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»Wie ich sehe, trägst du jetzt das Rot der Krieger«, sagte er, »und nicht mehr die

schwarze Tunika der Attentäter.«

Ich schwieg.

»Ich weiß, daß Verkleidungen manchmal nützlich sind – wenn man auf der Jagd ist.« Er grinste mich an. »Es hat mir gefallen, was du damals bei dem Spiel getan hast. Du hast dem Spieler eine doppelte Tarnmünze gegeben.«

»Aber er hat sie nicht genommen«,, erwiderte ich. »Sie war schwarzes Gold, meinte er.«

»Und das stimmt ja auch«, sagte der Tarnzüchter. »Es stimmt ja auch.«

»Man kann damit genausoviel kaufen wie mit gelbem Gold.«

»Wenn du in der Nähe essen möchtest, kann ich dich vielleicht begleiten?« fragte der Mann. »Ich kenne da eine gute Taverne. Von den Grünen gehen viele dorthin.«

»Gern«, sagte ich. »Ich bin hungrig und durstig. Führe mich hin.«

Die Taverne lag ganz in der Nähe des Stadions und hieß passenderweise »Taverne der Grünen‹. Der Wirt war ein rotgesichtiger freundlicher Mann namens Kliimus. Die Vorhänge in den Alkoven waren aus grüner Seide – wie die Vergnügungsseide der Sklavinnen.

Es herrschte eine etwas gedämpfte Stimmung im Lokal, da der Tag für die Grünen nicht allzu positiv verlaufen war. Auch wurde neben den Rennen viel über das Verschwinden der Tochter des hinrabischen Administrators gesprochen. Offensichtlich waren zur Zeit der mutmaßlichen Entführung keine Tarns in der Nähe des Zentralzylinders gesehen worden, und den Berichten zufolge Waren auch keine Fremden in das Gebäude eingedrungen. Das Rätsel beschäftigte ganz Ar.

Der Tarnzüchter, der von den anderen Mip genannt wurde, brachte Bosksteaks und gelbes Brot, Erbsen, torianische Oliven und zwei goldbraune steife Suls, die aufgebrochen und mit geschmolzenem Boskkäse gefüllt waren. Mip war ein lebhafter Bursche, ein wenig zu sehr überzeugt von seiner Mannschaft, denn überall an seiner Kleidung zeigten sich grüne Spuren.

Mip schien aus irgendeinem Grund Gefallen an mir zu finden, und während wir den Abend hindurch beim Paga saßen, redete er viel – von den Mannschaften, über die Organisation der Rennen, über das Training der Tarns und ihrer Reiter, über die Hoffnungen der Grünen und der anderen Mannschaften, über bestimmte Reiter und Vögel. Ich ahnte bald, daß wohl kaum jemand in der Stadt mehr über die Rennen wußte als Mip.

Nachdem wir gegessen und getrunken hatten, schlug mir Mip auf die Schulter und lud mich ein, den Tarnstall zu besuchen, in dem er arbeitete, einen der großen Ställe der Grünen.

Ich freute mich über die Einladung, denn ich hatte noch nie einen Mannschaftsstall gesehen.

Der Stall gehörte zu einer Gruppe von sechs Ställen in einem großen und hohen Zylinder, in dem sich zahlreiche Büros und Schlafräume der Grünen Rennmannschaft befanden. Unterlagen und Vorräte und Wertgegenstände wurden in diesem Zylinder aufbewahrt, obwohl man in der Stadt noch drei weitere Zylinder unterhielt. Der Tarnstall, in dem Mip arbeitete, war der größte, und wie ich zu meiner Freude feststellte, war er der älteste Tarnzüchter und führte das Kommando. Der Stall selbst war ein riesiger Raum unter dem Zylinderdach, etwa vier gewöhnliche Stockwerke hoch. Die Tarnstangen bildeten ein riesiges geschwungenes Gitterwerk aus Temholz hoch über dem Fußboden und folgten der kreisförmigen Zylinderwand.

Viele Stangen waren leer, doch alles in allem befanden sich über hundert Vögel in dem Stall. Jedes Tier war an einem Stück Stange festgekettet, wurde jedoch mindestens einmal alle zwei Tage zu einem Übungsflug herangezogen. Trinkwasser wird durch Röhren in dreieckige Kanister in Reichweite der Stangen geleitet, Fleisch mit Stangen oder Ketten zugereicht. Selten kommt es vor, daß die Vögel im Stall freigelassen werden.

