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Barran hatte sich für diesen Wechsel in der Art und Weise, wie die Morde ausgeführt wurden, zwei mögliche Erklärungen zurechtgelegt. Entweder handelte es sich um einen Einzeltäter, der ab und zu seine Gewohnheiten änderte, oder jede Serie von Morden war von einem anderen Täter verübt worden. Ein Einzeltäter mochte seine Gewohnheiten ändern, um seine Entdeckung zu erschweren oder um das Ritual zu perfektionieren; eine Abfolge verschiedener Täter konnte auf irgendeine Bande oder eine Kultgemeinschaft hindeuten, die das Morden als eine Art Initiation oder Probe verlangte.

Lorlen blickte auf den Ring an seiner Hand. Einige Zeugen, die das Glück gehabt hatten, den Mörder zu sehen und trotzdem zu überleben, hatten berichtet, es habe sich um einen Mann gehandelt, der einen Ring mit einem roten Edelstein trug. Ein Ring wie dieser?, fragte er sich. Akkarin hatte den Stein seines Ringes aus Glas und Lorlens eigenem Blut geschaffen – an dem Abend, an dem er entdeckt hatte, dass Lorlen, Sonea und Rothen um sein eigenes Geheimnis wussten. Dieser Ring an Lorlens Hand erlaubte es Akkarin, alles zu sehen und hören, was Lorlen hörte und sah, und mit ihm in ein Gedankengespräch einzutreten, ohne dass andere Magier es bemerken oder daran teilhaben konnten.

Wann immer die Morde einem Ritual der schwarzen Magie ähnelten, konnte Lorlen den Gedanken nicht unterdrücken, dass möglicherweise Akkarin dafür verantwortlich war. Akkarin trug zwar in der Öffentlichkeit keinen solchen Ring, aber er konnte durchaus einen überstreifen, sobald er die Gilde verließ. Aber warum sollte er das tun? Er brauchte ja sich selbst nicht im Auge zu behalten.

Und wenn dieser Ring nun jemand anderem zu sehen gestattet, was der Mörder tut?

Lorlen runzelte die Stirn. Warum sollte Akkarin eine andere Person sehen lassen wollen, was er tat? Es sei denn, er handelte auf Befehl anderer. Das war wirklich ein furchteinflößender Gedanke…

Lorlen seufzte. Manchmal hoffte er, die Wahrheit niemals zu erfahren. Falls Akkarin sich als der Mörder erweisen sollte, würde er, Lorlen, sich zum Teil für den Tod der Opfer verantwortlich fühlen. Er hätte Akkarin schon vor langer Zeit das Handwerk legen sollen – als er durch Sonea erfahren hatte, dass der Hohe Lord schwarze Magie ausübte. Aber damals hatte er befürchtet, dass die Gilde selbst mit vereinter Kraft Akkarin im Kampf nicht würde besiegen können.

Also hatte Lorlen das Verbrechen des Hohen Lords geheim gehalten und Sonea und Rothen überredet, das Gleiche zu tun. Dann hatte Akkarin herausgefunden, dass sein Verbrechen entdeckt worden war, und Sonea als Geisel genommen, um sich Lorlens und Rothens Stillschweigen zu sichern. Und jetzt konnte Lorlen nichts mehr gegen Akkarin unternehmen, ohne das Leben dieser Novizin zu gefährden.

Wenn ich allerdings entdeckte, dass Akkarin der Mörder wäre, und wüsste, dass die Gilde ihn besiegen könnte, würde ich keine Sekunde zögern. Nicht um unserer alten Freundschaft willen, und auch nicht um Soneas willen würde ich zulassen, dass er weitere Verbrechen begeht.

Und diese Einstellung musste Akkarin durch den Ring inzwischen längst bekannt sein.

Natürlich, Akkarin musste nicht unbedingt der Mörder sein. Er hatte Lorlen aufgetragen, Nachforschungen über die Morde anzustellen. Aber was bewies das schon? Vielleicht wollte er auf diese Weise nur erfahren, wie nahe die Stadtwache der Aufklärung seiner Verbrechen war …

Die Kutsche hielt an. Lorlen warf einen Blick aus dem Fenster und rieb sich die Augen, als er draußen das Haus der Stadtwache erkannte. Er war so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er den Weg der Kutsche gar nicht verfolgt hatte. Das Gefährt schaukelte ein wenig, als der Kutscher vom Bock kletterte, um ihm den Schlag zu öffnen. Lorlen stieg aus und legte die wenigen Schritte über den Gehsteig zum Eingang des Hauses zurück. In der kleinen Empfangshalle wurde er von Hauptmann Barran begrüßt.

