»Was hat das alles mit dem Haus des Portus zu tun?« fragte ich.
Cernus lachte. »Du würdest keinen guten Spieler abgeben, Attentäter.«
Ich zuckte die Achseln.
»Das Mädchen wird nach kurzer Zeit wieder in Ar auftauchen. Ich werde selbst dafür sorgen, wenn das nötig ist.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte ich.
Cernus gab der Küchensklavin ein Zeichen, sich zu nähern.
»Sieh dir den Kragen an«, sagte Cernus.
Ich las die Inschrift vor: »Ich gehörte dem Hause des Portus.«
»Sie kommt wieder nach Ar«, sagte Cernus, »und damit ist Portus erledigt.«
Ich sah ihn fragend an.
»Es ist Claudia Tentia Hinrabia«, sagte Cernus.
13
Als aus den Wochen schließlich Monate geworden wären, wurde ich langsam nervös und ungeduldig. Mehr als einmal hatte ich selbst – obwohl das vielleicht nicht klug war – bei Caprus vorgesprochen, um ihn zur Eile anzutreiben oder ihn dazu zu bringen, mir einen Teil der kopierten Dokumente anzuvertrauen. Doch er lehnte immer ab. Diese Verzögerungen waren bitter für mich, aber ich schien wenig machen zu können. Er wollte mir nicht verraten, wo sich die Unterlagen und Karten befanden, und ich hatte auch nicht das Gefühl, daß ein offener Diebstahl Erfolg haben könnte.
Wurden die Papiere einfach gestohlen, konnten die Anderen mühelos ihre Pläne ändern. Ich mußte mir immer wieder vor Augen führen, daß Caprus ein alter Agent der Priesterkönige war, daß sogar Misk in den höchsten Tönen von ihm gesprochen hatte. Ich mußte Caprus vertrauen.
Ich wollte ihm vertrauen. Doch gegen meine Wut konnte ich nichts machen. Wir saßen im großen Saal des Hauses Cernus. Phyllis vollführte gerade den Gürteltanz mit einem Krieger. Musik schrillte durch die Halle. Neben mir schaufelte sich Ho-Tu Brei in den Mund, während Cernus wie üblich in ein Spiel mit Caprus vertieft war.
Ho-Tu deutete mit dem Löffel auf das Mädchen. »Sie ist nicht schlecht.«
Ich nickte und blickte auf die Tanzfläche. Phyllis Robertson, in eine kurze Sklaventunika gekleidet, wälzte sich vor ihrem Tanzpartner auf dem Boden.
»Sura leistet wirklich gute Arbeit mit ihr«, sagte Ho-Tu. Ich verfolgte den Tanz, in dem es um die Unterwerfung des Mädchens unter den Willen des Kriegers geht. Doch schon wurde meine Aufmerksamkeit wieder abgelenkt.
»Ich schlage Heimstein«, sagte Cernus zu Caprus, der hilflos die Hände ausbreitete und seine Niederlage anerkannte.
Mit mächtigem Trommelwirbel und Rasseln der Zimbeln ging der Tanz zu Ende.
Ich bemerkte Sura, die sich im Hintergrund hielt. Sie aß natürlich nicht in diesem Raum, denn sie war eine Sklavin.
Ich weiß nicht, wie lange sie schon dortgestanden hatte.
Cernus hatte das Ende des Tanzes verfolgt. Er blickte zu Ho-Tu, der ihm zunickte.
»Gebt ihr einen Kuchen«, sagte Cernus.
Einer der Männer warf Phyllis ein Stück Kuchen zu, das sie geschickt auffing. Dann eilte sie aus dem Raum. Ho-Tu wandte sich an Sura. »Sie macht sich gut«, sagte er. Sura warf den Kopf zurück. »Morgen arbeiten wir noch daran!« Ich nahm einen tiefen Schluck verdünnten Ka-la-na-Wein. In den vergangenen Monaten war ich den verschiedensten Tätigkeiten nachgegangen. Während der Rennsaison war ich öfter in das Stadion gegangen und hatte bei mehreren Gelegenheiten auch den kleinen Tarnzüchter Mip wieder getroffen, mit dem ich öfter essen gegangen war. Mehrfach hatten wir auch wieder Renntarns seines Stalls ausgeflogen. Er hatte mir sogar im leeren Rennstadion verschiedene Tricks gezeigt, die bei einem Rennen wichtig sind. Er schien viel davon zu verstehen, zweifellos wegen seiner Verbindung zu den Grünen. Ich lernte die idealen Bögen zum Durchfliegen der Kurven, die Techniken des Ausweichens und Blockierens, wobei man andere zwingen kann, einen Ring zu verfehlen oder an seinen Rand zu stoßen.
