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»Ja. Und du bist Savara.« Es war keine Frage. Wenn sie einen falschen Namen gebraucht hätte, würde sie jetzt kaum den richtigen nennen, nur weil er sie danach fragte.

»Die bin ich.«

Sie trat einen Schritt auf den Schreibtisch zu und ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen, bevor sie sich wieder Cery zuwandte.

»Du sagst, ich hätte ein Problem, das du lösen könntest«, half er ihr weiter.

Als sich die Andeutung eines Lächelns auf ihrem Gesicht zeigte, verschlug es ihm den Atem. Wenn sie richtig lächelt, ist sie wahrscheinlich eine ungewöhnliche Schönheit. Zweifellos war das auch der Grund für Gols unterdrückte Begeisterung.

»Ja, das habe ich gesagt.« Sie zog die Stirn in Falten. »Du hast ein Problem.« Sie hatte ihm in die Augen gesehen und musterte ihn nun nachdenklich von oben bis unten, um dann wieder seinen Blick zu suchen. »Die anderen Diebe sagen, du seist derjenige, der die Mörder jagt.«

Die Mörder? Cery kniff die Augen zusammen. Dann weiß sie also, dass es mehr als einen gibt.

»Und wie hast du vor, mir zu helfen?«

Sie lächelte, und Cerys Verdacht wurde bestätigt – sie war tatsächlich erstaunlich schön. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, wie viel Herausforderung und Selbstvertrauen ihr Lächeln zeigen würde. Sie wusste anscheinend sehr genau, wie sie ihr Äußeres einzusetzen hatte, um ihren Willen zu bekommen.

»Ich kann dir helfen, sie zu finden, und ich kann sie töten.« Cerys Herzschlag beschleunigte sich. Wenn sie wusste, wer diese Mörder waren, und glaubte, sie töten zu können…

»Und wie willst du das anstellen?«, fragte er.

Ihr Lächeln verschwand. Sie trat noch einen Schritt näher. »Sie zu finden oder sie zu töten?«

»Beides.«

»Ich werde heute nicht darüber sprechen, wie ich töte. Der schwierigere Teil der Aufgabe wird ohnehin sein, diese Leute aufzuspüren« – sie zog die Augenbrauen leicht zusammen – »auch wenn mir das leichter fallen wird als dir. Ich verfüge über Mittel, sie zu erkennen.«

»Das tue ich ebenfalls«, erklärte Cery. »Warum ist deine Methode besser?«

Sie lächelte erneut. »Ich weiß mehr über sie. Fürs Erste will ich dir verraten, dass der nächste Mörder heute in der Stadt eingetroffen ist. Er wird vermutlich ein oder zwei Tage benötigen, um seinen Mut zusammenzunehmen, und dann wirst du von seinem ersten Opfer hören.«

Cery dachte gründlich über ihre Worte nach. Vielleicht hatte sie vor, den »Beweis« für die Anwesenheit eines der unheimlichen Mörder in der Stadt zu erbringen, indem sie selbst jemanden ermordete. Er besah sie sich näher, und ihm wurde kalt ums Herz, als er begriff, was das breite Gesicht und dieser spezielle goldbraune Hautton zu bedeuten hatten. Wie hatte er das übersehen können? Aber er hatte auch noch nie zuvor eine Frau aus Sachaka gesehen…

Er zweifelte nicht mehr daran, dass sie gefährlich war. Ob sie jedoch eine Gefahr für ihn darstellte oder für die Mörder aus ihrer Heimat, würde sich noch zeigen. Je mehr Informationen er aus ihr herausholen konnte, desto besser.

»Dann habt ihr also Wächter in deiner Heimat«, hakte er nach, »die dir mitteilen, wann ein Mörder nach Kyralia gegangen ist?«

Sie zögerte kurz. »Ja.«

Cery nickte. »Oder«, fuhr er langsam fort, »du wartest ein paar Tage und tötest dann selbst.«

Ihr Blick wurde hart. »Dann setz deine Spione auf mich an. Ich werde in meinem Zimmer bleiben und mir meine Mahlzeiten bringen lassen.«

»Wir müssen beide den Beweis erbringen, dass wir auf der richtigen Seite stehen«, erwiderte er. »Du bist zu mir gekommen, also wirst du diesen Beweis zuerst erbringen müssen. Ich werde einen Wächter für dich bestimmen, und sobald dieser Mann seine Arbeit getan hat, werden wir noch einmal miteinander reden. Einverstanden?«

Sie nickte kurz. »Ja.«

»Warte in dem ersten Raum. Ich werde regeln, was zu regeln ist, und dich dann von einem Freund in dein Quartier zurückbringen lassen.«

Während sie zur Tür ging, beobachtete er sie und prägte sich so viele Einzelheiten ein wie nur möglich. Ihre Kleidung war schlicht, weder schäbig noch teuer. Das dicke Hemd und die Hose ließen auf eine Kyralierin der unteren Stände schließen, aber die Art, wie sie sich bewegte, verriet ihm, dass sie in ihrem Leben nicht viel herumkommandiert worden war. Nein, diese Frau war diejenige, die anderen Befehle gab.

