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Poirot hielt seinen Kopf mit beiden Händen umklammert und wiegte den Oberkörper hin und her. Er murmelte so heftig vor sich hin, dass niemand im Zimmer etwas zu sagen wagte, sondern alle ihn wie gebannt anstarrten.

«Strümpfe…», murmelte er. «Strümpfe… Strümpfe… Strümpfe… ca vient!… Strümpfe… Da haben wir es! Vor drei Monaten… vor wenigen Tagen… und jetzt! Bon Dieu, das ist es!»

Er setzte sich auf und sah mich an.

«Erinnern Sie sich, Hastings? Das Geschäft… das Schlafzimmer im oberen Stock… und auf dem Stuhl? Ein Paar neue Seidenstrümpfe! Und jetzt weiß ich auch, was mir vor zwei Tagen durch den Kopf fuhr. Sie, Mademoiselle Megan, Sie sprachen davon, dass Ihre Mutter weinte, weil sie Ihrer Schwester ein Paar Strümpfe gekauft hatte… am Tag des Mordes…»

Er sah uns alle der Reihe nach an.

«Begreifen Sie? Da haben wir das Motiv, das sich dreimal wiederholte. Das kann kein Zufall sein. Während Mademoiselle sprach, fühlte ich, dass ihre Worte mit irgendetwas zusammenhingen, und jetzt weiß ich, mit was: mit den Worten von Mrs. Aschers Nachbarin, Mrs. Fowler. Dass dauernd Reisende kämen und einen belästigten mit Strümpfen und was weiß ich. Sagen Sie mir, Mademoiselle Megan, kaufte Ihre Mutter diese Strümpfe nicht an der Haustür von einem Hausierer?»

«Doch… doch, jetzt erinnere ich mich. Sie sagte, dass ihr diese armen Teufel immer leid täten, die so darauf angewiesen seien, etwas zu verkaufen.»

«Aber wo ist denn da der Zusammenhang?», rief Franklin Clarke. «Dass ein Mann Strümpfe verkaufen kam, beweist doch nicht das Geringste!»

«Ich sage euch, meine Freunde, dass dies keine Zufälle gewesen sein können. Drei Morde – und vor jedem tauchte ein Mann auf, der mit Strümpfen hausierte, wobei er vermutlich die Schauplätze seiner Verbrechen genau studierte.»

Er wandte sich jäh nach Thora Grey um.

«A vous la parol! Beschreiben Sie diesen Mann!»

Sie sah ihn verzweifelt an.

«Das kann ich nicht… Beschreiben! Ich wüsste nicht wie! Er trug eine Brille… soweit ich mich erinnere… und einen schäbigen Regenmantel…»

«Mieux que ca, Mademoiselle!»

«Er ging leicht vornübergeneigt… Ich weiß wirklich nicht mehr! Ich sah den Menschen kaum an. Es war ein gänzlich unauffälliger Mann… Ja, das war er…»

Poirot sah sich ernst im Kreise um.

«Mademoiselle hat Recht. Das ganze Geheimnis dieser Morde liegt in dieser Beschreibung… denn er war der Mörder, daran ist nicht zu zweifeln: ‹Ein vollkommen alltäglicher, unauffälliger Mensch!›…» 

22

Nicht von Hauptmann Hastings selbst erzählt

Mr. Alexander Bonaparte Cust saß reglos da. Sein Frühstück stand unangetastet vor ihm und war kalt geworden. Gegen den Teekrug hatte er eine Zeitung gelehnt, in der er mit fieberhaftem Interesse las.

Plötzlich sprang er auf, lief eine Weile im Zimmer hin und her und ließ sich dann wieder schwer auf seinen Stuhl fallen. Er vergrub den Kopf mit einem unterdrückten Stöhnen in den Händen. Er hörte nicht, dass die Tür aufging. Seine Wirtin, Mrs. Marbury, stand auf der Schwelle.

«Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht ein hübsches… Nanu, was ist denn los? Ist Ihnen nicht gut?»

Mr. Cust hob den Kopf.

«Nein, nein, es ist nichts, Mrs. Marbury. Mir ist heute früh ein wenig schwindlig.»

Mrs. Marbury sah das Frühstückstablett.

«Und gegessen haben Sie auch nichts! Haben Sie wieder Ihre Kopfschmerzen?»

«Nein. Oder doch… Ich weiß nicht, ich bin einfach ein bisschen durcheinander.»

«Das tut mir aber leid. Dann bleiben Sie also heute zu Hause, ja?»

Mr. Cust stand energisch auf.

«Nein, nein! Was denken Sie denn? Ich muss meinen Geschäften nachgehen – sehr wichtigen Geschäften.»

