O Liebe! Bin ich's selbst, der mit Sophien redet?
Bist du Sophie?
Sophie bittend.
Alcest!
Alcest.
Bist du's?
Sophie.
Ihr Vorwurf tötet
Mein armes Herz. Alcest! Mein Freund, ich bitte Sie!
Ich muß, ich muß hinweg!
Alcest.
Unzärtliche Sophie!
Verlassen Sie mich, nur! — In diesem Augenblicke,
Dacht ich, ist sie allein. Ich segnete mein Glücke.
Nun, hofft ich, redet sie ein zärtlich Wort mit dir.
O gehn Sie! Gehn Sie nur! — In diesem Zimmer hier
Entdeckte mir Sophie zuerst die schönsten Flammen,
Hier schloß sich unsre Brust zum erstenmal zusammen;
An eben diesem Platz — erinnerst du dich noch? —
Schwurst du mir ewge Treu!
Sophie.
O schonen Sie mich doch!
Alcest.
Ein schöner Abend war's — ich werd ihn nie vergessen!
Dein Auge redete, und ich, ich ward vermessen.
Mit Zittern botst du mir die heißen Lippen dar.
Mein Herze fühlt es noch, wie sehr ich glücklich war.
Da hattest du nicht Zeit, was sonst als mich zu denken,
Und jetzo willst du mir nicht eine Stunde schenken?
Du siehst, ich suche dich, du siehst, ich bin betrübt —
Geh nur, du falsches Herz, du hast mich nie geliebt!
Sophie.
Ich bin geplagt genug, willst du mich auch noch plagen?
Sophie dich nicht geliebt! Alcest, das darfst du sagen?
Du warst mein ganzer Wunsch, du warst mein höchstes Gut;
Für dich schlug dieses Herz, dir wallte dieses Blut.
Und dieses Herz, mein Freund, das du einst ganz besessen,
Kann nicht unzärtlich sein, es kann dich nicht vergessen.
Die Liebe widersteht der Zeit, die alles raubt,
Man hat nie recht geliebt, wenn man sie endlich glaubt.
Allein — Es kommt jemand.
Alcest.
Nein!
Sophie.
Es ist hier gefährlich.
Alcest.
Auch nicht ein einzig Wort. O es ist zubeschwerlich.
So geht's den ganzen Tag! Wie ist man nicht geplagt!
Schon vierzehn Tage hier, und dir kein Wort gesagt!
Ich weiß, du liebst mich noch, allein das wird mich töten.
Niemals sind wir allein, was unter uns zu reden;
Nicht einen Augenblick ist hier im Zimmer Ruh,
Bald ist der Vater da, dann kommt der Mann dazu.
Lang bleib ich dir nicht hier, das ist mir unerträglich.
Allein, Sophie, wer will, ist dem nicht alles möglich?
Sonst war dir nichts zu schwer, du halfest dir geschwind;
Ein Drach war eingewiegt, und hundert Augen blind.
O, wenn du wolltest —
Sophie.
Was?
Alcest.
Wenn du nur denken wolltest,
Daß du Alcesten nicht verzweifeln machen solltest!
Geliebte, suche dir doch nur Gelegenheit
Zur Unterredung auf, die dieser Ort verbeut.
O höre, heute nacht! dein Mann geht aus dem Hause,
Man glaubt, ich gehe selbst zu einem Fastnachtsschmause;
Allein, das Hintertor ist meiner Treppe nah —
Es merkt's kein Mensch im Haus und ich bin wieder da.
Den Schlüssel hab ich hier, und willst du mir erlauben —
Sophie.
Alcest, ich wundre mich —
Alcest.
Und ich, ich soll es glauben,
Daß du kein hartes Herz, kein falsches Mädchen bist?
Du schlägst das Mittel aus, das uns noch übrig ist.
Wir kennen uns ja schon; was brauchst du dich zu schämen?
Wär etwas anders da, ich wollte das nicht nehmen.
Allein genug: heut nacht, Sophie, besuch ich dich.
Doch kommt dir's sichrer vor, so komm, besuche mich!
Sophie.
Alcest, das ist zu viel!
Alcest.
Zu viel! O, schön gesprochen!
Verflucht! zu viel! zu viel! Verderb ich meine Wochen
Hier so umsonst? — Verdammt! was hält mich dieser Ort,
Wenn mich Sophie nicht hält? Ich gehe morgen fort.
Sophie.
Geliebter! Bester!
Alcest.
Nein, du siehst, du kennst mein Leiden,
Und du erbarmst dich nicht. Ich will dich ewig meiden!
Sechster Auftritt
Vorige. Der Wirt.
Alcest geht in der Stube auf und nieder. Sophie steht unentschlossen da. Der Wirt kommt mit einem Briefe.
Wirt.
Da ist ein Brief; er muß von jemand Hohes sein;
Das Siegel ist sehr groß, und das Papier ist fein.
Alcest nimmt den Brief und reißt ihn auf.
Wirt.
In Stücken das Couvert, nur um geschwind zu wissen.
Alcest der den Brief kaum angesehen hat.
Ich werde morgen früh von hier verreisen müssen.
Die Rechnung!
Wirt.
So geschwind! In dieser schlimmen Zeit
Verreisen? Dieser Brief ist wohl von Wichtigkeit?
Dürft ich mich unterstehn und Ihro Gnaden fragen?
Alcest.
Nein!
Wirt heimlich zu Sophien.
Frag ihn doch einmal, gewiß, dir wird er's sagen.
Er geht an den Tisch im Fond, schlägt in seinen Büchern nach, und schreibt die Rechnung.
Sophie zärtlich.
Alcest, ist es gewiß?
Alcest weggewendet.
Das schmeichelnde Gesicht!
Sophie.
Alcest, ich bitte dich, verlaß Sophien nicht!
Alcest.
Nun gut, entschließe dich, mich heute nacht zu sehen.
Sophie vor sich.
Was soll, was kann ich tun? Er darf, er darf nicht gehen;
Er ist mein einzger Trost, ich tue, was ich kann.
Alcest.
Nun, Liebste?
Sophie.
Doch mein Mann —
Alcest.
Der Henker hol den Mann!
Nun, willst du?
Sophie.
Ob ich will?
Alcest.
Nun?
Sophie.
Ich will zu dir kommen.
Alcest.
Herr Wirt, ich reise nicht!
Wirt hervortretend.
So!
Zu Sophien.
Hast du was vernommen?
Sophie.
Er will nichts sagen.
Wirt.
Nichts?
Siebenter Auftritt
Die Vorigen. Söller.
Söller.
Mein Hut!
Sophie.
Da ist er. Hier!
Alcest.
Adieu, ich muß zum Schmaus.
Söller.
Ich wünsche viel Plaisir.
Alcest faßt Sophien bei der Hand.
Adieu, scharmante Frau!
Söller vor sich.
Der Kerl wird täglich kühner.
Alcest zum Wirt.
Ein Licht! Ich muß hinauf.
Sophie.
Adieu, Alcest!
Wirt begleitet ihn.
Ihr Diener.
Alcest.
Sie bleiben!
Wirt.
Gnädger Herr —
Alcest.
Herr Wirt, nicht einen Schritt!
Er geht ab.