Ich paßte auf. Es war nicht schlecht, aber ich hatte die zehnte Methode lieber, wobei das Mädchen mit dem Rücken an der Tür entlangstreicht.
»Wie viele Methoden gibt es denn überhaupt?«
»Das ist je nach der Stadt unterschiedlich«, sagte Elizabeth. »In Ar sind wir führend – wir haben einhundertvier Methoden.«
Ich pfiff durch die Zähne und fragte: »Und was ist, wenn man einfach hindurchgeht?«
Elizabeth starrte mich an. »Hm«, meinte sie, »also einhundertfünf.«
Ein Großteil der Ausbildung galt häuslichen Verrichtungen. Eine gut ausgebildete Sklavin muß auch die Pflichten eines gewöhnlichen Turmsklaven versehen können, also schneidern und waschen und verschiedene Materialien und Gegenstände säubern können, sie muß vor allem eine Vielzahl von Mahlzeiten zubereiten können – von der groben Kost des Kriegers bis zu exotischen und meinem Gaumen fast ungenießbaren Mahlzeiten. Elizabeth brachte ihre Arbeiten oft mit ins Quartier, und es gab manchen Abend, da ich sehnsüchtig an das einfache Essen am Tisch des Cernus dachte oder gern eine Schale Brei gegessen hätte, wie Ho-Tu sie zu sich nahm.
Zum Glück wurde Elizabeth aber auch in einer Anzahl von Dingen ausgebildet, die ich für angemessen hielt – so lernte sie zahlreiche Tänze, Dutzende von Liedern und – eine unglaubliche Anzahl von Liebkosungen.
Meine eigenen Pflichten im Hause des Cernus waren während dieser Monate kaum nennenswert; gelegentlich mußte ich den Hausherrn begleiten, wenn er – was selten geschah – das Haus verließ. In der Stadt reiste Cernus in einer Sänfte, die von acht Männern getragen wurde. Das Gehäuse dieser Sänfte war völlig geschlossen und unter der gelbseidenen Außenhülle metallverstärkt.
Der Abend, da Phyllis Robertson während des Essens ihren Gürteltanz vorführte, war der letzte Abend der Elften Passage-Hand, einen Monat vor dem goreanischen Jahreswechsel. Die Ausbildung der Mädchen war in den letzten Monaten abgerundet worden und würde mit dem Abschluß der Zwölften Passage-Hand zu Ende gehen. Viele Häuser hätten die Mädchen dann im En'Kara, im ersten Monat des neuen Jahres, verkauft, doch Cernus wollte, wie ich gehört hatte, bis zum Liebesfest warten, das erst im Spätsommer stattfand. Für diese Entscheidung gab es eine Reihe von Gründen – von denen als erster die Preise zu nennen waren, die beim Liebesfest erzielt werden konnten. Dann war da die Tatsache, daß Cernus die Attraktion von Barbarensklaven auf dem Markt steigern wollte; soweit ich wußte, verfügte sein Haus inzwischen über hundert bis hundertfünfzig solcher Sklavinnen. Ich hatte Cernus nicht immer zu den Rendezvous begleitet, doch meines Wissens war inzwischen das Schiff der Anderen noch sechs- oder siebenmal in den Voltai- Bergen gelandet und hatte neue Fracht gebracht. Die Verzögerung im Verkauf würde den ausgestreuten Gerüchten über die Qualitäten der Barbarenmädchen Nahrung geben und das Interesse der Käufer anstacheln.
Phyllis hatte ihren Tanz längst beendet, und es war spät geworden, doch Cernus blieb lange an seiner Tafel und spielte mit Caprus ein Spiel nach dem anderen.
Einmal hob er lauschend den Kopf. Von draußen hörten wir das Sausen von Tarnflügeln, das bald wieder verklang. Er lächelte und konzentrierte sich wieder auf sein Spiel. Später vernahmen wir das Trappen marschierender Füße und das Klirren von Waffen draußen auf der Straße.
Kurz darauf sprang die Tür zum Saal auf, und vier Wächter eilten herein.
Die beiden ersten Krieger schleppten zwischen sich einen beleibten Mann in einer losen Robe, die ihn als Angehörigen der Metallarbeiter auswies. Doch das war nur eine Verkleidung.
»Portus!« flüsterte Ho-Tu.
»Kastenhilfe!« schrie Portus, befreite sich von den Wächtern, stolperte vorwärts und fiel vor der Holzplattform des Cernus auf die Knie.
Cernus starrte ungerührt auf sein Spiel.
»Kastenschutz!« flehte Portus.
Die Sklavenhändler gehören übrigens der Kaste der Kaufleute an, wenn auch ihre Roben unterschiedlich sind. Viele Sklavenhändler halten sich für eine unabhängige Kaste, was nach dem goreanischen Gesetz jedoch nicht zutrifft.
Wieder flehte Portus um den Schutz der Kaste.
»Störe das Spiel nicht«, fuhr Caprus ihn an.
Es kam mir unglaublich vor, daß Portus im Hause des Cernus Zuflucht suchte, denn es hatte zwischen den beiden Kaufleuten viel böses Blut gegeben.
»Sie haben meinen Besitz beschlagnahmt!« rief Portus. »Du hast nichts zu befürchten! Ich habe kein Geld mehr! Ich habe keine Leute!
