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Liz keuchte vor Anstrengung. Ihre Kräfte ließen nach. Liz spürte, daß sie mit jeder Sekunde schwächer wurde. Was sie im Moment tat, war, mit jenen Berserker-Kräften zu kämpfen, die jeder Mensch nur einmal im Leben entwickeln konnte und für die er meistens auch damit bezahlte. Sie mußte den Kampf beenden. Jetzt gleich.

Rücksichtslos warf sie sich vor. Andys Hand kam hoch, das Messer beschrieb einen engen Bogen und zielte auf Liz'Augen, die andere Hand war zur Faust geballt und versuchte ihren Magen zu treffen.

Liz nahm den Fausthieb hin, schlug das Messer beiseite und versuchte Andy abermals aus den Gleichgewicht zubringen. Es gelang ihr nicht ganz. Andy taumelte, aber ihre Hand krallte sich in Liz' Bluse und zerfetzte Stoff und Haut;gleichzeitig stieß sie abermals mit dem Messer zu. Sie schien nicht einmal zu spüren, daß ihr Handgelenk gebrochen war. Vielleicht gab es so etwas wie Knochen in ihrem Leib nicht mehr. Und diesmal kam Liz' Bewegung zu spät. Die Messerklinge schrammte über ihren Arm, fügte ihr einen häßlichen blutenden Schnitt zu und traf ihre linke Körperseite. Sie spürte keinen Schmerz.

Sie konnte fühlen, in aller Deutlichkeit fühlen, wie der Stahl ihre Haut spaltete, sich durch Fleisch und Muskeln wühlte, gegen eine ihrer Rippen traf und daran abprallte, tiefer nach unten, fort vom Herzen, statt darauf zu, sie konnte fühlen, wie Blut aus der Wunde quoll, mehr Blut, als Andy die Klinge mit einem Ruck her auszog und die Wunde dabei noch weiter aufriß, und eigentlich sollte jetzt ein entsetzlicher Schmerz kommen und alles auslöschen, aber er kam nicht.

Statt dessen sah sie, wie ihre Hand sich nach unten bewegte, die Andys packte und ihr mit unglaublicher Kraft die Waffe entrang. Wie eine unbeteiligte Zuschauerin, die nun auch keine Gewalt mehr über ihren Körper hatte, sah sie, wie sich ihre linke Hand in Andys entstelltes Gesicht krallte und nach den Augen tastete, ihren Kopf so weit zurückbog, daß ihr Genick eigentlich hätte brechen müssen, wie die andere, rot von ihrem eigenen Blut, nach oben fuhr - und das Messer bis ans Heft von unten her in Andys Hals stieß.

Aus dem wütenden Kreischen des Mädchens würde ein Seufzen. Sie erschlaffte in Liz' Griff, taumelte zurück. Ihre Hände sanken herab, hoben sich noch einmal, während sie bereits in die Knie brach, und klammerten sich um den Messergriff. Dann fiel sie zur Seite.

Liz taumelte haltlos gegen den Wagen. Tot, dachte sie benommen. Andy war tot. Sie hatte das Mädchen umgebracht. Sie fühlte kaum Schrecken, höchstens so etwas wie Verwunderung, wie leicht es war, einen Menschen zu töten.

Dann wurde ihr schwarz vor Augen. Sie versuchte sich festzuhalten, aber ihr Körper wog mit einem Male Tonnen. Ihre Knie gaben nach. Langsam sackte sie vollends nach vorne, preßte stöhnend die Hand gegen die Seite und fühlte Blut in einem warmen, pulsierenden Strom zwischen ihren Fingern hindurch quellen. Sie hatte noch immer keine Schmerzen, sondern fühlte sich nur ein wenig benommen. Aber sie wußte mit unumstößlicher Sicherheit, daß sie sterben würde. Sie brauchte sich den Kopf nicht mehr darüber zu zerbrechen, wie sie den Wagen kurzschließen sollte. Andys Messer hatte das Problem für sie gelöst.

Aber da war noch etwas, was sie tun mußte. Wenn ihr Zeit genug dazu blieb. Sie stemmte sich hoch, griff mit zusammengebissenen Zähnen nach der Wagentür und zog sich daran in die Höhe. Das Gehen fiel ihr plötzlich erstaunlich leicht, und der tödliche Schmerz in ihrer Seite, auf den sie wartete, kam noch immer nicht. Ein paar Minuten, dachte sie, wenn es so etwas wie einen Gott gibt, gib mir noch ein paar Minuten, ich flehe dich an.

