Kühl nickte mir Flaminius zu, und ich tat es ihm nach.
Dann wandte sich der Arzt an Ho-Tu. »Eine gute Sendung«, sagte er.
»Das muß auch so sein«, erwiderte Ho-Tu. »Sie sind sorgfältig ausgewählt worden. Sehen wir sie uns mal an!« Ho-Tu nahm eine kleine Fackel zur Hand und entzündete sie am Feuer. Der Arzt, der Wächter und ich folgten ihm die Rampe hinauf zur zweiten Käfigreihe.
Ein blondes Mädchen hockte in einem der Käfige und hob uns flehend die Hände entgegen. Der Wächter schlug wütend mit seinem Stab gegen ihre Gitterstäbe, daß sie entsetzt zurückzuckte.
»Diese zwei«, sagte Flaminius und deutete auf die nächsten beiden Käfige, »wollen noch nicht essen. Aber wir werden sie schon füttern!«
Ho-Tu hob seine Fackel. Beide Mädchen waren Asiatinnen; ich hielt sie für Japanerinnen.
»Sie sind sehr ruhig«, sagte ich, als wir zur dritten Etage emporstiegen.
»Wir lassen sie auch eine Zeitlang in Ruhe«, erklärte Flaminius herablassend, »nachdem die Wirkung der Injektion nachgelassen hat.
Meistens reagieren sie sich zunächst durch hysterisches Weinen, Schreie, Drohungen und Forderungen nach einer Erklärung ab. Damit lassen wir sie – auch in Zukunft – bis zu einem Gewissen Grade gewähren.«
»Sie begreifen sicher nicht, was mit ihnen geschehen ist«, sagte ich.
»Natürlich nicht«, erwiderte Flaminius lachend. »Einige sind sicher der Meinung, sie wären wahnsinnig geworden. Aber die Peitsche rückt das schiefe Bild wieder zurecht. Außerdem erklären wir ihnen später, was mit ihnen geschehen ist.«
»Aber wie ist das möglich? Sie sprechen doch nicht Goreanisch.«
»Wir haben hier kein Mädchen«, sagte Flaminius, »dessen Spraehe nicht von mindestens einem Bediensteten des Cernus gesprochen wird.«
Ich starrte ihn verwirrt an.
»Du nimmst doch nicht etwa an, wir hätten niemanden, der mit der Heimatwelt dieser Sklaven vertraut ist! Wir haben Menschen aus ihrer Welt hier im Haus und Leute von uns auf ihrem Planeten!«
Ich schwieg.
»Ich selbst«, sagte Flaminius, »habe ihre Welt besucht und spreche eine ihrer Sprachen – die sogenannte englische Sprache.«
»Oh«, sagte ich verblüfft.
Wir standen nun vor den beiden letzten Käfigen in der dritten Ebene. In jedem lag ein farbiges Mädchen von ausgesuchter Schönheit; daneben hockte ein schwarzhaariges Mädchen, das meiner Schätzung nach aus Italien stammte.
Schließlich stiegen wir zur vierten Ebene hinauf. Hier floh ein Mädchen vor der Helligkeit der Fackel und drückte sich verängstigt in eine Käfigecke.
»Sie hat erste Anzeichen von Schock gezeigt«, erklärte Flaminius, »aber wir haben sie wieder zu sich gebracht.«
Der Oberaufseher wandte sich an mich. »Die beiden letzten Mädchen«, sagte er, »dürften dich besonders interessieren.«
»Wieso?«
»Diese Mädchen sollen mit Vella ausgebildet werden, die in deinem Quartier wohnt.«
Flaminius fügte stolz hinzu: »Mit denen kann ich sprechen.« Während Ho-Tu seine Fackel hob, wandte er sich an die beiden Mädchen.
»Sklaven«, sagte er auf Englisch.
Die beiden sahen ihn überrascht an. »Sie sprechen unsere Sprache!« sagte die eine verblüfft. Die andere rappelte sich auf und streckte die Arme durch die Käfigstangen. »Helfen Sie uns!« rief sie.
Flaminius' Gesicht blieb ausdruckslos. »Ihr seid Sklaven«, sagte er.
Beide Mädchen waren dunkelhaarig wie Elizabeth. Wahrscheinlich waren sie auch deswegen zur Ausbildung mit Elizabeth ausgewählt worden. Das eine Mädchen trug die Haare ziemlich kurz, ihr Gesicht war schmal, zerbrechlich; sie wirkte intellektuell und war ziemlich mager, ein Zustand, den ihr neuer Herr sicherlich schnell beheben würde; ihre Augen waren grau, mehrere Striemen zogen sich über das ausgezehrte Gesicht. Das andere Mädchen war einige Zentimeter kleiner und etwas voller; sie trug ihr Haar schulterlang.
Flaminius wandte sich an Ho-Tu und die anderen. »Ich habe ihnen gerade gesagt, daß sie Sklaven sind«, erklärte er.
Das schlanke Mädchen sagte: »Ich bin keine Sklavin!«
Flaminius übersetzte, und der Wächter lachte.
