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Lord Eland hat uns zusammengerufen und einen Brief von Tagins Schwester, Indria, verlesen. Sie schreibt darin von ihrer Absicht, ihn zu vergiften. Wir können nur vermuten, dass es ihr gelungen ist.

Der Chronist berichtete von einer langsamen Gesundung des Landes. Die Magier, die geflohen waren, kehrten zurück. Die Vorratskammern und Bibliotheken wurden wieder aufgebaut. Sonea brütete über den langen Einträgen, die die Verluste der gewöhnlichen Menschen verzeichneten. Es sah so aus, als sei die Gilde früher einmal wirklich um das Wohlergehen der einfachen Menschen besorgt gewesen.

In Wahrheit wurde die alte Gilde mit Tagin zerstört. Ich habe so manchen sagen hören, dass mit dem heutigen Tag eine neue Gilde geboren sei. Die ersten Veränderungen machten sich heute Morgen bemerkbar, als fünf junge Männer der Gilde beitraten. Sie sind unsere ersten »Novizen«, als Lehrlinge nicht einem einzigen Magier verpflichtet, sondern uns allen. Man wird sie erst in die höhere Magie einführen, wenn sie sich als vertrauenswürdig erwiesen haben. Wenn es nach Lord Karron geht, werden sie diese Form der Magie überhaupt nicht erlernen.

Die Unterstützung für das Verbot dessen, was Lord Karron erstmalig als »schwarze« Magie bezeichnet hatte, wuchs. Sonea blätterte weiter und stieß auf einen letzten Eintrag, dem nur noch leere Seiten folgten.

Ich besitze die Gabe des Hellsehens nicht, und ebenso wenig will ich vorgeben, genug über Menschen und Magie zu wissen, um die Zukunft erahnen zu können, aber nachdem wir unsere Entscheidung getroffen hatten, überkam mich plötzlich die Angst, dass die Sachakaner sich eines Tages wieder gegen uns erheben könnten und die Gilde unvorbereitet träfen. Ich habe vorgeschlagen, einen geheimen Hort des Wissens anzulegen, zu dem nur dann Zutritt gewährt werden dürfe, wenn der Gilde die sichere Zerstörung drohe. Andere Magier unterstützten meinen Vorschlag, denn viele meiner Kollegen hegten insgeheim die gleiche Furcht.

Es wurde beschlossen, dass einzig das Oberhaupt der Krieger in Zukunft von der Existenz einer geheimen Waffe wissen dürfe. Er würde die Natur dieser Waffe nicht kennen, jedoch an seinen Nachfolger weitergeben, wo Informationen dazu zu finden seien. Ich werde diese Chronik hier beenden. Morgen werde ich mit einer neuen beginnen. Ich hoffe aufrichtig, dass niemals jemand dieses Buch aufschlagen und diese Worte lesen wird.

Unter dem letzten Eintrag fand sich noch eine kurze Notiz:

Siebzig Jahre später kam Lord Koril, das Oberhaupt der Krieger, in seinem achtundzwanzigsten Jahr bei einem Übungskampf ums Leben. Es steht zu vermuten, dass er keine Gelegenheit hatte, das Wissen um die geheime »Waffe« weiterzugeben.

Sonea starrte auf Akkarins Nachtrag. Lord Coren hatte eine Truhe voller Bücher entdeckt. War dies der geheime Hort des Wissens gewesen?

Sie seufzte und klappte das Buch zu. Je mehr sie erfuhr, desto mehr Fragen stellten sich ihr. Sie erhob sich taumelnd und begriff erst jetzt, dass sie stundenlang gelesen hatte. Gähnend verbarg sie Akkarins Bücher unter ihren Notizen, dann streifte sie ihr Nachtgewand über, schlüpfte ins Bett und sank in einen Schlaf voller albtraumhafter Szenen, in denen machtbesessene Magier sich über Vieh und Menschen hermachten.

5

Spekulationen

Cery hatte die Nachricht von einem Mord erhalten, der all die Zeichen aufwies, nach denen er Ausschau halten sollte. Dennoch hatte er nach seiner Begegnung mit Savara eine volle Woche verstreichen lassen, bevor er ihr mitteilte, dass sie Recht gehabt habe. Er wollte feststellen, wie lange sie ihre selbstgewählte Einkerkerung in ihrem gemieteten Zimmer ertragen konnte. Als er hörte, dass sie einen Übungskampf mit einem ihrer »Wächter« vorgeschlagen hatte, wusste er, dass sie langsam die Geduld verlor. Und als der Mann zugab, dass er jeden einzelnen Kampf verloren habe, gewann Cerys Neugier schließlich die Oberhand.