Tarnkämpfer! Soldaten! Mit Fackeln und Seilen sind sie gekommen! Ich bin knapp mit dem Leben entkommen. Mein Haus wird vom Staat beschlagnahmt!«
Cernus hob die Hand, als wollte er seinen Ubar ziehen.
»Nur du in Ar kannst mich schützen!« fuhr Portus fort. »Ich überlasse dir den ganzen Markt der Stadt! Ich will nur mein Leben! Kastenschutz!«
Cernus lächelte Caprus zu und machte unerwartet einen anderen Zug.
Der Schriftgelehrte betrachtete das Brett einen Augenblick, lachte kurz auf und legte seinen Ubar um, zum Zeichen der Aufgabe.
»Ich war dein Feind«, sagte Portus, »doch jetzt bin ich nichts. Nur ein Kastenbruder, ein Niemand. Ich erflehe von dir Kastenschutz.«
Caprus blickte auf und musterte den Bittsteller. »Was war dein Verbrechen?« fragte er.
Portus rang die Hände und schwenkte heftig den Kopf. »Ich weiß es nicht!« rief er. »Ich weiß es nicht!«
»Legt ihn in Ketten«, befahl Cernus, »und bringt ihn in den Zylinder des Minus Tentius Hinrabius.«
Portus flehte um Gnade, doch zwei Wächter zerrten ihn fort.
Cernus erhob sich hinter dem Tisch. Er sah mich an und lächelte. »Ende En'Var«, sagte er, »bin ich Ubar von Ar, das laß dir gesagt sein, Attentäter.«
Und er verließ den Tisch.
Ho-Tu und ich sahen uns ratlos an.
14
Kaum einen Monat nach dem Niedergang des Hauses Portus war Cernus der unbestrittene Herr des Sklavenhandels in Ar. Er hatte vom Staat die Gebäude und das Personal seines Konkurrenten übernommen – zu lächerlichen Beträgen.
Ich hatte nun erwartet, daß die Preise für Sklaven ansteigen würden, doch Cernus ließ das nicht zu, sondern unterbot weiterhin seine wenigen verbleibenden Konkurrenten. Dies wurde in der Stadt allgemein als Großzügigkeit Cernus' gefeiert.
Wegen seiner Dienste für den Staat, einschließlich der Finanzierung von Rennen und Spielen, wurde Cernus auf Betreiben des Saphronicus, Anführer der Taurentianer, mit der roten Robe eines Kriegers ausgezeichnet und somit in eine Hohe Kaste erhoben. Ich glaube nicht, daß der hinrabische Administrator diesen Schritt sehr begrüßte, doch es fehlte ihm der Mut, sich den Wünschen der Taurentianer und der Stadt im allgemeinen zu widersetzen. Der Hohe Rat stimmte der Erhebung ohne Einwände zu. Daß er nun der Kaste der Krieger angehörte, bewirkte bei Cernus keinerlei Änderung, außer daß er nun einen roten Seidenstreifen am linken Ärmel trug. Ich wußte, daß der Sklavenhändler seit Jahren an den Waffen ausgebildet worden war und sogar das erste Schwert in seinem Hause führte. Er hatte zahlreiche fähige Kämpfer angeworben, die ihn trainierten – nicht nur weil er seinen Mann stehen wollte, sondern weil er sicherlich schon seit langem die Hoffnung nährte, zum Krieger erhoben zu werden. Als Angehöriger dieser Kaste konnte er nun endlich in den Hohen Rat der Stadt und sogar auf den Thron gewählt werden. Cernus feierte seine Erhebung, indem er die ersten Spiele und Rennen der neuen Saison finanzierte, die im En'Kara begannen.
Es war ein langer und kalter Winter gewesen, und die ganze Stadt freute sich auf den ersten Monat des neuen Jahres. Doch zunächst waren noch die fünf Tage der Wartenden Hand zu überwinden, die letzten fünf Tage im alten Jahr. Die Portale der Stadt wurden weiß gestrichen und bei Angehörigen der niederen Kasten sogar mit Pech verschlossen, damit sie erst im neuen Jahr wieder geöffnet werden konnten. Während der Wartenden Hand liegen die Straßen fast verlassen da, und in den Häusern wird viel gefastet, wenig gesprochen und überhaupt nicht gesungen. Sogar im Haus des Cernus wurden die Rationen halbiert, und Paga und Ka-la-na kamen nicht auf die Tische. Die Sklaven in den Gehegen bekamen fast nichts. Beim Morgengrauen des ersten Tages – En'Kara begrüßt der Administrator der Stadt die Sonne, heißt sie am ersten Tage des neuen Jahres in Ar willkommen. Die großen Metallstangen über den Wänden der Stadt werden dann über eine Ahn lang geläutet, die Türen in der Stadt springen auf und die Menschen drängen in die Straßen hinaus, auf die unzähligen Brücken, singend und lachend und in ihre schönsten Sachen ; gekleidet. Die Türrahmen werden grün angestrichen, das Pech wird abgewaschen. Prozessionen finden statt und Liederfeste und Turniere und Spiele und Dichterlesungen und Wettbewerbe und Ausstellungen. Wenn auf den Brücken die Laternen angezündet werden, kehren die Menschen singend nach Hause zurück, kleine Lampen in den Händen. Sogar die Sklaven in den Gehegen erhalten an diesem Tag einen kleinen Kuchen mit Öl und bekommen mit Paga vermischtes Wasser zu trinken. Am nächsten Tag sollten die Rennen und Spiele beginnen, die vom Hause des Cernus finanziert wurden.