Er schüttelte den Kopf, aber seine Hand lag schon um seinen Penis, bewegte sich ruckartig auf und ab, bis ein glitzernder Strahl hervorschoss und sich auf ihren Bauch und die Brust ergoss.
Sie hob eine Hand und verteilte den milchigen Samen gemächlich auf ihrer Haut.
»Ich denke, du solltest jetzt gehen«, sagte sie.
»Aber du bist nicht gekommen. Willst du nicht … willst du keinen Orgasmus?«
»Ich hab, was ich wollte.«
Er schüttelte verwirrt den Kopf. Sein Penis war schlaff und geschrumpft. »Ich hätt es wissen müssen«, murmelte er ratlos. »Aber ich wusste es nicht. Ich weiß gar nichts mehr.«
»Zieh dich an«, befahl sie. »Verschwinde.«
Mit geübten, sparsamen Bewegungen zog er seine Sachen an, er begann mit den Socken. Dann beugte er sich über sie, um sie zu küssen.
Sie drehte den Kopf weg. »Nein.«
»Kann ich dich wiedersehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
Er zitterte am ganzen Leib. »Was ist mit dem Geld?«, fragte er.
»Ich habe dich schon bezahlt. Als du reingekommen bist. Weißt du nicht mehr?«
Er nickte nervös, so als könne er sich nicht erinnern, wage aber nicht, das einzugestehen. Dann klopfte er seine Taschen ab, bis er den Umschlag mit dem Geld ertastete, und nickte noch einmal. »Ich fühle mich so leer«, sagte er kläglich.
Sie nahm kaum zur Kenntnis, dass er ging.
Sie lag auf dem Bett, eine Hand auf ihrem Bauch, wo sein Sperma langsam erkaltete und trocknete und sie kostete ihn in Gedanken.
Sie kostete jede Frau, mit der er geschlafen hatte. Sie kostete, was er mit ihrer Freundin tat, und lächelte über Natalies kleine Perversitäten vor sich hin. Sie schmeckte den Tag, als er seinen ersten Job verloren hatte. Den Morgen, da er betrunken in seinem Wagen inmitten eines Kornfelds aufgewacht war und, zu Tode erschrocken, der Flasche für immer abgeschworen hatte. Sie kannte seinen wahren Namen. Sie erinnerte sich an den Namen, der einmal auf seinem Arm eintätowiert gewesen war, und verstand, warum er nicht mehr dort sein konnte. Sie kostete die Farbe seiner Augen von innen betrachtet und sie schauderte über seinen Albtraum, in dem man ihn zwang, Stachelfische in den Mund zu nehmen, und aus dem er Nacht für Nacht in Panik aufschreckte. Sie ließ sich seinen Geschmack in Essen und Büchern und Filmen auf der Zunge zergehen und entdeckte den dunklen Himmel, zu dem er als kleiner Junge aufgestarrt und die Weite und Unermesslichkeit der Sterne bestaunt hatte, diesen Himmel, den er selbst längst vergessen hatte.
Selbst im uninteressantesten Material, das so gar nichts zu versprechen schien, konnte man manchmal echte Schätze entdecken, hatte sie festgestellt. Und er hatte die Gabe im kleinen Rahmen gar selbst besessen, auch wenn er sie nie verstanden oder für irgendetwas anderes als Sex genutzt hatte. Während sie in seinen Erinnerungen und Träumen dahinschwamm, fragte sie sich, ob er sie vermissen würde, ob er überhaupt merken würde, dass sie verschwunden waren. Und dann endlich kam sie, schaudernd, ekstatisch in blendenden Blitzen, die sie wärmten und aus sich heraus in die Nirgendwo-Vollkommenheit eines kleinen Todes transportierten.
Unten auf der Straße erklang ein Scheppern. Irgendwer war über eine Mülltonne gestolpert.
Sie setzte sich auf und wischte die klebrige Masse von ihrem Körper. Und dann begann sie sich anzuziehen, ohne zuvor zu duschen. Sie tat es bedächtig, begann mit ihrem weißen Baumwollslip und endete mit den ausgefallenen Silberohrringen.
Babynahrung
Vor ein paar Jahren verschwanden die Tiere.
Eines Morgens wachten wir auf und sie waren einfach nicht mehr da. Sie hatten nicht mal einen Abschiedsbrief hinterlassen oder Auf Wiedersehen gesagt. Wir kamen nie so recht dahinter, wohin sie gegangen waren.
