Vierzehn Tage waren offenbar als Zeit der Eingewöhnung für die Neuen gedacht. Als die Gruppe schließlich beginnen sollte, begleitete ich Elizabeth zur ersten Stunde ihrer Ausbildung.
Wir wurden in den Raum geführt, in dem die Sklavenkäfige der neuen Mädchen standen. Flaminius und Ho-Tu waren ebenfalls anwesend.
Virginia und Phyllis wurden aus ihren Zellen gelassen. Ihr Verhalten hatte sich spürbar geändert; sie hatten inzwischen auch ihre Brandzeichen bekommen.
Ich hörte eine Frau den Raum betreten. Verblüfft sah ich mich um. Eine Frau in Vergnügungsseide stand auf der Schwelle, eine Erscheinung von bemerkenswerter Schönheit, von der jedoch spürbare Härte und Verachtung ausging. Sie trug einen gelben Sklavenkragen, die Farbe des Hauses Cernus. Um ihren Hals hing eine Sklavenpfeife, und in der rechten Hand hielt sie einen Sklavenstab. Sie hatte helle Haut, doch dunkles Haar und fast schwarze Augen, dazu sehr rote Lippen. Jede Bewegung ihres herrlichen Körpers war eine Freude für die Augen. Sie betrachtete mich mit leichtem Lächeln, registrierte das Schwarz meiner Tunika und das Zeichen des Dolchs.
»Ich bin Sura«, stellte sie sich vor. »Ich lehre die Mädchen, den Männern Vergnügen zu bereiten.«
»Dies sind die drei«, sagte Ho-Tu und hob den Arm.
»Kniet!« sagte Sura auf Goreanisch.
»Kniet nieder«, übersetzte Flaminius.
Die drei Mädchen gehorchten zögernd.
Sura ging um sie herum und musterte Elizabeth. »Du bist das Erste Mädchen der Gruppe?«
»Ja«, sagte Elizabeth.
Suras Finger schaltete den Sklavenstab ein und drehte den Hebel. Die Spitze begann hellgelb zu glühen.
»Ja, Herrin«, sagte Elizabeth.
»Du bist eine Barbarin?«
»Ja, Herrin.«
»Alle drei sind Barbarinnen«, sagte Ho-Tu.
Sura fuhr herum und musterte ihn angewidert. »Wie stellt sich Cernus das vor? Wie soll ich Barbarinnen ausbilden?«
Ho-Tu zuckte die Achseln.
»Tu, was du kannst«, sagte Flaminius. »Sie sind intelligent und haben Talent.«
»Du hast doch keine Ahnung«, erwiderte Sura.
Flaminius senkte wütend den Blick.
Sura trat vor die Mädchen hin, hob Virginias Kopf, blickte Ihr in die Augen und sagte: »Ihr Gesicht ist zu mager und sie hat Striemen. Und die hier« – sie deutete auf Elizabeth –, »war eine Tuchuk. Sie weiß bestimmt nur, wie man Bosks versorgt und Leder gerbt.«
Elizabeth enthielt sich klugerweise eines Kommentars.
»Und diese hier hat zwar den richtigen Körper für eine Sklavin – aber wie bewegt sie sich? Diese Mädchen können ja nicht einmal richtig stehen oder gehen!«
»Tu was du kannst«, wiederholte Flaminius.
»Hoffnungslos«, sagte Sura. »Aber wir müssen es wohl Versuchen.« Sie wandte sich an Ho-Tu. »Das Tuchukmädchen wohnt bei dem Attentäter.
Dagegen habe ich nichts. Die anderen sollen in die Zellen der Roten Seide gebracht werden.«
»Aber sie sind von Weißer Seide«, wandte Ho-Tu ein.
Sura lachte. »Na gut – also in die Zellen der Weißen Seide. Ernährt sie gut. Sie sind ja fast ganz vom Fleisch. Wie ich verkrüppelte Barbarinnen ausbilden soll, ist mir noch nicht klar.«
»Du wirst es sicher schaffen«, sagte Flaminius überzeugt.
Sura starrte ihn mürrisch an, und der Arzt senkte den Blick.
»In den ersten Wochen brauche ich auch jemand, der ihre Sprache versteht. Außerdem müssen sie in ihrer Freizeit das Goreanische lernen, und zwar schnell.«
»Ich lasse jemanden holen, der ihre Sprache spricht«, sagte Flaminius.
»Auch sorge ich für ihren Unterricht.«
»Übersetze für mich«, sagte Sura zu Flaminius. Dann begann sie in kurzen Sätzen zu sprechen, wobei sie Pausen ließ, damit Flaminius übersetzen konnte.
»Ich bin Sura«, erklärte sie. »Ich bilde euch aus. In den Stunden der Ausbildung seit ihr meine Sklaven. Ihr werdet tun, was ich sage. Ihr werdet arbeiten und lernen. Ihr werdet mir zu Gefallen sein. Ich werde euch ausbilden. Ihr werdet arbeiten und lernen.«
Dann hob sie den Kopf. »Fürchtet mich«, sagte sie, und Flaminius übersetzte.
