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»Das Beste wäre also, das von Caprus kopierte Material in kleinen Mengen ins Sardargebirge zu schaffen. Ich kann dafür sorgen, daß der Ältere Tarl aus Ko-ro-ba herüberkommt und uns als Bote zwischen hier und den Bergen der Priesterkönige dient.«

»Leider hat Caprus gesagt, daß er uns die Kopien erst geben will, wenn er ganz fertig ist.«

»Warum denn das?« fragte ich aufgebracht.

»Er befürchtet, daß sie beim Aussenden entdeckt werden. Auch ist er besorgt, daß sich Spione der Anderen in das Sardargebirge eingeschlichen haben, die – wenn sie von den Berichten aus dem Haus des Cernus erfahren – sicherlich eigene Ermittlungen anstellen würden, die dann zu unserer Entlarvung führen müßten.«

»Das halte ich nicht für sehr wahrscheinlich.«

»Aber Caprus ist davon überzeugt.«

Ich zuckte die Achseln. »Wir müssen uns wohl leider nach dem richten, was Caprus will.«

»Wir haben keine andere Wahl.«

»Wenn die Information komplett ist«, sagte ich, »werden wir wohl zu dritt zum Sardargebirgeabreisen.«

Sie lachte. »Caprus wird auf keinen Fall zurückbleiben wollen. Ich bin sogar sicher, daß er die Unterlagen selbst überbringen will.«

Ich lächelte. »Caprus tut wahrscheinlich ganz gut daran, niemandem zu trauen.«

»Er spielt auch ein höchst gefährliches Spiel Tarl.«

Ich nickte. »Auch möchte ich gern herausfinden, wer den Krieger aus Thentis erstochen hat.«

»Aber du hast ihn doch gar nicht gekannt«, sagte Elizabeth. Ich starrte sie einen Augenblick an, und sie senkte den Blick. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe nur Angst um dich.«

Ich umfaßte ihre Hand. »Ich weiß«, sagte ich.

»Heute abend mußt du bei mir bleiben. Ich habe Angst.«

Ich nahm sie zärtlich in die Arme.

Etwa zur dritten Stunde stand ich wieder auf, da ich nicht einschlafen konnte, und zog meine schwarze Tunika an. Meine Gedanken beschäftigten sich noch immer mit Marlenus. Ich wußte, daß der Ubar aller Ubars, der für seine Angehörigen noch immer auf dem Thron saß, nach all den Jahren nicht wegen der Rennen in die Stadt gekommen war. In den Bädern war Nela außerdem seltsam zurückhaltend gewesen, als ich sie über Marlenus befragte. Ich hatte den Eindruck, daß es in Ar Unterströmungen geben mochte, von denen ich nichts wußte. Neu war für mich zum Beispiel auch die Nachricht, daß man Marlenus in den Voltai-Bergen hatte ermorden wollen. Die jetzigen Machthaber in Ar mußten einen guten Grund für solche Verzweiflungstaten haben.

Ich verließ mein Quartier und wanderte nachdenklich durch die Korridore des Hauses.

Es ärgerte mich außerdem, daß Caprus die Ergebnisse seiner Spionagetätigkeit erst bei Abschluß der Aktion vorlegen wollte, obwohl ich seine Gründe und Ängste verstand; die Tatsache, daß die Dokumente gefunden waren und kopiert werden sollten, verschaffte mir andererseits große Befriedigung, denn sie bedeutete, daß meine und Elisabeths Arbeit einfacher wurde. Wir brauchten jetzt nur noch die Papiere ins Sardargebirge zu bringen – eine Aufgabe, bei der ich kaum Schwierigkeiten erwartete. Ich wunderte mich über die Tatsache, daß Caprus' Aufzeichnungen nicht verschlüsselt waren. Wahrscheinlich hielten die Anderen ihre Unterlagen für ausreichend gesichert.

Ich stellte fest, daß mein Unterbewußtsein mich in den Korridor mit der verriegelten Tür geführt hatte, zu jener Tür, hinter der die Zelle für die besonderen Gefangenen lag. Vier Wächter waren noch immer hier postiert. Zu meiner Überraschung stieß ich auf niemand geringeren als Cernus, den Herrn des Hauses. Er trug eine lange schwarze Wollrobe mit den drei farbigen Seidenstreifen am linken Ärmeclass="underline" Um seinen Hals hing das goldene Medaillon seines Hauses, der Tarn mit dem Sklaven in den Fängen.

»Du bist noch spät unterwegs, Attentäter«, sagte er.

