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Yaldin nickte, dann gähnte er. »Ihr habt wahrscheinlich Recht.« Er stand auf und reckte sich. »Ich gehe jetzt zu Bett.«

»Dannyl wäre sehr stolz auf Eure Erfolge als Spion«, bemerkte Rothen lächelnd.

Yaldin zuckte die Achseln. »Es ist ganz einfach, sobald man erst einmal den Bogen heraus hat.« Er ging zur Tür. »Gute Nacht.«

»Gute Nacht.«

Rothen erhob sich, schlenderte in sein Schlafzimmer hinüber und schlüpfte in sein Nachtgewand. Als er sich niederlegte, wandten sich seine Gedanken wieder den unvermeidlichen Fragen zu. Hatte er Recht? Würden diese Gerüchte über Dannyl schon bald wieder in Vergessenheit geraten?

Wahrscheinlich. Aber nur, wenn nichts bewiesen wurde.

Er mochte Dannyl besser kennen als irgendjemand sonst, aber es gab eine Seite an dem jungen Mann, zu der Rothen keinen Zugang hatte. Der Novize, den er seinerzeit unter seine Fittiche genommen hatte, war voller Selbstzweifel und Furcht gewesen. Rothen hatte respektvoll Abstand gewahrt, gewisse Themen gemieden und klar gemacht, dass er Dannyl keine Fragen bezüglich des Zwischenfalls mit dem anderen Novizen stellen würde. Er wusste, dass ein Mensch in einer solchen Situation - und erst recht ein junger Mensch - seine Privatsphäre brauchte.

Rothen seufzte und griff nach dem Krug mit Nemmin. Während er das Pulver mit Wasser vermischte, dachte er wehmütig an das vergangene Jahr. Wie war es möglich, dass sich binnen weniger kurzer Monate so viel verändert hatte? Wie sehr wünschte er sich, alle Dinge wären noch so, wie sie vor einem Jahr gewesen waren, bevor Dannyl nach Elyne aufgebrochen war und Sonea an der Universität angefangen hatte.

Er wappnete sich gegen den bitteren Geschmack, setzte das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug.

Als es an der Tür seines Büros klopfte, blickte Lorlen überrascht auf. Es kam nur selten vor, dass jemand ihn so spät noch störte. Er erhob sich, ging durch den Raum und öffnete die Tür.

»Hauptmann Barran«, rief er erstaunt. »Was führt Euch so spät noch in die Gilde?«

Der junge Mann verbeugte sich, dann lächelte er dünn. »Verzeiht mir den späten Besuch, Administrator. Ich bin erleichtert, Euch noch anzutreffen. Ihr habt gesagt, ich solle Euch verständigen, falls im Zusammenhang mit den Morden Hinweise auf Magie gefunden würden.«

Ein Stich der Furcht durchzuckte Lorlen. »Kommt herein und erzählt mir, was Ihr entdeckt habt.«

Barran folgte Lorlen in den Raum.

»Und nun berichtet mir, warum Ihr glaubt, dieser Mörder benutze Magie«, sagte er, nachdem sie Platz genommen hatten.

Barran schnitt eine Grimasse. »Die Brandwunden am Körper eines der Toten… Aber ich will Euch zuerst den Schauplatz beschreiben.« Er hielt inne, offensichtlich um sich die Einzelheiten noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. »Man hat uns den Mord vor etwa zwei Stunden gemeldet. Das Haus liegt im Westviertel, in einem der wohlhabenderen Wohngebiete - was eine Überraschung war. Wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass der Täter mit Gewalt ins Haus eingedrungen ist. Eines der Fenster stand jedoch weit offen. In einem Schlafzimmer fanden wir zwei Männer, einen jungen Mann und seinen Vater. Der Vater war tot und wies all die Spuren auf, die wir inzwischen mit diesem Mörder in Verbindung bringen: Die Handgelenke waren aufgeschnitten und umgeben von blutigen Fingerabdrücken. Der junge Mann lebte noch, stand aber bereits an der Schwelle des Todes. Er hatte die für einen magischen Angriff typischen Brandwunden auf Oberkörper und Armen, und sein Brustkorb war zerquetscht. Trotzdem konnten wir ihn noch befragen, bevor er starb.« Barrans Miene war angespannt. »Er sagte, der Mörder sei ein hoch gewachsener, dunkelhaariger Mann. Außerdem habe er schwarze, fremdartige Kleidung getragen.« Barran blickte zu Lorlens Lichtkugel empor. »Und eins von diesen Dingern sei im Raum umhergeschwebt. Als der junge Mann nach Hause kam, hörte er seinen Vater schreien. Überrascht, entdeckt worden zu sein, hat der Mörder den jungen Mann ohne zu zögern angegriffen und ist dann durchs Fenster geflüchtet.« Barran hielt inne und senkte den Blick. »Oh, und er trug einen …«

Als Lorlen den überraschten Gesichtsausdruck des Hauptmanns sah, senkte er ebenfalls den Blick. Dann stockte ihm der Atem, als ihm klar wurde, dass Akkarins Ring, der im Schein der Lichtkugel rot glitzerte, deutlich zu sehen war. Er dachte schnell nach, dann hob er die Hand und hielt sie Barran hin.

