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«Im Zusammenhang mit Churston?»

«Nein, nicht Churston… Früher… Nun, einerlei, es wird mir sicher wieder einfallen…»

Er sah mich an – (Vielleicht hatte ich nicht mit der letzten Aufmerksamkeit zugehört!) –, lachte und begann wieder das Soldatenlied zu summen.

«Sie ist ein Engel, nicht wahr? Aus Eden – via Schweden.»

«Poirot! Der Teufel soll Sie holen!» 

20

 Es lag ein Hauch von tiefer, lastender Melancholie über Combside, als wir es zum zweiten Male sahen. Dieser Eindruck war zum Teil bestimmt dem Wetter zuzuschreiben – einem feuchten Septembertag, der bereits den Herbst ahnen ließ – und dann natürlich dem seltsam halb verschlossenen Zustand des Hauses. Die Räume des Erdgeschosses waren zugesperrt, ihre Fensterläden verriegelt, und das kleine Zimmer, in das wir geführt wurden, roch dumpf nach abgestandener Luft.

Eine stattliche Krankenschwester trat kurz darauf energisch ein, wobei sie ihre gestärkten Manschetten herunterzog.

«Monsieur Poirot? – Ich bin Schwester Capstick. Mr. Clarke hat mir geschrieben, dass Sie kommen werden.»

Poirot erkundigte sich nach dem Befinden Lady Clarkes.

«Es geht ihr halbwegs – den Umständen entsprechend.»

«Den Umständen entsprechend» hieß wahrscheinlich: angesichts der Unheilbarkeit ihrer Krankheit.

«Eine Besserung ist natürlich nicht mehr zu erwarten, aber gewisse neue Heilmittel verschaffen ihr doch eine erhebliche Erleichterung. Dr. Logan ist sehr zufrieden mit ihrem Zustand.»

«Aber ist es wirklich so, dass sie sich nie mehr wird erholen können?»

«Nun, das kann man nie mit Bestimmtheit sagen», wich Schwester Capstick dieser klaren Frage sichtlich gereizt aus.

«Der Tod ihres Mannes muss ein schwerer Schlag für sie gewesen sein.»

«Ja, sehen Sie, Monsieur Poirot, es war für sie wohl weniger arg als für einen Menschen, der im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte gewesen wäre – wenn Sie verstehen, wie ich es meine… In ihrem jetzigen Zustand sind die Dinge für Lady Clarke immer leicht verschleiert.»

«Entschuldigen Sie die Frage – aber war Lady Clarke ihrem Gatten herzlich zugetan und er ihr?»

«O ja, sie waren ein sehr glückliches Paar. Er war tief bekümmert und in Sorge um seine Frau, der arme Mann. Für einen Mediziner ist das immer besonders schlimm, wissen Sie. Ein Arzt kann sich nicht an falschen Hoffnungen aufrichten. Ich glaube, am Anfang hat ihn ihre Krankheit fast zu Boden gedrückt.»

«Am Anfang? Und später nicht mehr?»

«Man gewöhnt sich an alles, nicht wahr? Und dann hatte Sir Carmichael ja seine Sammlung. Ein Steckenpferd ist ein großer Trost für einen Mann. Er fuhr oft zu Auktionen, und in letzter Zeit hat er mit Miss Grey sein Museum nach einem ganz neuen System katalogisiert und umgestellt.»

«Ja, richtig – Miss Grey. Sie ist fortgegangen, nicht wahr?»

«Ja, und mir tut das leid. Aber Frauen bilden sich manchmal solche Dinge ein, besonders wenn sie krank sind, und da hilft kein Zureden und Begütigen. Das Klügste ist, ihnen nachzugeben. Miss Grey hat sich sehr vernünftig benommen.»

«Hatte Lady Clarke schon immer eine Abneigung gegen sie?»

«Nein – Abneigung kann man nicht sagen. Tatsächlich mochte sie sie zunächst sogar recht gut leiden… Aber ich sollte nicht so lange mit Ihnen schwatzen. Meine Patientin wird sich wundern, wo wir alle bleiben.»

Sie führte uns in den oberen Stock. Aus einem ehemaligen Schlafzimmer war ein helles, freundliches Wohnzimmer gemacht worden.

Lady Clarke saß beim Fenster in einem Lehnstuhl. Sie war unsäglich mager, und ihr Gesicht hatte den grauen, zerrütteten Ausdruck eines Menschen, der viel Schmerzen leidet. Der Blick ihrer Augen schien von weither zu kommen, und es lag Verträumtheit in ihm. Mir fiel auf, wie winzig klein ihre Pupillen waren.

