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»O doch, er kann«, schluchzte Heyning. »Ich weiß das.«

Liz schüttelte ärgerlich den Kopf. »Vielleicht hätte er es früher einmal gekonnt«, sagte sie schärfer, als notwendig gewesen wäre. »Er hat Ihnen bloß eingeredet, daß er es kann, um Sie dazu zu zwingen, ihm zu gehorchen. Andy ist vierzehn, sagen Sie?« Heyning nickte stumm. Eine einzelne Träne lief über seine Wangen und glitzerte hell im Sonnenlicht.

»Und Sie sind ihr leiblicher Vater, ob Sie nun mit ihrer Mutter verheiratet waren oder nicht, stimmt das?«

»Na ... natürlich«, stammelte Peter.

»Können Sie das beweisen?«

»Beweisen?«

»Ich meine, gibt es ein Stammbuch, eine Geburtsurkünde ... irgendein amtliches Papier, auf dem Ihr Name als der des Vaters angegeben ist?« O Gott, warum war es nur so schwer? Warum mußte sie ihm jede noch so winzige Selbstverständlichkeit aus der Nase ziehen? Aber dann begriff sie, daß gerade das der Grund war, aus dem Ohlsberg solche Macht über ihn hatte. Er war nun einmal so. Vielleicht, dachte sie schaudernd, hatten Ohlsberg und die anderen ihn so gemacht, in langer, mühevoller Arbeit. Ihr Zorn auf den Alten wuchs so sehr, daß es jetzt fast weh tat.

Heyning nickte erneut. Er schien etwas sagen zu wollen, aber Liz ließ ihn gar nicht zu Worte kommen. »Dann kann er nichts tun«, fuhr sie fort. »Kein Gericht der Welt kann Sie daran hindern, Ihr Kind zu sich zu nehmen. Wäre sie noch ein Säugling, sähe die Sache anders aus. Aber so...«

»Aber ich kann nicht für sie sorgen!« fuhr ihr Heyning ins Wort.

»O doch. Sie können, Peter. Das Haus ist groß genug, und Sie werden genügend verdienen, um Ihre Tochter ernähren und zur Schule schicken zu können. Zur Not kann sie mir ein bißchen im Haushalt helfen und etwas dazuverdienen. Sie ist alt genug dazu.«

Für einen Moment - für einen unendlich kurzen Moment nur - blitzte so etwas wie Hoffnung in Peters Augen auf. Aber wirklich nur für einen Moment. Danach machte sich die bekannte Resignation wieder in seinem Blick breit. Da war... noch etwas, dachte Liz. Etwas, das er ihr noch nicht verraten hatte. Es war nicht so einfach. Ohlsberg wäre nicht Ohlsberg, wenn es so einfach gewesen wäre. Da war noch mehr. Heyning verzog gequält das Gesicht. »Sie... Sie verstehen nicht, Ma'am«, sagte er stockend. »Andy ist... ist nicht wie die anderen Kinder.«

Liz runzelte die Stirn. »Was heißt das?«

»Sie ist... anders. Sie ist... ein Kind, verstehen Sie?« Er tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn und senkte erneut den Blick. »Da oben, jedenfalls. Sie ist fast erwachsen und schon so groß wie ich, aber sie ist ein kleines Kind geblieben, im Kopf.«

Liz brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was Heyning mit seinen Worten ausdrücken wollte. »Sie meinen, Andy wäre... behindert?« fragte sie vorsichtig, »geistig behindert?« War das Ohlsbergs Geheimnis? Lächerlich!

Heyning nickte. »Herr Ohlsberg sagte, sie müsse in ein Heim. Ein Pflegeheim irgendwo in der Stadt. Weit weg von hier. Ich ... ich würde sie nie wieder sehen können. Und ich weiß, daß er seine Drohung wahr machen wird. Ich hätte es Ihnen nicht sagen dürfen.«

Ganz impulsiv wollte sie lachen, aber dann tat sie es doch nicht. Es war lächerlich - für sie, für Stefan, für alle anderen. Aber nicht für Peter. Woher sollte er es auch anders wissen? Sie schwieg einen Moment, ließ dann den Wagen an und fuhr los. »Sie werden Ihrem Mann davon erzählen?« sagte Heyning nach einer Weile. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Vermutlich war schon der Gedanke, daß sie Stefan nichts davon erzählen könnte, für ihn unvorstellbar.

»Fällt mir nicht ein«, antwortete Liz. »Ich werde es ihm nicht sagen. Irgendwann wird er es erfahren, aber bestimmt nicht von mir.« Sie drehte den Kopf und sah ihn an. Der Fahrtwind spielte mit ihrem Haar. »Vielleicht erzählen Sie es ihm eines Tages selbst. Sie werden sehen, er frißt Sie nicht auf.

Ohlsberg hat Sie gezwungen, bei uns zu arbeiten«, fügte sie plötzlich hinzu. »Warum?«

Heyning antwortete nicht, sondern starrte weiter stumm zu Boden.

