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Mein Fell sträubte sich.

»Nein, es ist vorbei. Für dieses Mal. Sie haben ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, Sir. Das vorschriftsmäßige Ritual ist genau festgelegt: Drei von uns müssen zusammenkommen und die geheiligten Namen rufen, während unschuldiges Blut sich zu unseren Füßen ergießt.«

Ich sah zu dem fetten Mann auf und jaulte eine Frage. Er strich mir schläfrig über den Nacken.

»Natürlich liebt sie Sie nicht, mein Junge. Sie existiert ja kaum auf dieser Ebene. Jedenfalls in keinem materiellen Sinn.«

Es begann wieder zu schneien. Das Feuer erstarb.

»Übrigens, Ihre Verwandlung heute Nacht … Ich würde meinen, sie war das direkte Ergebnis exakt derselben himmlischen Konstellationen und Mondeinflüsse, die diese Nacht zum perfekten Zeitpunkt machten, um meine alten Freunde aus der Tiefe zurückzurufen …«

Er fuhr fort mit dieser tiefen Stimme zu sprechen und vielleicht sagte er mir wichtige Dinge. Ich weiß es nicht, denn der Appetit war in mir erwacht, und seine Worte hatten jede Bedeutung verloren. Ich hatte keinerlei Interesse mehr an der Klippe oder dem fetten Mann.

Im Wald jenseits der Wiesen lief Rotwild. Ich konnte es in der winterlichen Nachtluft riechen.

Und vor allen anderen Dingen war ich hungrig.

Ich war nackt, als ich früh am nächsten Morgen wieder zu mir kam. Ein halb gefressener Hirsch lag neben mir im Schnee. Eine Fliege kroch über sein Auge und die Zunge hing aus seinem toten Maul, ließ ihn lächerlich und auf beklemmende Weise komisch wirken, wie ein Tier in einem Zeitungscartoon.

Dort wo der Leib des Hirsches aufgerissen war, bedeckten leuchtend rote Flecken den Schnee.

Mein Gesicht und meine Brust waren klebrig und rot von dem Zeug. Meine Kehle fühlte sich wund und rau an und schmerzte. Doch beim nächsten Vollmond würde sie wieder völlig geheilt sein.

Die Sonne schien unendlich weit weg, klein und gelb, doch der Himmel war blau und wolkenlos. Kein Windhauch regte sich. In der Ferne hörte ich das Donnern der See.

Ich war durchfroren, nackt, voller Blut und allein. Na ja, dachte ich, das passiert uns wohl allen am Anfang. Und es kommt ja nur einmal im Monat.

Ich war zu Tode erschöpft, aber ich musste durchhalten, bis ich eine Höhle oder verlassene Scheune fand, und dann wollte ich zwei Wochen lang schlafen.

Ein Falke flog niedrig über dem verschneiten Boden auf mich zu. Etwas baumelte in seinen Klauen. Für die Dauer eines Herzschlages hing er reglos über mir in der Luft, dann ließ er einen kleinen grauen Tintenfisch zu meinen Füßen fallen und schwang sich in die Lüfte. Schlaff und reglos lag das kleine vielarmige Ding da im blutbesudelten Schnee.

Ich nahm es als Omen, doch ob es ein gutes oder schlechtes war, konnte ich nicht sagen. Es spielte auch keine große Rolle mehr. Ich kehrte dem Meer und dem finsteren Dorf Innsmouth den Rücken und machte mich auf den Weg zurück in die Stadt.

Baywolf

Hör’n Sie, Talbot. Jemand tötet meine Leute.

Roths Stimme am Telefon rauscht wie die See in der Muschel.

Stellen Sie fest, wer und wieso, und machen Sie dem ein Ende.

Ein Ende? Wie?, frag ich.

Tun Sie, was nötig ist, antwortet er. Doch wer immer es ist,

soll nicht wieder aufsteh’n, verstanden?

Ich hatte verstanden. Und einen Job.

Hört mir zu: Das war damals, in den Zweitausendzwanzigern

in L.A., unten am Venice Beach.

