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John Norman

Die Meuchelmörder von Gor

(Attentäter von Gor)

1

Wortlos nahm der Mann zwanzig Goldstücke zur Hand, Tarnscheiben aus Ar, und reichte sie Kuurus aus der Kaste der Attentäter.

»Die Gerechtigkeit muß ihren Lauf nehmen«, sagte der Mann.

Kuurus wußte, daß es so etwas wie Gerechtigkeit nicht gab. Für ihn existierten nur Gold und Stahl.

»Wen soll ich töten?« fragte er.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete der Mann. »Wir wissen nur dies.«

Kuurus, der ärgerlich die Stirn gerunzelt hatte, musterte das Stoffstück.

»Das ist ein Mannschaftsstreifen«, sagte er. »Er gehört sicherlich zu den Tarnrennen von Ar.«

»Du hast recht«, sagte der Mann.

»Ich gehe also nach Ar«, bemerkte Kuurus.

»Wenn du Erfolg hast«, sagte der Mann, »kehre zurück und empfange noch hundert Goldstücke.«

»Wer wurde getötet?« fragte Kuurus. »Wen soll ich rächen?«

»Einen Krieger namens Tarl Cabot«, lautete die Antwort.

Kuurus aus der Kaste der Attentäter durchschritt das große Tor Ars. Die Wächter hielten ihn nicht an, denn er trug das Zeichen des schwarzen Dolchs auf der Stirn.

Viele Jahre lang war die schwarze Tunika der Attentäter in den Straßen Ars nicht anzutreffen gewesen – nicht seit der Belagerung der Stadt im 10110. Jahr ihres Bestehens, als Marlenus Ubar und Pa-Kur Anführer der Attentäter war.

Jahrelang waren die Attentäter aus Ar verbannt gewesen, da Pa-Kur die hochherrschaftliche Stadt zu einem Zeitpunkt angegriffen hatte, da ihr Heimstein gestohlen und ihr Ubar zur Flucht gezwungen war. Die Stadt war gefallen, und Pa-Kur, obwohl er aus einer niedrigen Kaste stammte, hatte den Ehrgeiz entwickelt, Administrator von Ar zu werden. Doch seine Streitmacht war schließlich von einer Allianz freier Städte vernichtet worden, die unter der Führung Ko-ro-bas und Thentis stand.

Tarl aus Bristol, der sein Schwert der Stadt Ko-ro-ba verpflichtet hatte, war auf der schwindelnden Spitze des Justizzylinders gegen Pa-Kur angetreten und hatte ihn vernichtet.

Niemand stellte sich jetzt Kuurus in den Weg, denn wenn ein Attentäter sein Geld erhalten hat, gibt er durch ein Zeichen zu erkennen, daß er auf der Jagd ist – durch den Dolch. Und niemand wagt es, ihn aufzuhalten.

Eine Frau mit einem Marktkorb drückte ihr Kind an sich und trat besorgt zur Seite. Ein Bauer wich hastig zurück, damit der Schatten des Schwarzgekleideten nicht auf ihn falle. Den Rücken gegen eine Turmmauer gepreßt, beobachtete ein schlankes Sklavenmädchen den Fremden. In ihren Augen stand Angst. Ihr Haar war dunkel und fiel tief über ihren Rücken hinab; sie trug die kurze ärmellose Sklaventunika, wie sie in den nördlichen Städten Gors üblich ist.

Kuurus musterte das Mädchen, dann trat er vor und umfaßte ihren Arm.

Er drehte sie herum und drängte sie in eine Seitenstraße, so daß sie vor ihm gehen mußte.

An einer Pagataverne angekommen, einem billigen und überfüllten Lokal, das von Fremden und kleinen Gewerbetreibenden besucht wurde, nahm der Attentäter den Arm des Mädchens und führte sie hinein. Die Gäste an den niedrigen Tischen blickten auf und verstummten. An einer Wand spielten drei Musiker, die nun ihre Instrumente absetzten. Männer erbleichten unter dem starren Blick des Schwarzgekleideten.

Der Attentäter wandte sich an einen Mann in schwarzer Schürze.

»Kragen«, sagte er.

»Sieben«, erwiderte der Wirt und nahm einen Schlüssel von einer Reihe Haken hinter sich.

Der Attentäter drückte das dunkelhaarige Mädchen vor einem Wandring in die Knie und legte ihr einen Stahlring um den Hals, der durch eine fünfzig Zentimeter lange Kette mit der Wand verbunden war. Zwei weitere Mädchen knieten in der dunklen Ecke.

Die Sklavin blickte ihn entsetzt an. Das Gelb ihrer Tunika wirkte dunkel im Schatten. Von ihrer Ecke aus konnte sie die tiefhängenden Tharlarionöllampen erkennen und die Gäste und die Mädchen, die sich mit ihren Krügen hierhin und dorthin bewegten. In der Mitte war zwischen den Tischen eine sandbestreute Fläche freigelassen, auf der Tänze stattfinden oder Auseinandersetzungen ausgetragen werden konnten.