»Guten Abend, Administrator. Vielen Dank, dass Ihr so rasch gekommen seid.«

Obwohl Barran noch jung war, hatten sich bereits tiefe Sorgenfalten auf seiner Stirn eingegraben. Heute schienen sie noch tiefer zu sein als sonst.

»Guten Abend, Hauptmann.«

»Ich habe einige interessante Neuigkeiten und etwas, das ich Euch zeigen möchte. Begleitet mich bitte in mein Arbeitszimmer.«

Lorlen folgte dem Mann durch einen Gang in einen kleinen Raum. Es war sehr still im Haus, obwohl auch am Abend immer einige Wachleute Bereitschaftsdienst hatten. Barran bat Lorlen, Platz zu nehmen, und schloss dann die Tür.

»Erinnert Ihr Euch noch, dass ich sagte, die Diebe hielten vielleicht ebenfalls Ausschau nach dem Mörder?«

»Ja.«

Barran lächelte schief. »Ich habe dafür eine Art Bestätigung bekommen. Es schien unvermeidbar, dass wir uns irgendwann über den Weg laufen würden, wenn die Stadtwache und die Diebe dem Mörder auf die Spur zu kommen versuchen. Jedenfalls hat sich herausgestellt, dass sie hier monatelang ihre Spione hatten.«

»Spione? In der Stadtwache?«

»Ja, selbst ein ehrbarer Mann muss in Versuchung geraten, Geld im Austausch für Informationen anzunehmen, wenn diese Informationen vielleicht zur Verhaftung des Mörders führen – vor allem, solange der Stadtwache in dieser Hinsicht keinerlei Erfolg beschieden ist.« Barran zuckte die Achseln. »Ich kenne noch nicht sämtliche Spione, und im Augenblick belasse ich sie gern, wo sie sind.«

Lorlen konnte ein Kichern nicht unterdrücken. »Wenn Ihr Rat braucht, wie man mit den Dieben verhandelt, hätte ich Euch gern Lord Dannyl geschickt, aber leider ist er zur Zeit als Botschafter der Gilde in Elyne.«

Der Hauptmann zog die Augenbrauen hoch. »Nun ja, eigentlich habe ich nicht vor, mit den Dieben über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Das würden die Häuser niemals gutheißen. Ich habe mit einem ihrer Spione vereinbart, dass er mir alle Informationen zukommen lässt, die er preisgeben darf. Es war bisher noch nichts Brauchbares dabei, aber das kann sich ja noch ändern.« Die Furchen auf seiner Stirn schienen noch tiefer zu werden. »Und jetzt will ich Euch etwas zeigen. Ihr sagtet, Ihr wolltet das nächste Opfer untersuchen. Heute Abend wurde eines gefunden, und ich habe die Leiche hierher bringen lassen.«

Lorlen lief es kalt den Rücken herunter, während Barran auf die Tür deutete.

»Der Tote liegt im Keller. Möchtet Ihr ihn jetzt sehen?«

»Ja.«

Lorlen erhob sich und folgte Barran hinaus in den Korridor. Schweigend gingen sie eine Treppe hinab und durch einen weiteren Flur. Die Luft im Keller war merklich kühler als im Erdgeschoss. Vor einer schweren Holztür machte Barran Halt und schloss dann auf.

Ein starker medizinischer Geruch schlug Lorlen entgegen, der aber einen noch weniger angenehmen Duft nicht ganz verdecken konnte. Der Raum, in den sie eintraten, war mit drei Bänken nur spärlich möbliert. Auf einer davon lag die unbekleidete Leiche eines Mannes, auf einer der beiden anderen säuberlich gefaltete Kleider.

Lorlen trat näher und machte sich widerstrebend an die Untersuchung der Leiche. Wie bei allen Morden in der letzten Zeit war dem Opfer das Herz durchstoßen worden, und ein Schnitt, der kaum tiefer als die Haut ging, zog sich an einer Seite seines Halses hinunter. Dessen ungeachtet war der Gesichtsausdruck des Mannes unerwartet friedlich.

Während Barran den Ort beschrieb, an dem man das Mordopfer gefunden hatte, musste Lorlen an ein Gespräch denken, das er während eines der regelmäßigen Treffen der Gilde im Abendsaal mit angehört hatte. Lord Darlen, ein jüngerer Heiler, hatte dreien seiner Freunde einen Patienten beschrieben.

»Er war schon tot, als er hier eintraf«, hatte Darlen kopfschüttelnd gesagt, »aber seine Frau erwartete von uns irgendwelche Aktivitäten, nur um sicherzugehen, dass wir alles getan hatten, was in unserer Macht stand. Also habe ich ihn untersucht.«