Etwas Warmes, Feuchtes berührte ihr Bein. Liz schrie auf und sah an sich herab, auf eine neue Scheußlichkeit gefaßt, die ihr schleimiger Freund aus dem See geschickt hatte.

Es war Peter. Irgendein verborgener Selbstverteidigungsmechanismus in Liz' Gehirn hatte bisher dafür gesorgt, daß sie ihn einfach vergessen hatte - ihn und vor allem das, was Andy mit ihm getan hatte! - aber ihr Fuß hatte den Arm berührt, und seine blutige Hand hatte sich um ihren Knöchel geschlossen wie eine sterbende Spinne. Ganz instinktiv versuchte sie ihren Fuß loszureißen, aber Peters Griff war zu fest. Liz zerrte mit aller Macht, aber Peters Finger krallten sich wie ein eiserner Korb um ihre Fessel. Standen jetzt schon die Toten auf seiner Seite?

Liz wimmerte leise vor Ekel und Furcht, als sie sich in die Hocke sinken ließ. Sie streckte die Hand aus, versuchte seine Finger zu packen und ihren Griff zu lösen und hätte es fast nicht geschafft. Dann stieß Peter ein leises Stöhnen aus, und Liz' Angst machte einer ebenso tiefen Erschütterung Platz. Er lebte. Nach allem, was Andy mit ihm gemacht hatte, lebte er noch immer!

Fast behutsam griff sie nach seiner Hand, löste seine Finger von ihrem Bein und kniete neben ihm nieder. Peter stöhnte erneut, als sie seinen Kopf auf ihren Schoß bettete und die Hand auf seine Stirn legte. Seine Haut war heiß und trocken wie Sandpapier und, wo sie nicht von Blut bedeckt war, so rot, als wäre sie verbrannt. Seine Augen standen offen, aber Liz bezweifelte, daß er sie erkannte. Sein Blick war trüb. Gott, was sollte sie nur tun! Da war nichts, absolut nichts, was sie für ihn tun konnte, außer vielleicht Andys Messer nehmen und seinen Leiden ein Ende bereiten. Aber ganz abgesehen davon, daß das bedeutet hätte, zu der Toten hinüberzukriechen und das Messer aus ihrem Schädel zu ziehen - unmöglich! -, konnte sie es nicht.

Peter stöhnte wieder, und dann, ganz plötzlich, klärte sich sein Blick. Ein wimmernder Schmerz laut kam über seine Lippen, und ein bißchen Blut. Er versuchte die Hand zu heben, aber seine Kraft reichte nicht mehr.

»Bewegen Sie sich nicht, Peter«, sagte Liz. »Keine Angst. Es wird... wird alles wieder gut. Ich werde Hilfe holen.« Das war ein solcher Unsinn, daß sie beinahe schrill aufgelacht hätte, und selbst Peter in seinem Zustand mußte es wissen.

Aber er reagierte auf die Worte; oder zumindest auf den beruhigenden Klang ihrer Stimme. Er versuchte nicht mehr, sich zu bewegen. Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, und er war anklagend und flehend zugleich. Warum hatte sie nur nicht die Kraft, ihn zu töten? Aus tränen erfüllten Augen blickte sie auf das herab, was Andy - seine Tochter, seine eigene Tochter - mit seinem Gesicht gemacht hatte.

Warum sie es getan hatte? Die Antwort war einfach: das DING im See war kein Kostverächter. Sie, Liz, war noch immer die Hauptmahlzeit, aber einen kleinen Appetithappen zwischendurch verachtete es nicht, wie es bei Ohlsberg bewiesen hatte.

»Bitte...«

Es dauerte einen Moment, bis Liz begriff, daß Peter zusprechen versuchte. Sie zögerte. Dann beugte sie sich vor und brachte ihr Ohr ganz dicht an Peters Mund herab. Heißer, nach Blut und Tod riechender Atem streifte ihr Gesicht. »Bitte, Liz«, flüsterte Peter. »Bitte nicht... nicht Andy.«

Liz verstand nicht. Vielleicht gab es auch nichts zu verstehen. Es waren die letzten Worte eines Sterbenden, der vor Schmerz längst den Verstand verloren haben mußte. »Was... was meinen Sie, Peter?« fragte sie leise.

Heyning stöhnte. Ein entsetzlicher Krampf packte seinen Körper und schüttelte ihn. Der Blutstrom aus seinem Mund wurde stärker. Er starb. Endlich.