Als die Sachakanerin gegangen war, kam Gol prompt in den Raum zurück, die Züge verkrampft von der Anstrengung, seine Neugier zu verbergen.

»Setz vier Spitzel auf sie an«, befahl Cery ihm. »Ich will über jeden ihrer Schritte informiert werden. Behalte auch jeden im Auge, der ihr etwas bringt, seien es Speisen oder irgendetwas anderes. Sie weiß, dass man sie beobachten wird, also sorg dafür, dass sie zwei der Spitzel zu sehen bekommt.«

Gol nickte. »Willst du wissen, was sie bei sich hatte?«

Er hielt ihm ein Stoffbündel hin. Cery betrachtete es mit leichter Überraschung. Sie hat sich erboten, die Mörder zu töten, überlegte er. Sie wird es wohl kaum mit bloßen Händen tun wollen. Er nickte.

Gol rollte den Stoff vorsichtig auf dem Tisch aus. Cery kicherte, als er die Ansammlung von Messern und Dolchen sah. Er nahm eine Waffe nach der anderen in die Hand und prüfte ihr Gewicht. In einige der Klingen waren ungewöhnliche Muster und Symbole eingeritzt, und an manchen Stellen waren Edelsteine in das Metall eingelassen. Er wurde schlagartig ernst. Sachakanische Waffen höchstwahrscheinlich. Er legte die größte der juwelenbesetzten Klingen beiseite, dann nickte er Gol zu.

»Gib sie ihr zurück.«

Gol nickte, dann rollte er das Bündel wieder zusammen und verließ den Raum. Als die Tür sich hinter ihm schloss, lehnte Cery sich auf seinem Stuhl zurück und dachte über diese eigenartige Frau nach. Wenn sich ihre Worte als wahr erwiesen, konnte sie durchaus so nützlich sein, wie sie es behauptet hatte.

Und wenn sie log? Er runzelte die Stirn. War es möglich, dass einer der Diebe sie geschickt hatte? Sie hatte erwähnt, dass sie mit den »anderen Dieben« gesprochen habe. Ihm fiel jedoch kein einziger guter Grund ein, warum sich einer der Diebe in diese Angelegenheit einmischen sollte. Auf jeden Fall würde er sich Zeit lassen müssen, um über alle Möglichkeiten nachzudenken. Und er würde seine Spione aufs Genaueste befragen.

Soll ich ihm davon erzählen?, dachte Cery. Um mehr als die vereinbarten, kodierten Nachrichten zu übermitteln, würden sie sich treffen müssen, und er würde ein solches Treffen nicht veranlassen, wenn es nicht unbedingt notwendig war. War dies wichtig genug?

Eine Sachakanerin, die Verbindungsleute in ihrer Heimat hatte. Natürlich war das wichtig.

Aber irgendetwas ließ Cery zögern. Vielleicht sollte er zuerst abwarten, ob sie sich tatsächlich als nützlich erwies. Außerdem musste er sich eingestehen, dass es ihm nicht gefiel, den Rat eines anderen zu suchen, wann immer er seine Taktik geringfügig änderte. Selbst wenn er tief in der Schuld dieser anderen Person stand.

Es wurde Zeit, dass er eigene Strategien entwickelte.

Während Sonea auf den Beginn der Unterrichtsstunde in den Kriegskünsten wartete, schloss sie die Augen, rieb sich die Lider und kämpfte gegen den Drang zu gähnen. Sie hatte bis spät in die Nacht gebraucht, um Corens Tagebuch zu Ende zu lesen, fasziniert von den Erinnerungen des Architekten. Außerdem hatte die leise Furcht an ihr genagt, das Buch könne, wenn sie am nächsten Abend zurückkehrte, verschwunden sein, und sie würde nie erfahren, wie die Geschichte endete.

In den frühen Morgenstunden hatte sie schließlich den letzten Eintrag gelesen:

Ich habe meine Entscheidung getroffen. Wenn die Grundmauern der Universität vollendet sind, werde ich in der Erde darunter die Truhe mit ihrem gesamten Inhalt heimlich vergraben. Zusammen mit diesen schrecklichen Wahrheiten werde ich auch meine eigenen – in Gestalt dieses Buches – verstecken. Vielleicht werde ich durch diese Tat endlich die Schuldgefühle lindern können, die mich bei dem Gedanken an all die Dinge, die ich gelernt und benutzt habe, immer noch quälen. Wenn ich den Mut hätte, würde ich die Truhe und ihren Inhalt zerstören, aber ich befürchte, dass ich damit ein anderes Urteil fällen würde als jene, die sie vor langer Zeit in der Erde verborgen haben. Es waren ganz eindeutig klügere Männer, als ich einer bin.