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»Wirklich?«

»Robin Williams und Robert de Niro. Sie waren bei ihm. Und alle drei waren sie voll breit auf Angel Dust.«

Das Hotel war ein möchtegern-gotisches Chateau. Ich verabschiedete mich von meinem Chauffeur, checkte ein und fragte nicht nach dem Zimmer, in dem Belushi gestorben war.

Durch den Regen ging ich zu meinem Chalet, meine Reisetasche in einer Hand, in der anderen eine Schlüsselsammlung, die, so hatte der Portier mir versichert, mir Tür und Tor öffnen würde. Die Luft roch nach nassem Staub und seltsamerweise nach Hustensaft. Es dämmerte, war beinah schon dunkel.

Überall plätscherte Wasser. In Rinnsalen und Sturzbächen floss es über den Innenhof. Es lief in einen kleinen Fischteich, der wie ein natürlicher Felsvorsprung aus der Mauer ragte, die den Hof umgab.

Ich stieg die Stufen zu meinem kleinen, feuchten Zimmer hinauf. Kaum vorstellbar, dass ein Star an einem so nichts sagenden Ort gestorben sein sollte.

Das Bett schien ein wenig klamm und der Trommelrhythmus des Regens auf der Klimaanlage konnte einen in den Wahnsinn treiben.

Ich sah ein bisschen fern – die Wiederholungs-Wüste: ›Cheers‹ blendete unmerklich in ›Taxi‹ über, das wiederum zu einer schwarz-weiß flimmernden Episode der ›Lucy Show‹ wurde. Dann schlief ich ein.

Ich träumte von Drummern, die in nur dreißig Minuten Entfernung ein unablässiges Trommelkonzert abhielten.

Das Telefon weckte mich. »Hey-hey-hey-hey! Gut gelandet?«

»Wer ist da?«

»Jacob vom Studio. Wie sieht’s aus mit Frühstück, hey-hey?«

»Frühstück …?«

»Kein Problem. Ich hol Sie in dreißig Minuten an Ihrem Hotel ab. Tisch ist reserviert. Alles geritzt. Haben Sie meine Nachrichten bekommen?«

»Ich …«

»Hab sie gestern Abend durchgefaxt. Also, bis gleich.«

Es regnete nicht mehr. Der Sonnenschein war warm und helclass="underline" anständiges Hollywood-Licht. Ich ging zum Hauptgebäude hinüber, lief auf einem Teppich zerdrückter Eukalyptusblätter – das Hustensaftaroma von gestern Abend.

Man gab mir einen Umschlag mit einem Fax darin: mein Terminplan für die nächsten Tage, mit Ermunterungen und handschriftlichen Optimismusbotschaften am Rand wie etwa: ›Das wird ein Blockbuster!‹ oder ›Wir machen Filmgeschichte oder was denken Sie!‹ Das Fax war von Jacob Klein unterschrieben, offenbar die Stimme am Telefon. Ich hatte nie zuvor mit Jacob Klein zu tun gehabt.

Ein roter Sportwagen hielt vor dem Hotel. Der Fahrer stieg aus und winkte. Ich trat zu ihm. Er hatte einen kurzen Pfeffer-und-Salz-Bart, ein Lächeln, das er bei jeder Bank hätte verpfänden können, und ein Goldkettchen um den Hals. In der Hand hielt er mein Buch: Menschensöhne.

Er war Jacob. Wir gaben uns die Hand.

»Ist David auch hier? David Gambol?«

David Gambol war der Mann, mit dem ich telefoniert, die Reise und dieses Treffen hier arrangiert hatte. Er war nicht der Produzent. Ich war nicht ganz sicher, was genau er war. Er selbst hatte sich als »mit dem Projekt betraut« bezeichnet.

»David arbeitet nicht mehr für das Studio. Ich bin jetzt mehr oder weniger zuständig für das Projekt und ich will, dass Sie wissen, dass ich echt total hin und weg bin, hey-hey.«

»Ist das gut?«

Wir stiegen in den Wagen. »Wo ist die Besprechung?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Es ist keine Besprechung«, sagte er. »Ein Frühstück.« Ich war verwirrt. Er erbarmte sich und erklärte: »Eine Art Vorbesprechung vor der Besprechung.«

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt kamen wir zu einem Einkaufszentrum und unterwegs erzählte Jacob mir, wie gut mein Buch ihm gefallen habe und wie glücklich er sei, mit dem Projekt zu tun zu haben. Es sei seine Idee gewesen, mich in dem Hotel unterzubringen. »Da kann man die Art von Hollywood-Erfahrung machen, die man im Four Seasons oder im Ma Maison nie kriegen würde, stimmt’s?« Dann wollte er wissen, ob ich das Chalet bewohnte, in dem John Belushi gestorben war. Ich sagte, ich wisse es nicht, habe aber meine Zweifel.