Wir haben sie vermisst.
Manche von uns dachten, es sei das Ende der Welt, aber das stimmte nicht. Es waren eben einfach nur keine Tiere mehr da. Keine Katzen oder Kaninchen, keine Hunde und Wale, keine Fische im Meer und keine Vögel am Himmel.
Wir waren ganz allein.
Wir wussten nicht, was wir tun sollten.
Eine Weile liefen wir wie verirrt umher, aber dann wies jemand darauf hin, dass das Verschwinden der Tiere kein Grund sei, unsere Lebensgewohnheiten zu ändern. Kein Grund, unsere Ernährung umzustellen oder damit aufzuhören, Versuchsreihen mit Produkten durchzuführen, die uns schaden könnten.
Denn schließlich gab es ja noch die Babys.
Babys können nicht sprechen. Sie können sich kaum bewegen. Ein Baby ist kein rationales, denkendes Geschöpf.
Wir machten Babys.
Und wir benutzten sie.
Manche haben wir gegessen. Babyfleisch ist zart und saftig.
Wir häuteten sie und schmückten uns mit ihrer Haut. Babyleder ist weich und angenehm zu tragen.
Manche verwendeten wir für Tests.
Wir hielten ihre Augen mit Klebestreifen geöffnet und tröpfelten Seifen und Shampoos hinein, Tropfen um Tropfen.
Wir verletzten sie und kochten sie. Verbrannten sie. Wir schraubten sie fest und steckten Elektroden in ihr Gehirn. Wir pfropften und bestrahlten und froren sie ein.
Die Babys atmeten unseren Rauch ein, in den Venen der Babys flossen unsere Medikamente und Drogen, bis sie aufhörten zu atmen oder ihr Blut aufhörte zu fließen.
Es fiel uns natürlich schwer, aber es war notwendig.
Das konnte niemand bestreiten.
Was blieb uns zu tun übrig, nachdem die Tiere verschwunden waren?
Manche Leute haben sich natürlich beschwert. Aber solche gibt es doch immer.
Und alles ging wieder seinen gewohnten Gang.
Nur …
Gestern sind alle Babys verschwunden.
Wir wissen nicht, wohin sie gegangen sind. Wir haben sie nicht einmal verschwinden sehen. Wir wissen nicht, was wir ohne sie anfangen sollen.
Aber uns wird schon etwas einfallen. Die Menschen sind gescheit. Das ist es, was uns den Tieren und den Babys überlegen macht.
Wir lassen uns etwas einfallen.
Mordmysterien
Der vierte Engel sprach:
Für diese Aufgabe wurde ich geschaffen.
Diesen Ort zu bewachen vor den Menschen,
Denn durch ihre Schuld haben sie ihn verloren,
Sie haben Seine Gnade verwirkt,
Daher müssen sie all dies meiden
Oder mein Schwert sollen sie umfangen
Und ich selbst werde ihr Feind sein
Und ihr Antlitz mit Flammen verzehren.
Chester-Mysterienspiele,
Die Schöpfung und Adam und Eva, 1461
Dies ist eine wahre Geschichte.
Vor ungefähr zehn Jahren musste ich einen ungewollten Zwischenstopp in Los Angeles einlegen, sehr weit von zu Hause fort. Es war Dezember und in Kalifornien war das Wetter warm und freundlich. England hingegen lag unter dichtem Nebel im Klammergriff heftiger Schneestürme und keine Flugzeuge konnten dort landen. Jeden Tag rief ich am Flughafen an und jeden Tag sagte man mir, ich müsse noch einen Tag warten.
So war es seit etwa einer Woche gegangen.
Ich war fast noch ein Teenager. Wenn ich heute zurückschaue und die Teile meines Lebens betrachte, die aus jener Zeit stammen, fühle ich mich immer unbehaglich, als habe ich von einem Fremden ungebeten ein Geschenk bekommen: ein Haus, eine Frau, Kinder, eine Berufung. Das hat alles nichts mit mir zu tun, könnte ich unschuldig behaupten. Und wenn es stimmt, dass alle sieben Jahre jede Zelle unseres Körpers abgestorben und durch eine neue ersetzt worden ist, dann habe ich mein Leben in der Tat von einem Toten geerbt. Und die Sünden jener Tage sind vergeben und mit seinen Gebeinen begraben.