»Wie kommt es«, sagte ich, »daß ein Kaufmann aus Turia in Port Kar eine Kriegsgaleere unterhält?«
Saphrar lehnte sich auf seinen gelben Kissen zurück.
»Ich hatte nicht den Eindruck, daß Port Kar mit Binnenstädten freundschaftliche Beziehungen unterhält«, fuhr ich fort.
»Das trifft auch nicht zu«, sagte Saphrar achselzuckend. »Gold kennt eben keine Kaste.«
Ich aß ein Stück Fisch und spülte mit einem ordentlichen Schluck Paga nach. Saphrar beobachtete mich schaudernd.
Neben mir kratzte Kamchak seinen Teller leer, hielt ihn an den Mund und ließ das fantasievoll zubereitete Fleisch in seinen Mund gleiten.
Ich beobachtete Saphrar, der mit geschlossenen Augen ein zuckendes Etwas in den Mund schob.
»Saphrar aus der Kaste der Kaufleute hat die wahre Macht in Turia«, hatte mir Kamchak gesagt. Ich blickte den Tisch hinunter und musterte Kamras, die rechte Hand von Phanius Turmur, dem Administrator Turias. Er war ein großer starker Mann mit langem schwarzem Haar. Er saß wie ein Krieger. Er hatte von uns bisher noch keine Notiz genommen.
Kamchak und ich waren erst vor einigen Stunden in die neuntorige Stadt gekommen. Wir hatten einige Packkaiila mitgebracht. Auf diesen Tieren befanden sich Kisten mit kostbaren Schnitzereien und Juwelen, dazu Silbergefäße, Schmuck, Spiegel, Ringe, Kämme und goldene Tarnmünzen, die die Zeichen von einem Dutzend Städten trugen. Alles Geschenke für die Turianer, eine fast unverschämte Geste der Wagenvölker, die damit anzeigen wollten, wie unwichtig ihnen solche Dinge waren, so unwichtig, daß sie sie sogar den Turianern überließen. Turianische Besucher bei den Wagenvölkern, so selten sie kamen, versuchten diese Geschenke natürlich zu übertreffen. Kamchak hatte mir im Vertrauen gesagt, daß einige der Kostbarkeiten schon ein Dutzendmal hin und her gewandert waren. Nur eine kleine, flache Kiste wollte Kamchak den Dienern Phanius Turmus’ nicht überlassen, denen er am ersten Tor gegenübertrat. Er bestand darauf, den Behälter selbst zu tragen, der jetzt neben seinem rechten Knie am Tisch stand.
Mich freute dieser Besuch sehr, denn es interessiert mich immer, eine neue Stadt kennenzulernen.
Turia erfüllte meine Erwartungen. Es war eine Luxusstadt. Ihre Läden waren mit seltenen und interessanten Waren gefüllt. Ich roch unbekannte Gerüche. Mehr als einmal stießen wir auf Musikanten, die hintereinander die Straße entlangmarschierten und dabei spielten — wahrscheinlich waren sie unterwegs zu irgendeinem Fest. Freudig nahm ich wieder einmal die bunten Kastenfarben einer typischen goreanischen Stadt wahr, hörte zum erstenmal seit langer Zeit die altbekannten Rufe der Straßenverkäufer. Wir erregten kein Aufsehen, was mich zuerst verwunderte. Dann kam ich darauf, daß vermutlich Abgesandte der Wagenvölker jeden Frühling die Stadt aufsuchten. Wir wurden kaum beachtet, obwohl wir theoretisch Feinde Turias waren. Aber die Stadt war bisher noch nie besiegt worden; und seit über einem Jahrhundert hatte keine Belagerung mehr stattgefunden. Der Durchschnittsbürger machte sich also über die Wagenvölker keine Gedanken.
Ich ließ meinen Blick an den Tischen des Banketts entlangwandern, die wie ein Hufeisen angeordnet waren, so daß Sklaven vor die Gäste treten und sie bedienen konnten. Natürlich bot sich so auch die Gelegenheit, im freien Mittelteil Künstler auftreten zu lassen. An einem Ende stand ein kleiner Altar für die Priesterkönige; dort brannte ein Feuer. Auf dieses Feuer hatte der Oberdiener Saphrars zu Beginn des Essens einige Brocken Korn, etwas farbiges Salz, einige Tropfen Wein geschüttet. »Ta-Sardar-Gor«, hatte er gesagt ,»für die Priesterkönige Gors«, und diese Worte waren von den Anwesenden wiederholt worden. Nur Kamchak fiel in den Satz nicht ein, der das seinem Himmel nicht zumuten wollte. Ich selbst sagte die Worte in Ehrerbietung vor den Priesterkönigen und in Erinnerung an meinen Freund Misk.