Während er auf Savara wartete, ging er unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Seine Nachforschungen hatten nicht viel ergeben. Savaras Wirtin hatte lediglich berichten können, dass Savara ihr Zimmer einige Tage vor ihrem Besuch bei Cery bezogen hatte. Nur zwei der Waffenhändler in der Stadt hatten ihr Messer als sachakanische Waffe erkannt. Auch die Auskünfte der imardischen Hehler waren nicht ergiebiger gewesen: Obwohl Cerys Leute mit Bestechungsgeldern und anderen Mitteln sichergestellt hatten, dass sie die Wahrheit sagten, hatten sie beteuert, dass ihnen eine derartige Waffe noch niemals untergekommen sei. Cery bezweifelte, dass er irgendjemanden in der Stadt finden würde, der ihm mehr sagen konnte.

Kurze Zeit später klopfte es an der Tür, und Cery kehrte zu seinem Stuhl zurück und räusperte sich.

»Herein.«

Savara schenkte ihm ein herzliches Lächeln, als sie eintrat. Oh, sie weiß, dass sie schön ist, und sie versteht sich darauf, diese Schönheit einzusetzen, um zu bekommen, was sie will, dachte er. Er ließ sich jedoch nichts von seinen Überlegungen anmerken.

»Ceryni«, sagte sie.

»Savara. Wie ich höre, hat mein Spitzel dir ein wenig körperliche Ertüchtigung verschafft.«

Eine winzige Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. »Ja, er war voller Tatendrang, aber er brauchte die Übung dringender als ich.« Sie hielt inne. »Die anderen hätten vielleicht eher eine Herausforderung für mich dargestellt.«

Cery widerstand dem Drang zu lächeln. Sie hatte also mehr als einen Beobachter wahrgenommen. Sehr aufmerksam.

»Jetzt ist es zu spät, das herauszufinden«, erwiderte er achselzuckend. »Ich habe den Männern eine andere Aufgabe zugewiesen.«

Die Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich. »Was ist mit dem Sklaven? Hat er nicht getötet?«

»›Sklave‹?«, fragte Cery zurück.

»Der Mann, der an die Stelle des letzten Mörders getreten ist.«

»Er hat getötet, genau wie du es vorhergesagt hast«, bestätigte Cery ihr.

Bei dieser Neuigkeit trat ein triumphierendes Blitzen in ihre Augen. »Dann wirst du meine Hilfe also annehmen?«

»Kannst du uns zu ihm führen?«

»Ja«, antwortete sie, ohne zu zögern.

»Was willst du als Gegenleistung?«

Sie kam näher an seinen Schreibtisch heran. »Dass du deinem Meister nichts von mir erzählst.«

Ein Frösteln überlief ihn. »Meinem Meister?«

»Derjenige, der dir befohlen hat, diese Männer zu töten«, sagte sie sanft.

Sie hätte nichts von ihm wissen dürfen. Sie konnte nicht einmal wissen, dass Cery auf die Befehle eines anderen handelte.

Das änderte alles. Cery verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Savara eingehend. Er hatte es als geringes Risiko erachtet, Nachforschungen über sie anzustellen, ohne sich mit dem Mann zu beraten, der die Jagd veranlasst hatte. Jetzt sah es so aus, als wäre das Risiko größer gewesen, als er vermutet hatte.

Sie wusste zu viel. Er sollte seinen besten Mann auf sie ansetzen, um sich ihrer zu entledigen. Oder er sollte sie selbst töten. Sofort.

Noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, wusste er, dass er es nicht tun würde. Und das liegt nicht nur daran, dass sie mich interessiert, sagte er sich. Ich muss herausfinden, aus welcher Quelle sie so viel über das Arrangement erfahren hat. Ich werde abwarten, sie beobachten lassen und feststellen, wohin das führt.

»Hast du ihm von mir erzählt?«, fragte Savara.

»Warum willst du nicht, dass er von dir erfährt?«

Ihre Miene verdüsterte sich. »Aus zwei Gründen. Diese Sklaven denken, dass nur ein Feind Jagd auf sie macht. Es wird leichter für mich sein, dir zu helfen, wenn sie keine Ahnung haben, dass ich hier bin. Und es gibt Menschen in meinem Land, die leiden würden, wenn die Meister der Sklaven erführen, dass ich hier bin.«