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Ich erwäge, Carasels und Saraquaels Gruppe die Aufgabe Tod zu entziehen. Vielleicht übertrage ich sie Zephkiel, meinem Seniorpartner, wenn er sich ihrer annehmen will. Er ist unübertrefflich bei diesen kontemplativen Projekten.‹

Inzwischen wartete schon eine ganze Schlange von Engeln darauf, mit Phanuel zu reden. Ich hatte das Gefühl, dass ich beinah alles gehört hatte, was hier zu erfahren war.

›Mit wem hat Carasel zusammengearbeitet? Wer hat ihn als Letzter lebend gesehen?‹

›Am besten sprichst du mit Saraquael. Er war schließlich sein Partner. Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst …‹

Er wandte sich dem Schwarm seiner Helfer zu, beriet, korrigierte, schlug vor oder untersagte.«

Der Mann schwieg.

Auf der Straße herrschte jetzt Stille. Ich entsinne mich an das gedämpfte Flüstern seiner Stimme, das Zirpen einer Grille irgendwo in der Nähe. Ein kleines Tier – eine Katze vielleicht oder irgendetwas Exotischeres, ein Waschbär oder gar ein Schakal – huschte von Schatten zu Schatten zwischen den geparkten Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

»Saraquael befand sich in der höchsten der offenen Galerien, die die Halle des Seins umgaben. Wie gesagt, das Universum war im Zentrum der Halle und es glitzerte und leuchtete und strahlte. Und es war ziemlich hoch …«

Ich unterbrach zum ersten Mal. »Dieses Universum, von dem Sie sprechen, war eine Art Diagramm oder so?«

»Eigentlich nicht. Ungefähr. So was Ähnliches. Es war ein Entwurf, aber in Originalgröße und es hing da in der Halle und all diese Engel machten sich die ganze Zeit irgendwie daran zu schaffen. Machten Geschichten wie Schwerkraft und Musik und Licht und so weiter. Es war eigentlich nicht das Universum, noch nicht. Das sollte es werden, wenn es fertig war und die Zeit kam, da es seinen rechten Namen erhalten sollte.«

»Aber …« Ich suchte nach Worten, um meine Verwirrung auszudrücken. Der Mann kam mir zuvor.

»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf darüber. Stellen Sie es sich als Modell vor, wenn es das für Sie leichter macht. Oder einen Plan. Oder … wie heißt was Wort? Prototyp. Genau. Ein ModelT Ford Universum.« Er grinste. »Sie müssen begreifen, dass ich vieles von dem, das ich Ihnen erzähle, schon übersetze, versuche, es in Worte zu fassen, die Sie begreifen können. Sonst könnte ich Ihnen die Geschichte überhaupt nicht erzählen. Wollen Sie sie hören?«

»Ja.« Mir war gleich, ob sie wahr oder erfunden war. Es war eine Geschichte, die ich unbedingt bis zum Ende hören musste.

»Gut. Dann halten Sie den Mund und hören Sie zu.

Ich fand also Saraquael auf der obersten Galerie. Es war niemand in der Nähe, er war ganz allein dort mit ein paar Unterlagen und kleinen, leuchtenden Modellen.

›Ich bin wegen Carasel hier‹, sagte ich.

Er sah mich an. ›Carasel ist im Augenblick nicht da. Ich erwarte ihn aber bald zurück.‹

Ich schüttelte den Kopf.

›Carasel kommt nicht mehr zurück. Er hat als spirituelles Wesen aufgehört zu existieren‹, erklärte ich ihm.

Sein Licht verblasste und er riss die Augen weit auf. ›Er ist tot?‹

›Das sagte ich, ja. Hast du irgendeine Vorstellung, wie es passiert sein könnte?‹

›Ich … Das kommt so plötzlich. Ich meine, er hat davon geredet … aber ich hatte doch keine Ahnung … hätte nie gedacht, dass er …‹

›Immer mit der Ruhe.‹

Saraquael nickte.

Er stand auf und trat ans Fenster. Man hatte keinen Ausblick auf die Silberne Stadt von seinem Fenster. Es zeigte nur einen Widerschein vom Leuchten der Stadt und des Himmels, der hinter uns in der Luft hing, und jenseits davon die Finsternis. Der Wind, der aus der Finsternis kam, zerzauste Saraquael sanft die Haare, als er wieder zu sprechen begann. Ich starrte auf seinen Rücken.