»Einen Ring wie diesen?«

Barran zog die Schultern hoch. »Das kann ich nicht genau sagen. Der junge Mann hatte keine Zeit, um das Schmuckstück in allen Einzelheiten zu beschreiben.« Er zögerte. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Ihr diesen Ring schon früher getragen hättet, Administrator. Darf ich fragen, wo Ihr ihn herhabt?«

»Er war ein Geschenk«, antwortete Lorlen mit einem schiefen Lächeln. »Von einem Freund, der nicht über die Einzelheiten der Morde im Bilde war. Ich hatte das Gefühl, den Ring tragen zu müssen, und sei es auch nur für kurze Zeit.«

Barran nickte. »Ja, Rubine sind im Moment nicht gerade in Mode. Also, was werdet Ihr nun tun?«

Lorlen seufzte und dachte über die Situation nach. Jetzt, da derart offenkundige Hinweise auf Magie vorlagen, sollte er wohl die Höheren Magier davon in Kenntnis setzen. Aber wenn Akkarin der Mörder war und eine Untersuchung zu seiner Entlarvung führte, würde das genau die Art von Konfrontation mit Akkarin heraufbeschwören, die Lorlen fürchtete.

Wenn Lorlen andererseits versuchte, die Hinweise auf Magie zu unterdrücken und sich herausstellte, dass Akkarin nicht der Mörder war, würden noch weitere Menschen unter den Händen eines wilden Magiers sterben. Irgendwann würde man den Mörder finden, die Wahrheit würde ans Licht kommen, und die Menschen würden fragen, warum Lorlen nichts unternommen hatte …

— Du musst selbst Nachforschungen anstellen.

Lorlen blinzelte überrascht. Akkarins Gedankenstimme war so leise wie ein Flüstern. Mit Mühe gelang es ihm, sich daran zu hindern, den Ring anzustarren.

— Sag Barran, dass die Hinweise auf Magie geheim bleiben müssen. Wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass ein Magier zum Mörder geworden ist, würde das nur Panik und Misstrauen hervorrufen.

Lorlen nickte und sah zu Barran hinüber. »Ich werde mit meinen Kollegen darüber reden müssen. Für den Augenblick sorgt dafür, dass möglichst wenige Menschen davon erfahren, dass dieser Mörder Magie benutzt. Wir haben bessere Chancen, mit diesem Mann fertig zu werden, wenn die Öffentlichkeit nicht erfährt, dass er ein wilder Magier ist. Ich werde mich morgen wieder bei Euch melden.«

Barran nickte. Als Lorlen aufstand, folgte der junge Wachmann seinem Beispiel.

»Ich habe da noch eine Information, die Euch vielleicht interessieren wird«, sagte Barran.

»Ja?«

»Es heißt, die Diebe suchten ebenfalls nach diesem Mann. Wie es aussieht, gefällt es ihnen nicht besonders, dass ein Mörder hier sein Unwesen treibt, der nicht unter ihrer Kontrolle steht.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

Barran trat durch die Tür. »Vielen Dank, dass Ihr mich zu so später Stunde noch empfangen habt, Administrator.«

Lorlen zuckte die Achseln. »Ich gehe oft erst spät zu Bett. Obwohl ich bezweifle, dass ich nach der Nachricht, die Ihr mir überbracht habt, heute Nacht viel Schlaf finden werde. Trotzdem danke ich Euch, dass Ihr mich so schnell informiert habt.«

Der junge Wachmann lächelte, dann verbeugte er sich. »Gute Nacht, Administrator.«

Lorlen sah Barran nach und seufzte. Dann blickte er auf den Ring an seiner Hand hinab. Bist du der Mörder?, fragte er das Schmuckstück.

Er bekam keine Antwort.

31

Eine ungeplante Begegnung

Die Straße schlängelte sich durch die Vorhügel der Grauen Berge. Als Dannyl, Tayend und ihre Diener um eine Wegbiegung ritten, kam ein beeindruckendes Bauwerk in Sicht. Es erhob sich direkt vom Rand eines Felsvorsprungs. Winzige Fenster zogen sich entlang der Mauern, und eine schmale Steinbrücke führte zu einem schmucklosen Tor.