Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Die Wirtsstube.
Der Wirt im Schlafrocke, in dem Sessel hinter dem Tisch, worauf ein bald abgebrannt Licht, Kaffeezeug, Pfeifen und die Zeitungen. Nach den ersten Versen steht er auf und zieht sich in diesem Auftritt und dem Anfang des folgenden an.
Es steht mit Polen jetzt nicht eben allzugut!
Allein ich passe drauf, was noch der Russe tut.
Greift er's nur weislich an, so kann er nicht verlieren,
Und er ist Kerls genug, den Türken abzuführen,
Kommt er nur recht in Schuß, da tobt er wie ein Bär.
Ich wüßte, was ich tät, wenn ich der Russe wär;
Ich zög vor das Serail, und ohne viel zu fragen,
Schickt ich den Großsultan ein wenig Zobeljagen.
Krieg ich ihn nicht, den Brief, so komm ich nicht zur Ruh.
Es ging wahrhaftig nicht mit rechten Dingen zu!
Unmöglich scheint es mir, das Rätsel aufzulösen:
Wenn man was Böses tut, fürcht man sich vor dem Bösen.
Es war nicht mein Beruf, drum kam die Furcht mich an;
Und doch für einen Wirt ist es nicht wohlgetan,
Zu zittern, wenn's im Haus rumort und geht und knistert;
Denn mit Gespenstern sind die Diebe nah verschwistert.
Es war kein Mensch zu Haus, nicht Söller, nicht Alcest;
Der Kellner konnt's nicht sein, die Mägde schliefen fest.
Doch halt! — In aller Früh, so zwischen drei und viere,
Hört ich ein leis Geräusch, es ging Sophiens Türe.
Sie war vielleicht wohl selbst der Geist, vor dem ich floh.
Es war ein Weibertritt, Sophie geht eben so.
Was tat sie denn wohl da? — Man weiß, wie's Weiber machen;
Sie visitieren gern und sehn der Fremden Sachen
Und ihre Wäsche gern. Hätt ich nur dran gedacht,
Ich hätte sie erschreckt und dann sie ausgelacht.
Sie hätte mit gesucht, der Brief wär nun gefunden;
Jetzt ist die schöne Zeit so ungebraucht verschwunden.
Verflucht! Zur rechten Zeit fällt einem nie was ein,
Und was man Gutes denkt, kommt meist erst hinterdrein.
Zweiter Auftritt
Der Wirt. Sophie.
Sophie.
Mein Vater, denken Sie! —
Wirt.
Nicht einmal guten Morgen?
Sophie.
Verzeihen Sie; mein Kopf schwillt von ganz andern Sorgen.
Wirt.
Warum?
Sophie.
Alcestens Geld, das er erst kurz empfing, Ist miteinander fort.
Wirt.
Fort! das verfluchte Ding
Um's Königs Pharao!
Sophie.
Nicht doch, es ist gestohlen!
Wirt.
Wie?
Sophie.
Ei, vom Zimmer weg!
Wirt.
Den soll der Henker holen,
Den Dieb! Wer ist's? Geschwind!
Sophie.
Wer's wüßte!
Wirt.
Hier im Haus?
Sophie.
Ja, von Alcestens Tisch, aus der Schatull heraus.
Wirt.
Und wann?
Sophie.
Heut nacht!
Wirt vor sich.
Das ist für meiner Neugier Sünden!
Die Schuld kommt noch auf mich, man wird den Wachsstock finden.
Sophie vor sich.
Er ist bestürzt und murrt, hat er's wohl selbst getan?
Im Zimmer war er nun, der Wachsstock klagt ihn an.
Wirt vor sich.
Hat es Sophie wohl selbst? Verflucht! das wär noch schlimmer!
Sie wollte gestern Geld, und war heut nacht im Zimmer.
Laut.
Das ist ein dummer Streich! Gib acht! der tut uns weh;
Wohlfeil und sicher sein ist unsre Renommee.
Sophie.
Wie's ihm ein Schaden ist, so ist's auch uns ein Schaden;
Es wird am Ende doch dem Gastwirt aufgeladen.
Wirt.
Ja, und es ist ein Ding, für das er gar nichts kann;
Ist Diebsgesind im Haus, wer ist's? Weiß er es dann?
Es ist ein arger Streich!
Sophie.
Es schlägt mich gänzlich nieder.
Wirt vor sich.
Aha, es wird ihr bang.
Laut, etwas verdrießlich.
Ich wollt', er hätt es wieder!
Ich wär recht froh.
Sophie vor sich.
Schon gut, die Reue kommt ihm ein.
Laut.
Und wenn er's wieder hat, so mag der Täter sein,
Wer will; man sagt's ihm nicht, und ihn bekümmert's weiter
Auch nicht.
Wirt vor sich.
Wenn sie's nicht hat, bin ich ein Bärenhäuter!
Laut.
Du bist ein gutes Kind, und mein Vertraun zu dir —
Wart nur!
Er geht, nach der Türe zu sehen.
Sophie vor sich.
Gebt acht, er kommt und offenbart sich mir!
Wirt.
Ich kenne dich, Sophie; du pflegtest nie zu lügen.
Sophie.
Eh hab ich aller Welt als Ihnen was verschwiegen.
Drum hoff' ich diesesmal auch zu verdienen —
Wirt.
Schön!
Du bist mein Kind; und was geschehn ist, ist geschehn.
Sophie.
Papa, ich nehm's gewiß nicht strenger, als Sie's nehmen.
Wirt.
Es ist was Menschliches; nichts um sich viel zu schämen.
Daß du im Zimmer warst, das weiß kein Mensch als ich.
Sophie erschrocken.
Sie wissen?
Wirt lächelnd.
Ich war drin, du kamst, ich hörte dich;
Ich wußt nicht, wer es war, und lief, als käm der Teufel.
Sophie vor sich.
Ja, ja, er hat das Geld! Nun ist es außer Zweifel.
Wirt.
Erst jetzo fiel mir ein, ich hört dich heute früh.
Sophie.
Und was vortrefflich ist, es denkt kein Mensch an Sie.
Ich fand den Wachsstock —
Wirt.
Du?
Sophie.
Ich!
Wirt.
Schön, bei meinem Leben!
Nun sag, wie machen wir's, daß wir's ihm wiedergeben?
Sophie.
Sie sagen:»Herr Alcest! verschonen Sie mein Haus;
Das Geld ist wieder da, ich hab den Dieb heraus.
Sie wissen selbst, wie leicht Gelegenheit verführet;
Doch kaum war es entwandt, so war er schon gerühret,
Bekannt und gab es mir. Da haben Sie's! Verzeihn
Sie ihm!«— Gewiß, Alcest wird gern zufrieden sein.
Wirt.
So was zu fädeln, hast du eine seltne Gabe.
Sophie.
Ja, bringen Sie's ihm so!
Wirt.
Gleich! wenn ich's nur erst habe.
Sophie.
Sie haben's nicht?
Wirt.
Eh nein! Wo hätt' ich es denn her?
Sophie.
Woher?
Wirt.
Nun ja! Woher? Gabst du mir's denn?
Sophie.
Und wer
Hat's denn?
Wirt.
Wer's hat!
Sophie.
Jawohl! wenn Sie's nicht haben?
Wirt.
Possen!
Sophie.
Wo taten Sie's denn hin?
Wirt.