›Carasel ist … nein, war. Das ist doch richtig, oder? War. Er war immer so engagiert. Und so kreativ. Doch das war ihm nie genug. Er wollte immer alles verstehen, wollte selbst erfahren, woran er gerade arbeitete. Er war nie damit zufrieden, es einfach zu schaffen, es intellektuell zu begreifen. Er wollte es ganz. Er wollte alles.

Das war früher nicht weiter schlimm, als wir an materiellen Dingen gearbeitet haben. Doch als wir anfingen, einige der Benannten Emotionen zu entwerfen … hatte er nicht mehr genug Distanz zu seiner Arbeit.

Und unser letztes Projekt war Tod. Es ist eins der ganz schwierigen, ich vermute, auch eins der ganz großen. Möglicherweise wird es gar das Attribut werden, das die Schöpfung für die Geschöpfe definiert: Ohne den Tod wären sie zufrieden, einfach nur zu existieren, doch durch den Tod, na ja, wird ihr Leben eine Bedeutung bekommen – eine Grenze, die die Lebenden nicht überschreiten können …‹

›Du meinst also, er hat sich selbst getötet?‹

›Ich weiß es‹, antwortete Saraquael. Ich trat ans Fenster und sah hinaus. Weit, sehr weit unten sah ich einen winzigen weißen Punkt. Das war Carasels Leichnam. Ich musste veranlassen, dass irgendwer sich darum kümmerte. Ich fragte mich, was wir wohl mit der Leiche tun würden, aber es gab gewiss jemanden, der es wusste, dessen Zweck die Beseitigung unerwünschter Dinge war. Das war nicht mein Zweck. Das wusste ich.

›Woher?‹

Er zuckte die Schultern. ›Ich weiß es einfach. In letzter Zeit stellte er ständig Fragen. Fragen über den Tod. Wie wir denn wissen sollten, ob es Recht oder Unrecht sei, diese Dinge zu schaffen und Regeln aufzustellen, wenn wir nicht selbst die Erfahrung machten. Er fing immer wieder davon an.‹

›Hat dich das nicht beunruhigt?‹

Saraquael wandte sich um und sah mich zum ersten Mal an. ›Nein. Das ist unser Zweck. Zu diskutieren, zu improvisieren, die Schöpfung und die Geschöpfe zu entwickeln. Wir machen all das gründlich, damit, wenn alles Beginnt, es wie am Schnürchen läuft. Derzeit bearbeiten wir den Tod. Also ist es selbstverständlich, dass wir uns damit befassen. Mit dem physischen Aspekt, dem emotionalen Aspekt, dem philosophischen Aspekt … Und mit den Mustern. Carasel hat immer geglaubt, dass das, was wir hier in der Halle des Seins tun, bestimmte Muster schafft. Dass es Strukturen und Formen gibt, die bestimmten Wesen oder Ereignissen angemessen sind, die, einmal begonnen, fortgesetzt werden müssen, bis sie zum Ende kommen. Für uns vielleicht ebenso wie für sie. Es wäre denkbar, dass er das Gefühl hatte, auch dies sei eins seiner Muster.‹

›Kanntest du Carasel gut?‹

›So gut man sich eben kennt, wenn man zusammen arbeitet. Wir waren hier meistens Seite an Seite. Manchmal zog ich mich in meine Zelle am andere Ende der Stadt zurück, manchmal tat er das Gleiche.‹

›Wie denkst du über Phanuel?‹

Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. ›Er ist sehr beflissen. Aber er tut im Grund nicht viel. Er delegiert alle Aufgaben und streicht die Lorbeeren für sich ein.‹ Er senkte die Stimme, obwohl sich niemand außer uns auf der Galerie befand. ›Wenn man ihn reden hört, könnte man meinen, Liebe sei sein Werk gewesen. Aber eins muss man ihm lassen: Er sorgt dafür, dass die Arbeit erledigt wird. Zephkiel ist der eigentliche Denker der beiden Chefgestalter, aber er kommt nie hierher. Er bleibt in seiner Zelle in der Stadt und brütet, findet die Lösungen für Probleme aus der Ferne. Wenn du mit Zephkiel sprechen musst, geh zu Phanuel, Phanuel wird deine Frage dann an Zephkiel weiterleiten …‹

›Was ist mit Luzifer?‹, unterbrach ich ihn. ›Erzähl mir, was du über ihn weißt.‹

›Luzifer? Der Befehlshaber der Heerscharen? Er arbeitet nicht hier … Er hat die Halle allerdings zweimal besucht, um die Schöpfung zu inspizieren. Es wird gemunkelt, er untersteht Dem Namen unmittelbar. Ich hab noch nie mit ihm gesprochen.‹