Gar Roth war der King in dem Teil der Welt,

pushte Stims und Pumps und auch Steroide,

Wandeldrogen – hatte eine ziemliche Anhängerschaft.

Junge Muskelmänner, Kids für die Fitness Fetisch war,

und Mädchen wie Göttinnen, gebräunt und gedopt.

Alle liebten Roth, der ihnen gab, was sie brauchten.

Die Bullen ließen sich von ihm schmieren und drückten die Augen zu.

Ihm gehörte die Strandwelt von Laguna Beach bis nach Malibu.

Er besaß eine Strandburg, wo die Muskelmänner und Göttinnen,

die Gockel und Paradiesvögel sich trafen.

Doch die Stadt betete das Fleisch an und siehe, das Fleisch ward ihres.

Sie feierten Partys. Alle feierten Partys,

berauscht, benebelt und aufgeputscht.

Die Musik war so laut, man spürte sie in den Knochen,

und das war der Moment, wo etwas kam und sie holte, lautlos,

was immer es war. Es knackte die Köpfe, zerfetzte ihr Fleisch.

Keiner hörte die Schreie im Dröhnen der Oldies und dem Donnern der See.

Es war das Jahr des Death Metal Revivals.

Es hatte sich vielleicht ein Dutzend geholt und ins Meer gezerrt;

der Tod kam früh morgens.

Roth verdächtigte seine Rivalen, ein Drogenkartell,

stellte mehr Wachen auf, in Hubschraubern und Booten,

für den Fall seiner Rückkehr. Und es kam wieder und wieder.

Doch die Videokameras zeigten absolut gar nichts.

Sie wussten nicht, was es war, und doch

zerpflückte es sie und biss ihnen den Kopf ab,

riss Implantate aus üppigen Brüsten,

ließ hormongeschrumpfte Testikel am Strand zurück

wie winzige weltkugelrunde Figuren im Sand.

Es schadete Roth: Der Strand war nicht mehr derselbe.

Und das war der Moment, da er mich anrief.

Ich stieg hinweg über schlafende Engel beiderlei Geschlechts,

tippte Roth auf die Schulter und sofort

waren ein Dutzend Gewehre

auf meinen Kopf und die Brust gerichtet,

also sag ich: Ich bin doch kein Monster.

Oder zumindest nicht euer Monster.

Noch nicht.

Ich gab ihm meine Karte. Talbot, sagt er,

sind Sie der Regulator, mit dem ich gesprochen hab’?

Genau, sag ich, coole Nummer am Nachmittag,

und hier gibt’s ein Problem, das reguliert werden sollte.

Das ist der Deal, sag ich,

ich lös Ihr Problem und Sie zahlen und zahlen.

Sicher, abgemacht, sagt Roth. Was immer Sie wollen.

Ich weiß sowieso, wer dahinter steckt: die eurisraelische

Mafia oder die Schlitzaugen. Haben Sie Angst?

Nein, sag ich ihm, vor denen nicht.

Ich wünschte mir beinah, ich hätte sie in ihrer Glanzzeit gesehen.

Jetzt wirkten Roths schöne Kinder auf einmal dünn dort am Boden,

keins war aus der Nähe

so wonnig und kurvig wie von Ferne betrachtet.

Bei Dämmerung beginnt die Party.

Ich sage Roth, dass ich Death Metal schon beim ersten Mal grauenhaft fand

und er sagt, ich müsse älter sein, als ich ausseh.

Sie drehen laut auf. Die Boxen lassen den Strand erdröhnen und beben.

Ich entkleide mich für die Schlacht und ich warte

auf allen vieren im Schutz einer Düne.

Tage und Nächte warte ich. Und warte. Und warte.

Wo zum Henker sind Sie und Ihre Leute?

fragt Roth mich am dritten Tag. Wofür zum Henker bezahle ich Sie?

Nichts war am Strand letzte Nacht, nichts als ein großer Hund.

Doch ich lächle nur. Keine Spur des Problems bisher, was immer es ist,

sag ich.

Und ich war die ganze Zeit hier.

Ich sag doch, israelische Mafia, meint er.