Ein Turianer, der einige Schritte von mir entfernt saß, bemerkte, daß ich die Lippen bewegt hatte, und sagte: »Ich sehe, daß du nicht bei den Wagenvölkern groß geworden bist.«
»Nein«, sagte ich.
»Das ist Tarl Cabot aus Ko-ro-ba«, sagte Saphrar.
»Wie kommt es, daß du meinen Namen kennst?«
»Man hört so allerlei«, sagte der Kaufmann geheimn isvoll.
Ich hätte ihn weiter ausgefragt, aber er wandte sich an einen Mann hinter ihm, und ich vergaß meine Frage.
Während auf den Straßen die Frauen verhüllt gegangen waren, was mich sehr betrübte, belohnte man uns hier um so mehr mit schönen Gesichtern. Mehrere freie Frauen saßen als Gäste am Tisch; Sklavinnen halfen bei der Bedienung. Die freien Frauen legten, wie es der prüde Kamchak empfinden mußte, schamlos ihre Schleier ab und genossen das Fest. Dadurch gewann das Bankett sehr, wenn ich mich auch des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß dieses unverschleierte Auftreten etwas ungewöhnlich war, zumal noch in Anwesenheit von zwei Tuchukkriegern.
Zwischen den Gängen waren verschiedene Unterhalter aufgetreten, Jongleure, Feuerschlucker und Akrobaten. Auch ein Zauberer hatte seine Tricks vorgeführt, die Kamchak besonders gefielen, außerdem ein Mann, der einen Sleen zum Takt seiner Peitsche tanzen ließ.
Ich erhaschte einige Worte des Gesprächs zwischen Kamchak und Saphrar und erriet daraus, daß sie einen Treffpunkt zum Austausch von Waren aushandelten. Später am Abend, als mich der Paga betrunkener gemacht hatte als es eigentlich ratsam war, hörte ich eine Diskussion, die sich nur um jene Spiele drehen konnte, die Kamchak die Spiele des Liebeskrieges genannt hatte — dabei ging es um Zeit, Waffen, Schiedsrichter und dergleichen. Dann hörte ich den Satz: »Wenn sie teilnehmen soll, mußt du uns die goldene Kugel überlassen.«
Abrupt wurde ich munter, und sofort ließ die Wirkung des Alkohols nach. Es durchlief mich wie ein Schock. Ich begann zu zittern, hielt mich jedoch am Tisch fest und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
»Ich kann dafür sorgen, daß sie für die Spiele ausgesucht wird«, sagte Saphrar, »aber das muß sich für mich lohnen.«
»Wie kannst du dafür sorgen, daß sie für die Spiele ausgesucht wird?« fragte Kamchak.
»Mein Gold sorgt dafür«, erwiderte Saphrar, »und auch dafür, daß sie nicht gut verteidigt wird.«
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, daß Kamchaks schwarze Augen blitzten. Dann hörte ich den Oberdiener rufen; seine Stimme ließ alles andere verstummen, die Gespräche und sogar die Musik. Die Akrobaten, die gerade zwischen den Tischen turnten, verschwanden. »Die Lady Aphris von Turia.«
Alle wandten sich um und blickten auf eine breite Marmortreppe zur Linken des riesigen Bankettsaals im Hause Saphrars des Kaufmanns.
In einem bodenlangen weißen Seidenkleid, mit Goldstreifen durchwirkt, kam Aphris aus Turia langsam die Treppe herab. Ihre Sandalen waren aus Gold, und sie trug dazu passende goldene Handschuhe.
Ihr Gesicht war von einem weißseidenen Schleier verborgen, und um den Kopf trug sie die Robe der Verhüllung, so daß auch ihr Haar nicht zu erkennen war.
Ihre Kleidung entsprach den Farben der Kaste der Kaufleute, der sie anzugehören schien. Ich erinnerte mich, daß Kamchak einige Male von dieser Frau gesprochen hatte.
»Die reichste Frau in Turia«, sagte Kamchak.
»Wenn sie volljährig wird«, bemerkte Saphrar.
Bis dahin wurde ihr Vermögen zweifellos von Saphrar verwaltet.
Diese Vermutung wurde mir so später von Kamchak bestätigt. Saphrar war mit dem Mädchen nicht verwandt, sondern war von den turianischen Kaufleuten als Verwalter ihres Vermögens eingesetzt worden, nachdem ihr Vater bei einem paravacischen Überfall ums Leben gekommen war — der reichste Kaufmann der Stadt.
Das Mädchen, das die Blicke aller auf sich ruhen spürte, überschaute die Bankettszene. Ich fühlte, daß sie mich und Kamchak, die Fremden in diesem Kreis, sofort ausgemacht hatte. Ihre Haltung schien darauf hinzudeuten, daß sie ein wenig belustigt war.