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Poirot konnte – natürlich! – der Verlockung nicht widerstehen, eine kleine Rede zu halten.

«Mesdames, Messieurs! Sie wissen, weshalb wir uns hier versammelt haben. Die Polizei tut alles Menschenmögliche, um diesen Verbrecher zu fassen. Das tue auch ich, auf meine Weise. Aber ich glaube, dass einem Zusammenschluss aller, die ein persönliches Interesse an der Sache haben – und außerdem die Opfer persönlich sehr gut kannten –, Erfolge beschieden sein könnten, die eine rein sachliche und äußerliche Untersuchung niemals zu zeitigen vermag.

Wir stehen also drei Morden gegenüber – dem an einer alten Frau, dem an einem jungen Mädchen und dem an einem älteren Herrn. Nur eines verbindet diese drei Personen: die Tatsache, dass sie von ein und derselben Hand getötet wurden. Das heißt: dass ein Mensch an drei verschiedenen Schauplätzen anwesend gewesen sein muss und demzufolge unweigerlich von vielen Leuten gesehen worden ist. Dass dieser Mensch ein Wahnsinniger ist, brauche ich wohl nicht zu betonen. Dass seine Erscheinung und sein Benehmen das nicht vermuten lassen, ist ebenfalls einleuchtend. Dieser Mensch – und wenn ich von ihm dauernd per ‹er› spreche, so heißt das keineswegs, dass es sich nicht um eine Frau handeln könnte – besitzt die teuflische Schlauheit des Geistesgestörten. Bis jetzt ist es ihm gelungen, seine Spuren restlos zu verwischen. Die Polizei verfolgt wohl verschiedene Hinweise, aber eine wirkliche Basis, gegen den Täter vorzugehen, hat auch sie noch nicht gefunden.

Nichtsdestoweniger muss es Anhaltspunkte geben, die nicht vage, sondern sehr greifbar sind. Zum Beispieclass="underline" Der Mörder kann unmöglich um Mitternacht in Bexhill angekommen sein und am Strand, wie gewünscht, eine junge Dame, deren Name mit B begann, angetroffen haben…»

«Müssen wir darüber sprechen?»

Es war Donald Fraser, der diese Frage stellte – aus dem diese Worte, wie einer inneren Angst abgerungen, hervorbrachen.

«Wir müssen notwendigerweise über alles sprechen, Monsieur», antwortete Poirot ihm. «Sie sind nicht hier, um klaren Gedankengängen auszuweichen, wenn sie Ihr Gefühl verletzen, sondern um jede kleinste Einzelheit noch und noch zu erörtern, die uns der Lösung aller Fragen näher bringen kann. Wie ich also vorhin sagte: Es kann nicht ausschließlich Glück gewesen sein, dass ABC Betty Barnard traf. Diesem ‹Zufall› muss klare Planung und damit Vorbedacht nachgeholfen haben. Das heißt: ABC muss sein Jagdgefilde vorher ausgekundschaftet haben. Über gewisse Gegebenheiten – die günstigste Stunde für den Mord in Andover, das Zusammentreffen mit dem Opfer in Bexhill und die täglichen Gewohnheiten Sir Carmichael Clarkes in Churston – muss ABC sich vorher unterrichtet haben. Ich für meine Person lehne es ab, daran zu glauben, dass keinerlei Hinweis, nicht die leiseste Spur vorhanden sein sollten, die uns helfen könnten, die Identität dieses Fremden festzustellen.

Ich behaupte, dass niemand von Ihnen – oder vielleicht jeder einzelne – etwas weiß, von dem er nicht weiß, dass er es weiß! Früher oder später wird irgendeine Kleinigkeit ans Tageslicht kommen, die durch einen unablässigen Gedankenaustausch plötzlich eine Bedeutung erhält, von der wir alle nicht zu träumen wagten. Das ist wie bei einem Puzzle: Vielleicht hält jeder von Ihnen ein Stückchen in der Hand, das vollkommen sinnlos und nirgends passend scheint, das aber, vereint mit anderen, das Bild erst klar hervortreten lässt.»

«Leere Worte!», sagte Megan Barnard.

«Eh?» Poirot sah sie fragend an.

«Was Sie eben sagten, sind leere Worte, die gar keinen Sinn ergeben.»

Das äußerte sie mit jener entschlossenen, finsteren Intensität, die sich für mich bereits unlöslich mit ihrer Person verbunden hatte.

«Worte, Mademoiselle, sind lediglich die äußere Umhüllung von Gedanken.»

