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»Wenn du gewinnst«, sagte Albrecht grinsend, »erhältst du heute abend ein Silberarmband und fünf Meter rote Seide.«

»Ich werde für dich gewinnen, Herr.«

Albrecht sah mich an. »Dieses Mädchen«, sagte er, »ist noch nie in weniger als zweiunddreißig Schlägen eingebracht worden.«

Ich bemerkte, wie Kamchak interessiert den Kopf hob, aber er sagte nichts.

Zu meiner Überraschung sah mich das Mädchen kühn an. »Ich wette«, sagte sie, »daß ich die Lanze erreiche.«

Ihre Offenheit verärgerte mich etwas.

»Ich halte dagegen«, sagte ich.

»Sie lachte. »Wenn ich gewinne, gibst du mir deine Bola, die ich dann meinem Herrn übergebe.«

»Einverstanden«, sagte ich. »Und wenn ich gewinne?«

»Das wirst du nicht«, erwiderte sie. »Aber wenn, gebe ich dir einen Goldring und eine Silberschale.«

»Wie ist es möglich, daß eine Sklavin solche Dinge besitzt?« wollte ich wissen.

Sie warf hochmütig den Kopf in den Nacken.

»Ich habe ihr oft Wertgegenstände geschenkt«, sagte Albrecht.

Ich vermutete, daß dieses Mädchen keine typische Sklavin war.

»Ich will deinen Ring und deine Schale nicht«, sagte ich.

»Was dann?«

»Wenn ich gewinne, möchte ich als Preis den Kuß eines unverschämten Mädchens!«

»Tuchuksleen!« fauchte sie mit blitzenden Augen.

Conrad und Albrecht lachten. Albrecht sagte zu dem Mädchen: »Ich bin einverstanden.«

»Also gut, Tharlarion!« sagte das Mädchen. »Deine Bola — gegen einen Kuß.« Ihre Schultern zitterten vor Wut. »Ich werde dir zeigen, wie ein Kassarmädchen laufen kann«

»Der Mut wollte mich verlassen. Ich erinnerte mich an Albrechts Bemerkung, daß dieses Mädchen noch nie unter zweiunddreißig Schlägen eingeholt worden war.

»Dann darf ich also annehmen«, sagte ich beiläufig zu Albrecht, »Daß die Kleine hier schon öfter gegen die Bola gelaufen ist.«

»Ja«, sagte Albrecht. »Das stimmt. Du hast vielleicht schon von ihr gehört. Es ist Dina aus Turia.« Conrad und Albrecht schlugen sich vor Vergnügen auf die Schenkel und lachten brüllend. Auch Kamchak fiel in das Gelächter ein; Tränen rannen ihm über das narbige Gesicht. Er deutete auf Conrad. »Schlauer Kassar!« lachte er. Das war ein Witz, da gewöhnlich die Tuchuks mit der Bezeichnung ›schlau‹ belegt wurden. Die Tuchuks und die Kassars mochten diesen Witz als lustig empfinden — ich wollte den Trick jedoch nicht so einfach hinnehmen. Wie geschickt waren wir hereingelegt worden! Wir hatten keine Ahnung gehabt, daß eines der beiden Mädchen Dina war, die natürlich nicht gegen den erfahrenen Kamchak, sondern gegen seinen ungeschickten Freund Tarl Cabot laufen sollte, der nicht einmal zu den Wagenvölkern gehörte! Conrad und Albrecht waren vielleicht sogar mit dieser Absicht ins Lager der Tuchuks gekommen. Was konnten sie auch verlieren? Bestenfalls hätten wir ein Unentschieden herausgeholt, falls Kamchak Conrad geschlagen hätte. Aber das war nicht eingetreten; dafür hatte das hübsche kleine turianische Mädchen gesorgt, das sich mit ihrem Biß übrigens in Lebensgefahr begeben hatte.

Auch Dina, in diesem Sport wohl die erfahrenste Sklavin überhaupt, hatte zu lachen begonnen, hing sich an den Steigbügel Albrechts und schaute zu ihm auf. Ich bemerkte, daß seine Kaiila halb über dem Peitschenkreis stand, in dem sich das Mädchen aufhielt. Sie hatte sich etwas hochgezogen, so daß ihre Füße nicht auf dem Boden standen, und hielt den Kopf an seinen Pelzstiefel gepreßt.

»Lauf«, sagte ich.

Sie stieß einen ärgerlichen kleinen Schrei aus, in den Albrecht einfiel, und Kamchak lachte. »Lauf, du Närrin!« brüllte Conrad. Das Mädchen ließ den Steigbügel los, und ihre Füße berührten den Boden. Sie war etwas aus dem Gleichgewicht, fing sich aber wieder und rannte mit ärgerlichem Ruf los. Durch mein überraschendes Startzeichen hatte ich vielleicht zehn oder fünfzehn Meter gewonnen.