Ohne ein weiteres Wort schaltete sie nun den Sklavenstab ein und drehte den Hebel herum. Die Spitze des Stabes begann zu glühen, und sie versetzte den drei knienden Mädchen einen überraschenden Hieb.
Nach dem heftigen Funkenregen und den Schmerzensschreien der Mädchen zu urteilen war die Ladung ziemlich hoch. Immer wieder schlug Sura zu, und die Sklavinnen schienen sich vor Schmerz gar nicht mehr bewegen zu können. Sogar Elizabeth schien von dem Angriff überrascht. Schließlich schaltete Sura den Stab ab. Die drei Mädchen starrten sie angstvoll an, auch die stolze Vella. In ihren Augen stand die nackte Angst.
»Fürchtet mich«, wiederholte Sura leise. Flaminius übersetzte ihre Worte. Dann wandte sich Sura an ihn. »Laß sie zur sechsten Ahn in meinen Trainingsraum schicken«, sagte sie, machte kehrt und verließ den Raum.
Langsam ging ich den breiten Tribünengang hinab. Nur wenige gingen so früh, und ich begegnete sogar einigen Nachzüglern, die jetzt erst eintrafen. In einer Ecke sah ich eine kleine Gruppe junger Männer, die mit Würfeln aus Verrknochen spielten.
Unter den schrägen Tribünen herrschte ein weitaus bunteres Leben. Hier formten kleine Verkaufsstände eine Art Arkadendurchgang, in dem verschiedene Waren zum Verkauf standen, meistens billige und wenig ansprechende Dinge. Ich sah schlecht gewobene Teppiche, Amulette und Talismane, geknotete Papierketten – Papiere mit Segnungen von Priesterkönigen –, die man als Glücksbringer bei sich tragen konnte; dann zahlreiche Glas und Metallschmuckstücke, Perlen der Vosk- Sorp, polierte Muschelbroschen, Nadeln mit geschnitzten Köpfen aus den Spießen des Kailiauk-Dreihorns, Sleenzähne, die angeblich Glück bringen sollten, Stapel mit Roben, Schleier und Tuniken der verschiedensten Kastenfarben, billige Messer und Gürtel und Beutel, Fläschchen mit Parfüms, denen unglaubliche Dinge nachgesagt wurden, kleine Tonfiguren, Nachbildungen des Stadions und der Renntarns. Ich erblickte auch einen Stand, an dem billige und schlecht genähte Sandalen verkauft wurden, die nach Angaben des Verkäufers von der gleichen Art waren, wie Menicius aus Port Kar sie trug. Dieser Mann, der für die Gelben ritt, hatte nämlich vorhin eins der Rennen gewonnen. Er beanspruchte über sechstausend Siege und galt in Ar und gewissen anderen Städten des Nordens als Volksheld; im Privatleben sollte er allerdings grausam, rücksichtslos und eitel sein, doch wenn er in den Sattel eines Renntarns stieg, konnten sich nur wenige seiner Wirkung verschließen; es hieß, daß keiner so reiten könne wie Menicius aus Port Kar. Die Sandalen, so stellte ich fest, fanden guten Absatz.
Zweimal kamen Männer auf mich zu, die kleine Schriftrollen verkaufen wollten, angeblich mit wichtigen Informationen über bevorstehende Rennen über die Tarns, ihre Reiter, die Zeiten, die sie bei früheren Rennen erreicht hatten, und so weiter; ich war der Meinung, daß ich mir die gleichen Angaben billiger und zuverlässiger von den großen Anschlagtafeln beschaffen konnte; es wurde indessen immer wieder behauptet, daß solche Männer über wichtige Informationen verfügen, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zugang hat.
Als ich den Haupttorbogen des Stadions durchschritt und auf die breite Straße trat, die Straße der Tarns, hörte ich eine Stimme hinter mir: »Vielleicht haben dir die Rennen nicht gefallen?«
Es war die Stimme des Mannes, der hinter mir gesessen hatte, ehe ich fortgegangen war, um von dem kleinen Hup nicht erkannt zu werden.
Der Mann, der sich abfällig über den Hinrabier auf dem Throne Ars geäußert und dem kleinen Narren etwas abgekauft hatte.
Seine Stimme kam mir seltsam vertraut vor.
Ich drehte mich um.
Glattrasiert, das massive, königliche Gesicht von der Kapuze eines Bauern gerahmt, der riesige Körper in der schlichten Tunika der niedrigsten Kaste Gors – so stand mir ein Mann gegenüber, in dessen Identität ich mich einfach nicht irren konnte, obwohl ich ihn jahrelang nicht gesehen hatte, obwohl sein mächtiger Bart nun abrasiert war. In der Rechten trug er einen schweren Bauernstab, fast zwei Meter lang.