«Ich halte diese Worte gar nicht für sinnlos, Miss», warf Mary Drower hier ein. «Bestimmt nicht. Es ist doch oft so, dass man etwas besprechen muss, bevor man seinen Weg klar sieht. Miteinander reden bringt vielleicht doch etwas Licht in die Sache.»

«Dann wollen wir uns also hier an das Gegenteil von ‹Schweigen ist Gold› halten», bemerkte Clarke.

«Was sagen Sie dazu, Mr. Fraser?»

«Ich zweifle am praktischen Wert Ihres Vorschlags, Monsieur Poirot.»

«Und Sie, Thora?», fragte Franklin Clarke.

«Ich finde die Anregung zu gegenseitiger Aussprache sehr vernünftig.»

«Dann schlage ich vor», übernahm Poirot wieder die Führung des Gesprächs, «dass Sie sich alle an die Zeit unmittelbar vor den Morden zu erinnern versuchen. Vielleicht fangen Sie an, Mr. Clarke.»

«Warten Sie. Am Morgen des Tages, an dem Car ermordet wurde, ging ich segeln. Fing acht Makrelen. Wunderschön in der Bucht draußen. Mittags aß ich zu Hause. Irish-Stew, daran erinnere ich mich noch genau. Schlief dann in der Hängematte. Tee. Schrieb einige Briefe, verpasste den Postboten und fuhr nach Paignton, um sie aufzugeben. Abendessen und nachher – ich schäme mich dieses Eingeständnisses nicht! – las ich mal wieder ein Buch von E. Nesbit, das ich schon als Kind gern gelesen hatte. Dann, als das Telefon klingelte…»

«Das genügt. Nun denken Sie bitte nach, Mr. Clarke, ob Sie auf Ihrem Weg zur See hinunter jemanden getroffen haben.»

«Eine ganze Menge Leute.»

«Können Sie sich an irgendetwas im Zusammenhang mit ihnen erinnern?»

«Nein, an überhaupt nichts.»

«Sind Sie ganz sicher?»

«Moment… Nun, ich erinnere mich an eine auffällig dicke Frau – sie trug ein gestreiftes Seidenkleid, und ich fragte mich, warum sie das tat –, sie hatte zwei Kinder bei sich… Dann waren zwei junge Männer am Strand, die mit einem Foxterrier spielten. Ja, richtig! Ein Mädchen mit hellblonden Haaren, das quietschte, als es ins Wasser stieg… Merkwürdig, was einem alles einfällt, wenn man so zurückdenkt… wie eine fotografische Platte, die man langsam entwickelt…»

«Sie sind ein wundervolles Versuchsobjekt! Nun, und später, im Garten, auf dem Weg zur Post?»

«Der Gärtner spritzte die Blumenbeete… Auf dem Weg zur Post?… Ja, da rannte ich beinahe eine Radfahrerin um, eine dumme Frau, die hin und her wackelte, während sie einer Freundin etwas zurief… Das ist alles – leider.»

«Und Sie, Miss Grey?»

Thora Grey antwortete klar und entschlossen.

«Ich erledigte morgens mit Sir Carmichael die Post. Sonst sah ich nur die Haushälterin. Nachmittags schrieb ich Briefe und stickte ein wenig. Ich glaube wenigstens. Es ist schwer, sich zu erinnern. Es war ein ganz normaler Tag. Ich ging früh zu Bett.»

Zu meiner Überraschung stellte Poirot keine weiteren Fragen an sie.

«Miss Barnard. – können Sie sich an das letzte Mal erinnern, da Sie Ihre Schwester sahen?»

«Das war ungefähr vierzehn Tage vor ihrem Tod. Ich war übers Wochenende zu Hause. Es war strahlend schönes Wetter. Wir gingen zusammen ins Schwimmbad nach Hastings.»

«Worüber unterhielten Sie sich hauptsächlich?»

«Ich sagte ihr meine Meinung.»

«Und sonst? Wovon sprach sie?»

Das Mädchen runzelte nachdenklich die Stirn.

«Sie redete davon, dass sie knapp bei Kasse sei – von einem Hut und zwei Sommerkleidern, die sie eben gekauft habe. Und ein wenig von Don… Sie bemerkte auch, dass sie Milly Higley nicht riechen könne – das ist das Mädchen aus dem Café –, und dann machten wir uns eine Weile über die Merrion lustig, die Geschäftsführerin des Cafés… mehr fällt mir nicht ein…»

«Sie erwähnte nicht vielleicht einen Mann – entschuldigen Sie, Mr. Fraser! –, den sie treffen wollte?»

«Mir gegenüber ganz bestimmt nicht», bemerkte Megan trocken. Poirot wandte sich dem jungen, rothaarigen Mann mit der eckigen Wangenlinie zu.