Ich zog die Lederfessel aus meinem Gürtel und steckte sie zwischen die Zähne.

Ich begann die Bola zu schwingen.

Während ich die Bola langsam auf Geschwindigkeit brachte, ohne den Blick von dem Mädchen zu nehmen, wich Dina plötzlich vom geraden Kurs ab. Kaum fünf Meter vom Peitschenring entfernt, begann sie Ausweichmanöver durchzuführen, wobei sie natürlich die Richtung zur Lanze beibehielt. Das verwirrte mich. Sie hatte sich bestimmt nicht verschätzt. Während der Schiedsrichter laut weiterzählte, prägte ich mir ihre Taktik ein, zwei Haken nach links, gefolgt von einem weiten Schwenk nach rechts, um die Richtung zu korrigieren; zwei links, dann nach rechts; zwei links, dann wieder nach rechts.

»Fünfzehn!« rief der Schiedsrichter, und ich beugte mich vor und spornte meine Kaiila an. Ich ritt sofort in höchstem Tempo los, denn ich durfte keinen Schlag verlieren. Auch wenn ich Glück hatte und Albrechts Zeit erreichte, gehörte Elizabeth den Kassars, denn Conrad hatte Kamchak klar besiegt. Es ist natürlich gefährlich, ein hakenschlagendes Mädchen mit voller Geschwindigkeit anzureiten, denn es ist dann schwer, das Tier herumzureißen, sollte das Mädchen überraschend ausweichen. Aber ich konnte Dinas Lauf abschätzen, zwei nach links und einen Schwenk nach rechts; also lenkte ich die Kaiila mit vollem Tempo auf einen vorausberechneten Treffpunkt zwischen Dina und Bola zu. Die Primitivität ihres Laufes überraschte mich, und ich wunderte mich, wieso so ein Mädchen selten in weniger als zweiunddreißig Schlägen eingebracht worden war, wieso sie vierzigmal sogar die Lanze erreicht hatte.

Gleich wollte ich die Bola werfen, wenn sie den zweiten Haken nach links machte. Doch dann dachte ich an die Intelligenz, die aus ihren Augen geschimmert hatte, an ihre Zuversicht, und ich setzte alles auf eine Karte, auf den ersten Bruch ihres Zwei-links-einmal-rechts-Schemas, hoffte auf einen überraschenden Rechtshaken. Ich hörte ihren verblüfften Aufschrei, als sich die Bola um ihre Schenkel wickelte; blitzschnell riß ich meine Kaiila herum, fing das Mädchen im Fallen an den Haaren auf, zerrte sie hoch und begann sie zu fesseln, während ich mein Tier zurückrasen ließ, Sekundenbruchteile, ehe ich sie zu Füßen des Schiedsrichters in den Kreis fallen ließ, hatte ich die Knoten geschlossen.

»Zeit!« brüllte Kamchak.

Der Schiedsrichter blickte verblüfft auf, als könnte er dem Ergebnis nicht trauen. »Siebzehn«, flüsterte er.

Die Menge schwieg einen Augenblick und begann dann zu jubeln. Kamchak klopfte dem verwirrten Albrecht auf die Schulter.

Dina versuchte sich aus ihren Fesseln zu befreien, die jedoch vom Schiedsrichter gleich darauf anerkannt wurden.

Ich blickte auf Dina hinab, die sich zu meinen Füßen wand, und zerrte sie hoch. »Es sieht so aus, als könnte ich meine Bola behalten«, sagte ich.

Ich nahm das Mädchen in die Arme und kassierte nicht ohne Freude meinen Gewinn. Es lag nicht an ihrer anfänglichen Widerspenstigkeit, daß der Kuß länger ausfiel als beabsichtigt; es hatte mit der Wirkung zu tun, die unser Kontakt gegen ihren Willen auf Dina hatte. Mit verwirrtem Blick trat sie zurück.

Kamchak lachte, während Elizabeth mich zu meiner Verblüffung wütend ansah. Was war los mit ihr?

»Der Wettstreit endet unentschieden«, sagte Kamchak. »Die Punkte stehen gleich.«

»Einverstanden«, sagte Conrad.

»Nein«, sagte Albrecht. »Es muß einen Gewinner geben.«

»Ich bin heute schon genug geritten«, sagte Kamchak.

»Ich auch«, bemerkte Conrad. »Kehren wir zu den Wagen zurück.«

Albrecht deutete mit der Lanze auf mich. »Du bist herausgefordert. Lanze und Tospit. Lebendiges Ziel!«

Dieser Sport ist der gefährlichste überhaupt — der eigene Sklave muß für den Kämpfer stehen. Er oder sie hält dabei eine Tospitfrucht im Mund, die mit der Lanze aufgespießt werden muß. Schon mancher Sklave ist dabei schwer im Gesicht verletzt worden.