Seine Hände zitterten stark. Angesichts seiner Erregung versuchte Mrs. Marbury, ihn zu beruhigen.

«Nun, wenn es sein muss, dann müssen Sie eben gehen. Weit heute?»

«Nein, ich fahre nur nach –» Stocken. «Nach Cheltenham.»

Das murmelte er so leise und unsicher, dass Mrs. Marbury ihn verwundert ansah.

«Cheltenham ist eine nette Stadt», bemerkte sie. «Ich bin einmal von Bristol aus hinübergefahren. So hübsche Geschäfte gibt es dort.»

«Ja, hübsch – gewiss, ja.»

Mrs. Marbury bückte sich mühsam – Bücken entsprach ihrer Figur ganz und gar nicht – und hob die Zeitung auf, die zerknittert am Boden lag.

«Nichts als diese Mordsache steht in den Zeitungen», stellte sie missbilligend fest, nachdem sie gierig die Schlagzeilen verschlungen hatte. «Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut! Die Berichte kann ich schon gar nicht mehr lesen. Mir kommen diese Scheußlichkeiten vor wie seinerzeit die Geschichten über Jack the Ripper.»

Mr. Cust bewegte die Lippen, brachte aber kein Wort heraus.

«Und jetzt soll der nächste Mord in Doncaster stattfinden! Und noch dazu morgen!», fuhr Mrs. Marbury fort. «Es schaudert einen förmlich, nicht wahr? Wenn ich in Doncaster wohnen würde, und wenn mein Name ein D als Anfangsbuchstaben hätte, dann nähme ich den nächsten Zug und führe weg – jawohl! Ich würde nichts riskieren! Sagten Sie etwas, Mr. Cust?»

«Nein, nichts, Mrs. Marbury, nichts.»

«Er denkt wahrscheinlich, dass er bei den Rennen die größte Chance haben wird. Es sollen ja Hunderte von Polizisten aufgeboten worden sein und ihn… Mr. Cust, Sie sehen wirklich miserabel aus. Möchten Sie vielleicht einen Schnaps? Im Ernst – Sie sollten heute nicht auf Tour gehen!»

Mr. Cust riss sich zusammen.

«Ich muss, Mrs. Marbury. Bis jetzt bin ich immer pünktlich meinen – Verpflichtungen nachgekommen. Man muss – die Leute müssen Vertrauen zu einem haben, verstehen Sie? Wenn ich eine Aufgabe übernommen habe, dann führe ich sie auch durch. Nur so kann man vorwärts kommen… mit seinen Geschäften vorwärts kommen.»

«Schön, aber wenn Sie wirklich krank sind?»

«Ich bin nicht krank, Mrs. Marbury. Ich mache mir nur Sorgen über – verschiedene ganz persönliche Dinge. Und außerdem habe ich schlecht geschlafen, das ist aber auch alles.»

Sein Ton klang so bestimmt, dass Mrs. Marbury sich zögernd dazu entschloss, das Frühstückstablett zu nehmen und langsam aus dem Zimmer zu gehen.

Mr. Cust zog einen Koffer unter dem Bett hervor und begann zu packen. Pyjama, Toilettennessessär, Reservekragen und Lederpantoffeln. Dann schloss er einen Wandkasten auf, entnahm ihm eine Reihe von flachen Schachteln und tat sie ebenfalls in den Koffer.

Nachdem er den Fahrplan, der auf dem Tisch lag, konsultiert hatte, ergriff er den Koffer und verließ das Zimmer. Im Vorzimmer unten stellte er den Koffer wieder ab und schlüpfte in seinen Mantel. Während er den Hut aufsetzte, seufzte er tief auf, so tief, dass das junge Mädchen, das eben aus einer Tür trat, ihn besorgt ansah.

«Ist etwas nicht in Ordnung, Mr. Cust?»

«Nein, nein, Miss Lily.»

«Sie haben so abgrundtief aufgeseufzt!»

«Haben Sie jemals Vorahnungen, Miss Lily?», fragte Mr. Cust plötzlich.

«Ich glaube nicht… nicht dass ich wüsste… Natürlich hat man Tage, wo man spürt, dass alles schief gehen wird, und andere, da weiß man, dass einem alles gelingt…»

«Eben», sagte Mr. Cust und seufzte wieder.

«Also denn, auf Wiedersehen, Miss Lily. Leben Sie wohl. Sie waren immer sehr, sehr nett zu mir… alle.»

«Sie verabschieden sich ja so feierlich, als würden Sie nicht mehr zurückkommen», lachte Lily.

«Nein, nein. Natürlich komme ich zurück.»

«Also auf Wiedersehen am Freitag. Wohin fahren Sie diesmal? Wieder ans Meer irgendwohin?»