte, das gut gerüstet und unabhängig ist.«

»Als das letzte Mal jemand versucht hat, Ihr Gewissen zu sein«, sagte ich in Gedanken an Ime und an jene Soldatin der Gnade der Sarrse, die sich ihrem Befehl widersetzt hatte, »ist diese Person zu Tode gekommen.«

»Du meinst bei Ime. Du meinst die Soldatin Eins Amaat Eins der Gnade der Sarrse«, sagte das Kind grinsend, als wäre es eine besonders erfreuliche Erinnerung. »Ich bin in meinem langen Leben noch nie so heruntergeputzt worden. Sie verfluchte mich am Ende und schüttete das Gift hinunter, als wäre es Arrack.«

Gift. »Sie haben sie nicht erschossen?«

»Schusswunden richten immer eine große Schweinerei an«, sagte das Kind weiterhin grinsend. »Apropos.« Sie griff zur Seite und strich mit der kleinen behandschuhten Hand durch die Luft. Plötzlich stand dort ein lichtabsorbierender schwarzer Kasten. »Bürgerin Seivarden.«

Seivarden beugte sich vor, nahm den Kasten entgegen.

»Mir ist sehr wohl bewusst«, sagte Anaander Mianaai, »dass du nicht metaphorisch gesprochen hast, als du sagtest, dein Zorn müsste bewaffnet sein, um etwas zu bedeuten. Ich habe es genauso gemeint, als ich sagte, das Gleiche würde für mein Gewissen gelten. Nur damit du weißt, dass ich meine, was ich sage. Und damit du nicht aus Unwissenheit irgendeine Dummheit machst, muss ich dir erklären, was du da hast.«

»Sie wissen, wie es funktioniert?« Aber sie hatte die anderen schon seit tausend Jahren gehabt. Mehr als genug Zeit, um es herauszufinden.

»Bis zu einem gewissen Grad.« Anaander Mianaai lächelte ironisch. »Eine Kugel, wie du sicherlich weißt, tut, was sie tut, weil die Waffe, aus der sie abgefeuert wird, ihr eine große Menge an kinetischer Energie mitgibt. Die Kugel trifft auf etwas und muss diese Energie weitergeben.« Ich antwortete nicht, runzelte nicht einmal die Stirn. »Die Kugeln in der Waffe der Garseddai«, fuhr die fünfjährige Mianaai fort, »sind gar keine richtigen Kugeln. Es sind … Vorrichtungen. Schlummernd, bis die Waffe sie scharf macht. An diesem Punkt ist es egal, wie viel kinetische Energie sie beim Verlassen der Waffe erhalten. Beim Aufprall setzt eine solche Kugel so viel Energie frei, wie sie benötigt, um sich genau 1,11 Meter in das Zielobjekt zu bohren. Und dann stoppt sie.«

»Sie stoppt.« Ich war fassungslos.

»Nach eins Komma elf Metern?«, fragte Seivarden, immer noch neben mir kniend. Verdutzt.

Mianaai machte eine abschätzige Geste. »Aliens. Andere Standardeinheiten, nehme ich an. Theoretisch könnte man eine dieser Kugeln, sobald sie scharf gemacht ist, sanft gegen etwas werfen, und sie würde sich einfach hindurchbrennen. Aber man kann sie nur mit einer Waffe scharf machen. Soweit ich weiß, gibt es im Universum nichts, was diese Kugeln nicht durchbohren können.«

»Wo kommt all diese Energie her?«, fragte ich. Noch immer fassungslos. Entsetzt. Kein Wunder, dass ich mit nur einem Schuss den Sauerstofftank sprengen konnte. »Sie muss von irgendwoher kommen.«

»Sollte man meinen«, sagte Mianaai. »Und du wirst mich gleich fragen, woher sie weiß, wie viel nötig ist oder was der Unterschied zwischen der Luft und dem Objekt ist, auf das geschossen wird. Und ich weiß es auch nicht. Du verstehst, warum ich den Vertrag mit den Presger geschlossen habe. Und warum ich so sehr darauf bedacht bin, ihn einzuhalten.«

»Und darauf bedacht«, sagte ich, »sie zu vernichten.« Das Ziel, der sehnlichste Wunsch der anderen Anaander, vermutete ich.

»Ich habe es nicht so weit gebracht, indem ich mir vernünftige Ziele gesetzt habe«, sagte Anaander Mianaai. »Das alles muss unter uns bleiben.« Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Ich könnte dich zwingen, den Mund zu halten. Aber das werde ich nicht. Du bist zweifellos ein wichtiges Omen bei diesem Wurf, und es wäre ungebührlich von mir, deine Flugbahn zu stören.«

»Ich hätte Sie nicht für abergläubisch gehalten«, sagte ich.

»Ich würde es nicht abergläubisch nennen. Aber ich muss mich um andere Dinge kümmern. Hier sind nur wenige von mir übrig — so wenige, dass die genaue Zahl eine sensible Information ist. Und es gibt noch viel zu tun, sodass ich eigentlich gar nicht die Zeit habe, hier zu sitzen und zu plaudern. Aber die Gnade der Kalr braucht eine Kapitänin. Und auch Leutnantinnen. Du kannst sie wahrscheinlich aus deiner eigenen Besatzung befördern.«

»Ich kann nicht Kapitänin werden. Ich bin keine Bürgerin. Ich bin nicht mal ein Mensch

»Du bist es, wenn ich es sage«, erwiderte sie.

»Fragen Sie Seivarden.« Seivarden hatte den Kasten auf meinem Schoß abgestellt und kniete nun wieder still neben meinem Stuhl. »Oder Skaaiat.«

»Seivarden geht nur dahin, wohin du gehst«, sagte die Herrin der Radch. »Das hat sie mir klargemacht, während du geschlafen hast.«

»Dann Skaaiat.«

»Sie hat mir bereits gesagt, dass ich mich verpissen soll.«

»Was für ein Zufall.«

»Und ich brauche sie tatsächlich hier.« Sie stand auf und war gerade so groß, dass sie nicht aufblicken musste, um mir in die Augen zu schauen, obwohl ich saß. »Die Ärztin sagt, du brauchst mindestens noch eine Woche. Ich kann dir ein paar Tage zusätzlich geben, um die Gnade der Kalr zu inspizieren und die Lagerbestände aufzufüllen. Es wäre für alle einfacher, wenn du jetzt zusagen und Seivarden zu deiner ersten Leutnantin ernennen würdest, damit sie alles in die Wege leitet. Aber das kannst du regeln, wie du möchtest.« Sie wischte sich Gras und Schmutz von den Beinen. »Sobald du bereit bist, solltest du so schnell wie möglich zur Station Athoek aufbrechen. Sie ist nur zwei Tore entfernt. Zumindest wäre es so, wenn die Schwert der Tlen nicht dieses eine Tor zerstört hätte.« Zwei Tore entfernt, hatte Inspektionsleiterin Skaaiat mit Bezug auf Leutnantin Awns Schwester gesagt. »Was sonst könntest du jetzt mit dir anfangen?«