Das Rennen konnte so gefährlich und grausam sein wie die Spiele im Stadion der Klingen, wo Menschen gegen Menschen oder Ungeheuer antraten und oft bis zum Tode kämpften. Bei den Rennen, wenn die Reiter durch die Ringe drängten und um die Vormachtstellung kämpften, setzten sie manchmal die Tarnstäbe gegeneinander ein oder versuchten die Sicherheitsgurte der Konkurrenten durchzuschneiden. Mehr als Einmal war ein Mann erstochen worden, als die Vögel massiert vor den Eckringen um Durchgang und Position kämpften.
Öfters war ich auch in den Capacischen Bädern gewesen, manchmal nach den Rennen, um zu sehen, ob Nela frei war. Die kräftige kleine Schwimmerin gefiel mir immer mehr, und das Gefühl schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Auch schien das Mädchen alles zu erfahren, was sich in Ar tat. Die Spiele im Stadion der Klingen gingen mit dem Monat Se'Kara zu Ende, einen Monat nach der Rennsaison. Ich besuchte diese Spiele nur einmal und stellte dabei fest, daß mir das blutrünstige Spektakel nicht gefiel. Um den Einwohnern Ars nicht unrecht zu tun, möchte ich darauf Hinweisen, daß auch bei ihnen die Beteiligung und das Interesse an den Rennen weitaus größer war.
Die Spiele möchte ich nur andeutungsweise beschreiben. Sie geben mir wenig; es fließt mir zuviel Blut. Kämpfe werden arrangiert zwischen einzelnen bewaffneten Kämpfern oder zwischen Gruppen. Im allgemeinen nehmen Krieger an solchen Kämpfen nicht teil, sondern nur Angehörige niederer Kasten, Sklaven, verurteilte Kriminelle und dergleichen. Einige sind natürlich recht geschickt im Umgang mit der Waffe ihrer Wahl und können sich daher durchaus mit manchem Krieger messen. Die Menge sieht gern die verschiedenen Waffen gegeneinander antreten und ergötzt sich an den unterschiedlichen Kampfstilen. Keule und Kurzschwert sind vielleicht am beliebtesten, doch wenn man die Spiele drei oder vier Tage lang verfolgt, bekommt man auch fast jede andere denkbare Waffe zu sehen. Eine andere gern benutzte Kombination ist wie bei den überlieferten Spielen in Rom das Netz und der Dreizack. Gewöhnlich stammen die Anhänger dieser Waffen von der Küste oder von den Inseln des fernen Thassa, der See. Manchmal müssen Männer mit Helmen zum Kampf antreten, durch die sie ihre Gegner nicht sehen können. Oft müssen Sklaven bis zum Tode ringen oder sich mit nagelbesetzten Handschuhen verprügeln. Zuweilen müssen sich Sklavenmädchen gegen Sklavenmädchen zur Wehr setzen, womöglich mit Stahlklauen, die ihnen an den Fingern befestigt werden.
Zuweilen werden auch mehrere bewaffnete Mädchen gegen einen einzelnen Mann oder eine kleine Gruppe von Männern geschickt. Auch werden gern Tiere in das Stadion der Klingen gescheucht, und Kämpfe zwischen halbverhungerten und wütend gemachten Tieren sind an der Tagesordnung; manchmal bekämpfen diese Bestien andere Bestien ihrer Art, manchmal aber auch mehrere bewaffnete Männer oder Sklavenmädchen; manchmal werden zum Ergötzen des Publikums den Tieren Sklaven oder Verbrecher zum Fraß vorgeworfen. Die Ausbildung von Sklaven und Verbrechern für diese Kämpfe und der Erwerb und das Training der entsprechenden Tiere ist in Ar ein einträgliches Geschäft; es gibt Trainingsschulen für Menschen und Gehege, in denen die Tiere, auf Expeditionen gefangen und nach Ar gebracht, auf die unnatürliche Situation des Stadions vorbereitet werden, damit sie auch wirklich im entscheidenden Moment ihren Tötungsinstinkt entwickeln. Von Zeit zu Zeit – in diesem Jahr war das im Monat Se'Kara geschehen – wird die Arena überflutet, und ein Seekampf findet statt. Das Wasser wird dann mit allerlei unangenehmen Seetieren gefüllt, mit Wassertharlarions, Voskschildkröten und neunkiemigen goreanischen Haien, die in Tanks auf Flußbarken den Vosk heraufgebracht und später mit Wagen weitertransportiert werden.
Die Spiele und die Rennen sind in Ar beliebt, doch wie ich bereits andeutete, interessiert sich der Durchschnittsbürger mehr für die Rennen. Die Anhänger dieser beiden Spektakel, obwohl sie sich In ihrem Fanatismus nicht nachstehen, unterscheiden sich doch erheblich in ihrer Zusammensetzung.