»Ich will nicht für ihn stehen!« rief Elizabeth Cardwell.

Aber sie konnte sich nicht dagegen wehren und bezog schließlich Position, seitlich zur Reitrichtung, die Tospit vorsichtig im Mund.

Elizabeth zeigte keine Furcht, wie ich erwartet hatte, sondern schien nur wütend zu sein. Sie rührte sich keinen Millimeter, als ich an ihr vorbeidonnerte und dabei die Tospit säuberlich aufspießte.

Das Mädchen, das in den Hals der Kaiila gebissen hatte, stand für Albrecht.

Mit fast verächtlicher Leichtigkeit galoppierte er an ihr vorbei.

»Drei Punkte für jeden!« verkündete der Schiedsrichter.

Albrecht rief: »Jetzt zur Lanzenspitze gewendet!«

»Ich will nicht mehr reiten«, sagte ich.

»Dann beanspruche ich den Sieg und die Frau!« brüllte Albrecht.

So blieb mir nichts anderes übrig, als zu reiten.

Elizabeth nahm etwa fünfzig Meter entfernt Aufstellung. Nun kam der schwierigste Lanzenstoß überhaupt. Der Reiter muß im entscheidenden Augenblick nicht nur die Frucht treffen, sondern seine Waffe auch mit der aufgespießten Tospit zurückziehen und um den Kopf der Sklavin herumschwingen lassen. Geschickt ausgeführt, ist es ein herrlicher Stoß. Doch von der Hand eines ungeschickten Reiters ist schon manche Sklavin entstellt oder gar getötet worden.

Ich hoffte, daß Elizabeth ohne Wunden davonkam. Die Kaiila kam schnell in Fahrt; ihr Galopp war gleichmäßig.

Die Menge brüllte auf, als ich an Elizabeth vorbeiraste, die Tospit auf der Lanzenspitze.

Krieger trommelten mit den Speeren gegen ihre lackierten Schilde. Männer brüllten.

Ich sah, wie Elizabeth zu schwanken begann, aber sie verlor das Bewußtsein nicht.

Albrecht von den Kassars senkte wütend die Lanze und galoppierte auf sein Mädchen zu. Eine Sekunde später war auch seine Lanzenspitze von einer Tospit gekrönt.

Das Mädchen hatte sich nicht von der Stelle gerührt und lächelte.

Die Menge bejubelte nun auch Albrecht.

Doch plötzlich wurde es still, denn der Schiedsrichter eilte zu Albrecht und bat um dessen Lanze. »Hier ist Blut an der Spitze«, sagte er.

»Ich habe sie nicht verletzt!« rief Albrecht

»Ich bin nicht verletzt!« rief das Mädchen.

Der Richter zeigte die Lanzenspitze herum. Ein winziger Blutfleck war an ihrer Spitze sichtbar, und auch die kleine grüne Frucht wies einen roten Striemen auf.

»öffne den Mund, Sklavin«, sagte der Richter.

Sie gehorchte nach anfänglichem Zögern, und der Richter entdeckte Blut in ihrem Mund. Das Mädchen hatte die Wunde zu verbergen versucht.

Mit einem kleinen Schreck wurde mir plötzlich klar, daß sie und Dina nun Kamchak und mir gehörten.

Lachend sprang Kamchak von seiner Kaiila und fesselte die beiden Mädchen.

»Ich weiß nicht, was wir mit all den Sklaven sollen«, sagte Elizabeth Cardwell. Sie sah mich mit zornblitzenden Augen an und wandte sich ab.

Kurze Zeit später ritten Kamchak und ich Seite an Seite zum Lager zurück, gefolgt von den drei Mädchen.

»Die Zeit des Kurzen Grases bricht an«, sagte Kamchak. »Morgen wenden sich unsere Herden in Richtung Turia.«

Ich nickte. Die Überwinterung war vorbei. Nun kam der dritte Abschnitt des Omenjahres, die Rückkehr nach Turia. Vielleicht erhielt ich jetzt Antwort auf die verschiedenen Fragen, die mich immer wieder beschäftigt hatten — auf die Frage nach dem Briefkragen, nach den seltsamen Begleitumständen dieser Sendung, nach dem goldenen Ei, dem letzten Ei der Priesterkönige.

»Ich nehme dich mit nach Turia«, sagte Kamchak.

»Gut«, erwiderte ich.

Die Überwinterung hatte mir Spaß gemacht, aber jetzt war sie vorbei. Bei Anbruch des Frühlings zogen die Bosks wieder nach Süden. Ich und die Wagen würden sie begleiten.