Eine hohe Wand mit mehreren abgeteilten Nischen schloß den Raum ab; Leitern führten zu den Alkoven hinauf.

Kuurus stellte seinen Speer gegen die Wand, nahm von der linken Schulter Schild, Helm und das Kurzschwert, das er griffbereit auf den niedrigen Tisch legte. Dann setzte er sich.

Auf eine Geste des Wirts hin eilte eine der Serviersklavinnen zum Tisch des neuen Gastes und schenkte ihm mit zitternden Händen Paga ein.

Kuurus nahm die Pagaschale in beide Hände, hob sie an die Lippen und trank.

Dann wischte er sich den Mund mit dem Ärmel ab und wandte sich an die Musiker. »Spielt«, befahl er.

Die drei Musiker beugten sich über ihre Instrumente, und nach wenigen Sekunden klangen wieder die typischen Geräusche einer Pagataverne auf: die barbarische Musik, das Plätschern von Paga, das Klirren von Trinkschalen, das Klimpern der Sklavenglöckchen.

Kaum eine Viertel-Ahn später hatten die meisten Gäste die dunkle Gestalt in der Ecke vergessen, den Angehörigen der Kaste der Attentäter. Es genügte ihnen zu wissen, daß das Dolchzeichen auf seiner Stirn offensichtlich nicht ihnen galt, daß nicht sie das Ziel seiner Suche waren.

Kuurus trank wortlos, beobachtete seine Umgebung, zeigte keinerlei Empfindung.

Plötzlich hastete eine kleine Gestalt durch die Tür herein, stolperte und rollte aufschreiend die Stufen herab. Sie sprang auf die Füße wie ein kleines, buckliges Tier mit großem Kopf und zottigem braunem Haar.

Das eine Auge war größer als" das andere. Das Wesen reichte einem normal gewachsenen Mann kaum bis zur Hälfte. »Tut Hup nichts«, rief der kleine Verkrüppelte. »Tut Hup nichts!«

»Es ist Hup der Narr!« sagte jemand.

Das kleine mißgestaltete Wesen humpelte und krabbelte wie eine kurzbeinige Urt zur Theke. »Versteckt Hup!« rief er. »Versteckt Hup!«

»Verschwinde, Hup du Narr!« rief der Wirt und versetzte ihm einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht.

»Nein!« kreischte dieser. »Sie wollen Hup umbringen!«

»Bettler haben im herrlichen Ar nichts zu suchen«, knurrte einer der Männer.

Hups zerrissene Tunika mochte einmal die Kastenfarben der Töpfer aufgewiesen haben, aber das ließ sich kaum noch feststellen. Seine Hände sahen aus, als wären sie einmal gebrochen worden. Deutlich war zu erkennen, daß ein Bein kürzer war als das andere. Hup rang seine winzigen, unförmigen Hände und sah sich verzweifelt um. Sinnloserweise versuchte er sich hinter einer Gruppe von Gästen zu verstecken die ihn jedoch wieder auf die Tanzfläche schoben.

Wie ein verzweifeltes Tier versuchte er unter einen niedrigen Tisch zu kriechen, doch dabei vergoß er kostbaren Paga und wurde grob wieder hervorgezogen. Hastig krabbelte er schließlich hinter die Theke.

Einen Augenblick später eilten vier stämmige Bewaffnete in die Taverne.

Ihre Kriegertuniken wiesen einen rotgelben Seidenstreifen auf.

»Wo ist Hup der Narr?« rief der Anführer.

Wütend begannen die Männer zu suchen.

»Ich werde mal sehen«, sagte der Wirt und blinzelte einem Gast zu.

»Nein«, sagte er und tat, als suche er angestrengt hinter dem Tresen, »Hup der Narr scheint nicht hier zu sein.«

»Dann müssen wir wohl woanders suchen.«

»Sieht so aus«, erwiderte der Wirt. Nach kurzem, grausamem Schweigen rief er plötzlich: »Nein! Moment! Hier ist doch etwas!« Und er griff nach unten und zerrte das kleine Bündel in die Höhe, das angstvoll zu kreischen begann.

»Gnade, ihr Herren!« rief Hup. Seine winzigen Füße wirbelten, trafen den Mann, der ihn nun festhielt.

»Wollt ihr ihn töten?« fragte einer der Gäste.

»Diesmal muß er sterben«, sagte der Anführer der Bewaffneten. »Er hat es gewagt, den Namen Portus in den Mund zu nehmen und eine Münze von ihm zu erbetteln.«

Die Goreaner sind im allgemeinen sehr gegen das Betteln eingestellt, und einige sehen es sogar als Beleidigung an. Das schließt kastenbedingte Wohltätigkeit nicht aus, auch wird in Familienverband Bedürftigen oft ausgeholfen. Ein armer Kerl wie Hup jedoch hatte keine andere Möglichkeit, als sich am Straßenrand sein Brot zu erflehen.