»Ihr seid wahnsinnig«, sagte das andere Mädchen.
»Wie heißt du?« wandte sich Flaminius an das erste Mädchen.
»Virginia. Virginia Kent.«
»Und du?« fragte Flaminius das andere.
»Phyllis Robertson«, lautete die trotzige Antwort. »Was haben Sie mit uns vor?«
»Wie ihr wahrscheinlich schon am Schwerkraftunterschied gemerkt habt«, sagte Flaminius, »befindet ihr euch nicht auf der Erde, sondern auf der Gegenerde. Auf dem Planeten Gor.«
»So eine Welt gibt es nicht!« rief Phyllis.
»Du hast also schon davon gehört?«
»Die gibt's doch nur in Büchern!« kreischte Phyllis. »Eine Erfindung!«
Flaminius lachte.
»Ich habe über Gor gelesen«, sagte Virginia. »Die Berichte kamen mir sehr real vor.«
Flaminius lächelte. »Ihr habt durch die Bücher Tarl Cabots von Gor erfahren.«
»Das sind doch nur erfundene Geschichten«, sagte Phyllis langsam.
»Und solche Geschichten wird es nicht mehr geben«, sagte Flaminius.
»Tarl Cabot ist in Ko-ro-ba erstochen worden.« Der Arzt deutete auf mich. »Dies ist Kuurus, der seinen Mörder sucht!«
»Ihr seid ja alle verrückt!« sagte Phyllis.
»Warum sind wir hier?« wollte Virginia wissen.
»Ihr werdet als Sklavenmädchen ausgebildet. Ihr werdet es lernen zu knien, zu stehen, zu gehen, zu tanzen, zu singen, den Männern zu dienen.« Er lachte. »Und wenn eure Ausbildung abgeschlossen ist, kommt ihr auf den Auktionsblock und werdet verkauft.«
Die Mädchen starrten ihn an.
Der Arzt wandte sich an mich. »Beide sind interessant und vielversprechend. Ich würde sagen, daß bei der Ausbildung eine zurückhaltende Anwendung der Peitsche und des Sklavenstabes ausreichend ist. Ausgezeichnete Ware, die einen hübschen Preis erzielen wird. Die beiden sind es jedenfalls wert, weiterentwickelt zu werden.«
»Sie sind trotzdem Barbarinnen«, sagte Ho-Tu.
»Das stimmt«, sagte Flaminius, »das werden sie auch immer bleiben – aber diese Tatsache kann auf den Käufer eine besondere Faszination ausüben.«
»Das hofft jedenfalls Cernus«, sagte Ho-Tu.
Flaminius grinste. »Bisher sind wenige Hoffnungen Cernus' unerfüllt geblieben.«
10
Der schrille Schmerzensschrei des Tarn übertönte das Brüllen der aufgeregten Menge.
»Blau! Blau!« kreischte der Mann neben mir, der ein blaues Stoffstück auf der linken Schulter trug und einige emaillierte blaue Tonplatten in der rechten Hand.
Der kreischende Tarn, dessen Flügel nicht mehr zu gebrauchen war, taumelte haltlos um die Kante des großen gepolsterten Ringes, der über dem Netz der Rennstrecke schwebte, und stürzte in das Netz, wobei sein Reiter seinen Sicherheitsgurt durchschnitt und rechtzeitig absprang, um von dem wild zuckenden Tier nicht getötet zu werden.
Der andere Vogel, der den Gestürzten gegen die Ringkante gedrückt hatte, flog ungeschickt hindurch, drehte sich in der Luft, den ruckartigen Kommandos der Kontrollzügel folgend, und reagierte schließlich auf ein gelbes Aufblitzen des Tarnstabs, bekam wieder Gewalt über sich und eilte auf den nächsten Ring zu.
»Rot! Rot!« hörte ich in der Nähe rufen.
Die nächsten sieben Tarns hasteten hintereinander durch den Ring und wirbelten herum, um den nächsten Ring in Angriff zu nehmen. Ihr Anführer war ein brauner Renntarn, dessen Reiter in rote Seide gekleidet war und dessen Sattel und Zügel aus rotem Leder bestanden.
Es war erst die dritte Runde in einem Rennen, das über zehn Runden ging, und schon hingen zwei Tarns im Netz. Ich sah, wie sich die Netzleute vorsichtig über die breiten Taue bewegten, mit großen Schlingen in den Händen, um den großen Schnabel des Tiers und seine gekrümmten Krallen festzubinden. Bei einem Vogel war offensichtlich der Flügel gebrochen, denn man schnitt ihm blitzschnell die Kehle durch; Blut sickerte durch das Netz, befleckte es und bildete im Sand darunter eine bräunlich-rote Lache. Der Reiter nahm dem noch zitternden Vogel Sattel und Zügel ab und ließ sich mit ihnen durch das Netz zu Boden fallen, knapp zwei Meter darunter. Das andere Tier war offenbar nur betäubt, denn es wurde an den Netzrand gerollt, von wo es auf einen großen massigen Wagen geschoben wurde, den zwei Gehörnte Tharlarions heranzogen.