»Sie wissen natürlich, wer bei ihm war, als er starb? Die Studios haben alles vertuscht.«

»Nein. Wer denn?«

»Meryl und Dustin.«

»Sie meinen Meryl Streep und Dustin Hoffman?«

»Klar.«

»Woher wissen Sie das?«

»Die Leute quatschen. Das hier ist Hollywood, versteh’n Sie.«

Ich nickte, aber in Wirklichkeit verstand ich nicht besonders viel.

Manche Leute behaupten, es gäbe Bücher, die sich selbst schreiben, aber das ist eine Lüge. Kein Buch schreibt sich von allein. Es braucht Denkarbeit und Recherche und Kreuzschmerzen und Notizen und mehr Zeit und Arbeit, als ihr euch vorstellen könnt.

Außer Menschensöhne, denn das hatte sich mehr oder weniger von selbst geschrieben.

Die nervtötende Frage, die man uns stellt – damit meine ich uns Schriftsteller – ist: »Woher bekommen Sie Ihre Ideen?«

Und die Antwort lautet: Konfluenz. Die Dinge laufen zusammen. Die richtigen Zutaten und plötzlich: Abrakadabra!

Es begann mit einem Dokumentarfilm über Charles Manson, den ich eigentlich nur zufällig sah (er war als Drittes auf einer Videokassette, die ich mir von einem Freund geborgt hatte, folgte den beiden Aufnahmen, die ich eigentlich hatte sehen wollen): In epischer Breite wurde die ganze Story aufgerollt. Mansons Verhaftung, die Anfangsphase, als alle dachten, er sei unschuldig, und die Regierung wolle nur einen Schlag gegen die Hippies führen. Und da auf dem Bildschirm war Manson – ein charismatischer, gut aussehender, messianischer Redner. Einer, für den man barfuß in die Hölle gegangen wäre. Einer, für den man töten konnte.

Der Prozess begann und nach ein paar Wochen war der charismatische Redner verschwunden. Statt seiner saß ein stammelndes, affenartiges Wrack auf der Anklagebank, ein Kreuz in die Stirn geritzt. Was immer ihm Genie eingehaucht hatte, war nicht mehr vorhanden. Verschwunden. Aber es war da gewesen.

Der Dokumentarfilm ging weiter: Ein Exsträfling mit stechendem Blick, der mit Manson zusammen gesessen hatte, erklärte: »Charlie Manson? Hör mal, Charlie war ein Witz. Ein Nichts. Wir haben uns über ihn lustig gemacht. Verstehst du? Er war eine absolute Null!«

Und ich nickte. Es hatte also eine Zeit gegeben, bevor Manson der charismatische König wurde. Ich dachte an eine Art Segnung, eine Gabe, die wieder weggenommen wird.

Wie besessen verschlang ich den Rest der Dokumentation. Dann, während ein Schwarzweißfoto eingeblendet war, sagte der Sprecher etwas. Ich spulte zurück und er sagte es noch mal.

Ich hatte eine Idee. Ich hatte ein Buch, das sich von selbst schrieb.

Was der Sprecher gesagt hatte, war dies: Die Kinder, die Manson mit den Frauen der »Family« gezeugt hatte, waren auf Kinderheime im ganzen Land verteilt und zur Adoption freigegeben worden. Das Vormundschaftsgericht hatte ihnen neue Nachnamen gegeben.

Und ich dachte über ein Dutzend fünfundzwanzigjähriger Mansons nach. Stellte mir vor, diese Charismagabe werde ihnen allen zur gleichen Zeit verliehen. Zwölf glorreich strahlende, junge Mansons, die unaufhaltsam nach L.A. gezogen werden, von überall auf der Welt. Und eine Manson-Tochter, die verzweifelt versucht, ihr Zusammentreffen zu verhindern, die – wie es im Klappentext so schön heißt – »ihre entsetzliche Bestimmung erkannt hat«.

Ich schrieb Menschensöhne wie unter Strom. Nach einem Monat war es fertig und ich schickte es meiner Agentin. Das Buch überraschte sie (»Nun, es ist so ganz anders als deine anderen«, führte sie mir vor Augen) und sie verkaufte es auf einer Versteigerung – meiner ersten – für mehr Geld, als ich für möglich gehalten hätte. (Meine anderen Bücher, drei Bände eleganter, vielschichtiger Gruselgeschichten voll angedeuteter Bezüge, hatten kaum den Computer bezahlt, auf dem sie geschrieben worden waren.)