»Was genau hat er von Ihnen verlangt?« bohrte Liz weiter.

»Ich - ich soll auf alles achten, was Sie tun«, berichtete Heyning stockend. »Alles, was Sie machen. Ob Sie das Haus verändern, das Land. Ob Sie... er will einfach alles wissen.«

»Und warum?«

»Das weiß ich nicht. Aber er hat gesagt, daß ich auf alle sachten soll, auch auf Kleinigkeiten. Und er würde von Zeit zu Zeit kommen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Dann sollte ich ihm alles sagen.«

Liz lachte leise. »Es gibt bei uns nichts zu spionieren, Peter«, sagte sie. »Wir leben dort draußen, das ist alles. Aber Sie können Ohlsberg ruhig erzählen, was Sie sehen. Wir haben keine Geheimnisse. Auch nicht vor Herrn Ohlsberg.«

7.

Sie hatte mit ihrer Vermutung recht gehabt. Stefan war mehr als wütend, als sie zurück kam. Er kochte.

Er erwartete sie vor dem Haus, in jener angespannten, beinahe schon verkrampften Haltung, die sie nur zu gut an ihm kannte und die er wohl als einziger für gelassen hielt, und sein Gesicht verfinsterte sich zusehends, als er die zweite Gestalt auf dem Beifahrersitz bemerkte. Liz warf einen raschen Blick nach rechts: Auch Peter hatte Stefan bemerkt, und auch ihm entging nicht, daß er alles andere als guter Laune war. Wie viele einfache Gemüter (Liz scheute selbst in Gedanken davor zurück, das Wort Beschränkte zu gebrauchen, obwohl es sicherlich zutraf) schien er sehr sensibel zu sein, was Stimmungen anging. Liz biß sich auf die Lippen. Ganz instinktiv fuhr sie die letzten Meter langsamer, als nötig gewesen wäre. Für einen Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als über telepathische Kräfte zu verfügen - ein einziges, falsches Wort von Stefan, und der kleine Erfolg, den sie errungen hatte, würde sich in einen um so größeren Rückschlag verwandeln. Sie warf Stefan einen fast flehenden Blick zu, als sie den Wagen zum Stehen brachte und den Motor abstellte. Aber sie war sich nicht sicher, daßer ihn bemerkte. Und wenn, ob er darauf reagieren würde.

Wenigstens polterte er nicht sofort los. Ohne ein Wort öffnete er die Wagentür, half ihr beim Aussteigen und nickte Heyning knapp zu, und Liz begann schon beinahe zu hoffen, daß er ihren Blick bemerkt und richtig gedeutet hatte. Aber schon seine ersten Worte belehrten sie eines Besseren.

»Ich hätte mir denken können, daß deine Sturheit die Oberhand behält«, sagte er mit schlecht unterdrückter Wut in der Stimme, als sie den Kofferraum öffnete und Heynings Gepäck her ausnahm. Er machte keine Anstalten, ihr dabei zu helfen, obwohl er sehen mußte, daß die beiden Koffer sehr schwer waren. Auch Peter rührte sich nicht, sondern stand einfach nur da, reglos und mit Augen, die dunkel vor furchtsamer Erwartung waren. Sein Blick huschte unstet zwischen ihr und Stefan hin und her. Er hatte Angst.

»So?« gab sie gereizt zurück. »Warum bist du nicht gefahren, wenn du doch wußtest, wohin ich will?« Sie warf den Kopf in den Nacken und funkelte ihn wütend an. Die Erinnerung an die entsetzliche Amok-Fahrt stieg wie eine Welle von Übelkeit in ihr hoch und schürte ihren Zorn noch. »Warst du schon einmal dort draußen, nachts?« zischte sie. Ihre Worte taten ihr im gleichen Moment schon wieder leid, noch bevor sie das verwunderte Auf blitzen in Stefans Augen sah, aber es war zu spät.

»Nachts?« wiederholte er verwirrt. Aber er hatte doch selbst gesagt, sie solle sich beeilen, weil es gleich dunkel würde!

»Unsinn«, sagte Liz hastig. Ihre Stimme kam ihr selbst ein bißchen zu schrill vor; beinahe hysterisch. Sie zog eine Grimasse, machte eine wütende Handbewegung und deutete auf die schäbigen Koffer. »Hilf uns lieber, das Gepäck hineinzubringen«, verlangte sie. Stefans einzige Reaktion bestand aus einem raschen, abfälligen Schürzen der Lippen und einem kalten Lächeln. Erstand reglos daneben und sah mit vor der Brust verschränkten Armen zu, wie der kleine, schmächtige Heyning sich die viel zu schweren Gepäckstücke auf lud und auf das Haus zuwankte. Nun, dachte Liz in einem schwachen Versuch, sich zu beruhigen - immerhin hatte er sie all die Kilometer hierher getragen, ohne unter der Last zusammenzubrechen.