Kaum hatte Mip den Raum betreten, als er auch schon zwei Tarnstäbe von einem Haken nahm. Er reichte mir einen davon. Sich in einem Tarnstall ohne Stab zu bewegen, ist waghalsig. Mip, den seine Männer freundlich grüßten, machte seine Runde. Mit einer Beweglichkeit, die nur das Ergebnis jahrelanger Übung sein konnte, kletterte er auf den Temholzbalken herum, zuweilen zehn Meter über dem Boden, und überprüfte diesen und jenen Vogel. Ich folgte ihm, vielleicht nur, weil ich etwas betrunken war. Schließlich hatten wir eines der drei großen runden Portale erreicht, die vom Tarnstall nach draußen führen. Ich sah große Tarnstangen, die sich senkrecht vom Portal aus ins Freie reckten. Die Lichter Ars waren herrlich anzusehen. Ich trat auf die Tarnstange hinaus und blickte nach oben. Das Dach des Zylinders lag kaum drei Meter über mir. Die nächtliche Pracht Ars hat mich immer wieder in ihren Bann geschlagen, die Brücken, die Laternen, die hohen Türme, die unzähligen Lampen in den Fenstern der Zylinder. Ich rückte weiter auf die Tarnstange hinaus und spürte Mip ein wenig hinter mir, noch im Schatten, doch schon auf der Tarnstange. Ich blickte hinab und schüttelte den Kopf. Die Straße tief unter mir schien winzig. Ich sah die Fackeln von zwei oder drei Männern, die unten vorbeigingen. Mip rückte etwas näher heran.

Ich drehte mich um und lächelte ihn an. Er trat zurück.

»Komm lieber rein «, sagte er lächelnd. »Das ist gefährlich. «

Ich hob den Kopf und sah am Himmel die drei Monde Gors, den großen und die beiden kleinen. Dann kehrte ich in das Gebäude zurück.

Mip tätschelte den Schnabel eines Vogels, der offenbar schon älter war.

Sein Gefieder schimmerte rötlichbraun, die Kopffedern lagen flach an, der Schnabel war hellgelb mit weißen Flecken.

»Das ist der Grüne Ubar «, erklärte er und kraulte den Hals des Tiers.

Ich hatte schon von dem Vogel gehört. Er war vor einem Dutzend Jahren in Ar berühmt gewesen und hatte zu seiner Zeit über tausend Rennen gewonnen. Sein Reiter war Melipolus aus Cos gewesen, einer der großen Namen der Grünen Mannschaft.

»Kennst du dich mit Tarns aus? « fragte Mip.

Ich überlegte einen Augenblick. »Ja «, sagte ich dann.

Ich fragte mich, warum das alte Tier nicht längst getötet worden war.

Vielleicht hatte man es im Andenken an seine große Vergangenheit leben lassen. Andererseits waren die Geschäftsleute in einer Mannschaft kaum gewillt, einen unnützen Tarn durchzufüttern.

»Die Nacht ist schön «, sagte ich.

Mip lächelte mich an. Er balancierte auf den Temstangen entlang, bis er zwei Rennsattel mit Zügeln erreichte. Er warf mir einen herüber und deutete auf einen wachsam blickenden braunen Renntarn, der zwei Stangen entfernt saß. Die Rennzügel ähneln den gewöhnlichen Zügeln – ein Halsring und ein Sattelring, die durch sechs Riemen verbunden sind.

Der Unterschied liegt in der Straffheit der Schnüre zwischen den beiden Ringen. Der Sattel selbst ist winzig im Gegensatz zum gewöhnlichen Tarnsattel, der mit seinen Taschen, Waffenscheiden und Halteschlaufen ziemlich unförmig erscheint.

Mip ritt den Grünen Ubar; er sah gut aus in dem abgetragenen Sattel mit den kurzen Steigbügeln.

Wir befestigten unsere Sicherheitsgurte, die bei den Rennsätteln doppelt sind.

»Versuch den Tarn nicht zu lenken, ehe wir aus dem Stall sind «, sagte Mip. »Er muß sich auch erst an die Zügel gewöhnen. « Er lächelte. »Es handelt sich nicht um einen Kriegstarn. «

Mip, der kaum seinen ersten Zügel zu berühren schien, lenkte den alten Vogel auf die Stange hinaus. Das Tier bewegte königlich den alten Kopf; seine riesigen Flügel entfalteten sich, die alten Augen schimmerten. Mit ungeduldigen Flügelschlägen hüpfte mein Tier seinem Artgenossen nach.

Ich war aufgeregt, wie immer, wenn ich auf dem Rücken eines Tarn saß.

Auch Mip schien erfrischt, von neuem Leben erfüllt.

Wir starrten auf die Zylinder, Lichter und Brücken. Es war ein frischer, kühler Sommerabend. Die Sterne über der Stadt waren klar und hell.