»Ich konnte nicht schlafen.«

»Ich hatte angenommen, die Angehörigen der schwarzen Kaste hätten den festesten Schlaf.«

»Es muß wohl am Essen liegen.«

»Natürlich«, sagte Cernus. »Ist deine Jagd erfolgreich gewesen?«

»Ich habe den Mann noch nicht gefunden.«

»Oh. Naja, auch gut, daß du hier bist. Ich möchte dir etwas zeigen.«

»Was denn?«

»Den Untergang des Hauses von Portus.«

Ich wußte, daß das Haus des Portus die größte verbleibende Konkurrenz für Cernus war und daß noch um die Kontrolle des Sklavenhandels in Ar gerungen wurde. Portus und Cernus Vereinigten über siebzig Prozent des Geschäfts auf sich. Mehrere kleinere Häuser hatten bereits geschlossen; es gab noch andere, die jedoch unbedeutend waren.

»Folge mir«, sagte Cernus und ging durch die Tür voraus, die die Wächter für ihn geöffnet hatten. Wir fanden uns in dem kleinen Flur, an dem der große Einwegspiegel lag. Wieder einmal starrte ich durch das Glas und sah auf der anderen Seite das luxuriöse Zimmer mit Garderobenschrank, Seidentruhen, Teppichen und Kissen.

Doch diesmal enthielt das Zimmer eine Gefangene.

Es war ein auffallend schönes Mädchen, das von einem Ende des Gefängnisses zum anderen schritt, wütend wie ein junger, gefangener Larl. Die Schleier der bestickten Verhüllungsrobe waren ihr genommen worden.

»Hier siehst du den Untergang des Hauses Portus«, sagte Cernus.

Das Mädchen hatte schwarzes Haar, das tief herabfiel und offenbar noch nie geschnitten worden war. Ihre schwarzen Augen blitzten, ihre stark ausgeprägten Wangenknochen gaben ihrem Gesicht einen strengen, herrischen Zug.

An den Handgelenken trug sie Sklavenringe, die durch eine etwa einen Meter lange dünne Kette miteinander verbunden waren.

Das Mädchen wirbelte herum, warf den Kopf in den Nacken und starrte wild zur Decke empor. Dabei warf sie die Kette über ihren Kopf zurück.

Dann schluchzte sie wütend auf und warf die Kette wieder nach vorn, schlug damit nach den Truhen, auf den Diwan, immer wieder. Sie beugte sich vor und versuchte, zunächst mit der einen und dann mit der anderen Hand die engen Armbänder abzustreifen. Sie lief zum Bad und versuchte ihre Haut mit Öl zu glätten, doch es nützte nichts. Schluchzend stand sie schließlich mitten im Raum, hieb immer wieder mit der Kette nach dem Diwan, trommelte schließlich mit den Fäusten darauf herum.

Ich hörte eine Bewegung in der Nähe. Als ich mich umwandte, sah ich eine Sklavin in einer von Soßen bekleckerten Tunika eines Küchenmädchens. Sie trug ein Tablett mit Früchten und einem Weinkrug. Ein Wächter folgte ihr.

Die Sklavin klopfte schüchtern an die Zellentür.

Das Mädchen sprang von dem Diwan auf, wischte sich das Öl von den Handgelenken und stand hochaufgerichtet in der Mitte des Zimmers.

»Herein«, sagte sie.

Der Wächter öffnete die Tür, und die Küchensklavin stellte unterwürfig das Tablett auf einen Tisch neben dem Diwan.

»Warte, Sklavin«, befahl die Gefangene.

Die Sklavin sank mit gesenktem Kopf auf die Knie.

»Wo ist dein Herr?« fragte das fremde Mädchen.

»Ich weiß es nicht, Herrin«, sagte die Küchensklavin.

»Wer ist dein Herr?«

»Das darf ich nicht sagen, Herrin!«

Die Gefangene stürzte sich auf das Mädchen, das sofort zu jammern begann und das Gesicht zu schützen versuchte. Die Gefangene beugte sich vor und musterte den Kragen und lachte laut auf. Verächtlich schob sie das Sklavenmädchen zur Seite. »Verschwinde, Sklavin!« sagte sie geringschätzig, und das Küchenmädchen sprang auf und eilte durch die Tür, die hinter ihr sofort wieder verriegelt wurde.

Draußen gab Cernus der Küchensklavin ein Zeichen, hierzubleiben. Sie gehorchte, kniete im Korridor nieder und senkte den Kopf.

Cernus interessierte sich nun wieder für das Innere der Zelle.

Die Laune der Gefangenen schien sich gebessert zu haben. Ihre Bewegungen hatten nun etwas Herablassendes. Sie musterte das Tablett mit den Früchten und dem Wein und lachte. Lächelnd biß sie in eine Frucht.

»Ich habe Pläne mit diesem Mädchen«, sagte Cernus. »Ihr Haar ist doch sehr schön, nicht wahr?«

»Ja.«

»Sie bildet sich wahrscheinlich einiges darauf ein«, sagte Cernus abschätzend. »Ich werde es ihr also abschneiden lassen. Sie bekommt eine Haube aufgesetzt und wird mit einem Tarn in eine andere Stadt gebracht, vielleicht nach Tor, wo sie öffentlich verkauft wird.«