«Das ist Monsieur Poirot, den Sie zu sehen wünschten», verkündete Schwester Capstick laut und fröhlich.

«Monsieur Poirot? Ach ja», flüsterte Lady Clarke.

Sie streckte die Hand aus.

«Mein Freund, Lady Clarke – Captain Hastings.»

«Guten Tag. Zu liebenswürdig, dass Sie beide gekommen sind.»

Eine ziellose Gebärde forderte uns zum Sitzen auf. Stille. Lady Clarke schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Doch dann raffte sie sich auf.

«Sie kommen wegen Car, nicht wahr? Wegen Cars Tod. Ja, ich weiß…»

Sie seufzte und schüttelte dann geistesabwesend den Kopf. «Wir haben nie daran gedacht, dass es so kommen könnte… Ich war sicher, dass ich zuerst würde gehen müssen…» Darüber dachte sie minutenlang nach. «Car war so stark, herrlich gesund für sein Alter. Nie war er krank. Er war nahezu sechzig und sah aus wie ein Fünfziger… Ja, sehr kräftig und gesund…»

Wieder versank sie in Träumen. Poirot, der die Wirkung gewisser Drogen ganz genau kannte und wusste, dass sie das Zeitgefühl dessen, der sie einnimmt, vollkommen verzerren, blieb stumm.

Plötzlich sprach Lady Clarke wieder.

«Doch, es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich habe mit Franklin darüber gesprochen, und er hat also nicht vergessen, es Ihnen auszurichten. Hoffentlich verliert Franklin nicht den Kopf… Er gerät so leicht außer sich, obwohl er die halbe Welt bereist hat. Männer sind so… Sie bleiben kleine Buben… Franklin ganz besonders.»

«Er ist ein impulsiver Mensch», stimmte Poirot ihr bei.

«Ja – ja… Und so ritterlich. Männer sind in dieser Hinsicht manchmal komisch. Sogar Car –» Sie brach ab und schüttelte mit einer fiebrigen Ungeduld den Kopf. «Es ist alles so verwischt. Der Körper wird eine Last, Monsieur Poirot, vor allem, wenn er Mittelpunkt geworden ist. Man denkt an nichts anderes mehr, ob man nun Schmerzen hat oder nicht, und nur diese leibliche Hülle ist einem wichtig.»

«Ich weiß, Lady Clarke. Das ist eine der Tragödien unseres Lebens.»

«Es macht mich so dumm! Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, was ich Ihnen eigentlich sagen wollte!»

«Hing es mit dem Tod Ihres Gatten zusammen?»

«Cars Tod? Ja, vielleicht… Armer Irrer – der Mörder. Das kommt vom Lärm und vom Tempo der heutigen Zeit – das halten die Menschen nicht aus. Mir haben Verrückte immer leid getan. Wie merkwürdig muss es in ihren Köpfen aussehen. Und dann ist Eingesperrtsein doch so entsetzlich. Aber was soll man sonst tun? Wenn sie Menschen umbringen…» Sie sah mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. «Sie konnten ihn noch nicht fassen, nicht wahr?»

«Nein.»

«Er war an jenem Tag bestimmt hier in der Nähe.»

«Es waren sehr viele Unbekannte in dieser Gegend, Lady Clarke. Ferienzeit.»

«Ja, das hatte ich vergessen… Aber diese Fremden halten sich doch hauptsächlich am Strand unten auf… nicht hier oben beim Haus.»

«Dem Haus hat sich an dem Tag auch niemand genähert.»

«Wer sagt das?», fragte Lady Clarke plötzlich scharf.

«Die Dienstboten. Miss Grey.»

Lady Clarke stellte laut und deutlich fest: «Dieses Mädchen ist eine Lügnerin!»

Ich wollte auffahren, aber Poirot nagelte mich mit seinen Blicken fest.

Lady Clarke sprach nun mit fieberhaftem Eifer weiter.

«Ich habe sie nicht leiden können. Nie. Car hielt sie für etwas ganz Besonderes. Redete dauernd davon, dass sie eine Waise sei und ganz allein in der Welt stehe. Was ist schon dabei, verwaist zu sein? Nur zu oft erweist sich das als großer Segen. Man könnte ja einen Taugenichts von Vater oder eine Mutter, die trinkt, auf seinen Lebensweg mitbekommen haben, und das wäre ein weit größerer Grund zum Klagen. Er betonte immer, wie tapfer sie sei und wie gut sie arbeite. Möglich, dass sie eine gute Sekretärin war – aber was hat das mit Tapferkeit zu tun?»

«Sie dürfen sich nicht aufregen», griff hier Schwester Capstick in die Unterhaltung ein. «Es ermüdet Sie zu sehr.»