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Wieder tauschten Tayend und Dannyl einen Blick.

»Akkarin?«, fragte Dannyl und betrachtete den Karton. Er enthielt einen silbernen Ring. »Warum sollte ihn dieser Ring interessieren?«

»Weil er vor vielen Jahren zu mir kam, auf der Suche nach Informationen über den König von Charkan. Damals hat er mir dieses Symbol gezeigt.« Der Dem hielt den Ring in die Höhe. In das Schmuckstück war ein dunkelroter Edelstein eingelassen, und in den Stein war neben einer grob gezeichneten Hand ein Halbmond eingeritzt. »Aber als ich ihm in einem Brief von meiner Entdeckung erzählte, schrieb er mir zurück, dass er mich aufgrund seiner neuen Position nicht besuchen könne.«

Dannyl nahm den Ring entgegen und unterzog ihn einer eingehenden Betrachtung.

»Die Person, die ihn mir geschickt hat, meinte, dass es eine Legende zu dem Ring gäbe: Angeblich können Magier mit seiner Hilfe miteinander in Verbindung treten, ohne befürchten zu müssen, dass sie belauscht werden«, fügte der Dem hinzu.

»Wirklich? Wer war denn dieser großzügige Spender?«

»Das weiß ich nicht. Er - oder sie - hat keinen Namen angegeben.« Der Dem zuckte die Achseln. »Manchmal wollen die Leute nicht, dass ihre Familien es erfahren, wenn sie etwas Wertvolles weggeben. Außerdem ist es kein echter Edelstein. Es ist nur Glas.«

»Probier ihn aus«, drängte eine Stimme dicht hinter Dannyl.

Dannyl sah Tayend überrascht an. Der Gelehrte grinste. »Nur zu!«

»Ich müsste Verbindung zu einem anderen Magier aufnehmen«, erklärte Dannyl, während er sich den Ring an den Finger steckte. »Und ich müsste einen dritten Magier bitten, zu überprüfen, ob er unser Gespräch belauschen kann.«

Dannyl blickte auf den Ring hinab. Er spürte nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass etwas Magisches im Gange war.

»Er sendet keinerlei Schwingungen aus.« Er nahm den Ring vom Finger und gab ihn dem Dem zurück. »Vielleicht hat er früher einmal magische Fähigkeiten besessen, sie aber im Laufe der Zeit verloren.«

Der alte Mann nickte. »Das Buch wird Euch vielleicht eher weiterhelfen. Hier drüben stehen einige Stühle zum Lesen«, sagte er und deutete auf die andere Seite des Raums. Als sie die Stühle erreichten, erschien die Frau, die sie bei ihrer Ankunft gesehen hatten. Sie trug ein Tablett mit Essschüsseln. Eine andere folgte ihr mit Gläsern und einer Flasche Wein. Tayend nahm Platz und begann, die Geschichte von Ralend von Kemori durchzublättern.

»›Der König von Charkan sprach von seinem Weg‹«, las er. »›Er kam über die Berge und machte Halt in Armje, der Stadt des Mondes, um Geschenke zu entbieten.‹« Tayend blickte auf. »Armje. Diesen Namen habe ich schon einmal gehört.«

»Die Stadt ist heute nur noch eine Ruine«, sagte der Dem, während er an einem wohlschmeckenden Brötchen kaute. »Nicht weit von hier. In jüngeren Tagen bin ich häufig dort hinaufgestiegen.«

Während der Dem nun voller Begeisterung von den Ruinen erzählte, sah Dannyl, dass Tayend nicht zuhörte. Der Blick des Gelehrten wurde schärfer, als er in dem Buch weiterlas. Da Dannyl diesen Blick kannte, lächelte er. Die Bibliothek des Dems hatte sich also doch nicht als Zeitverschwendung erwiesen.

In den zwei Wochen, seit sie das erste Mal die geheimen Gänge betreten hatte, war Sonea nicht ein einziges Mal auf Regin getroffen. Obwohl sie hoffte, dass die Entdeckung durch Lord Yikmo Regins Verbündete verschreckt hatte, wagte sie es doch nicht, daran zu glauben.

Sie hatte nichts gehört, was darauf schließen ließ, dass die Novizen bestraft worden wären. Yikmo hatte den Zwischenfall nicht wieder zur Sprache gebracht, und niemand sonst schien davon zu wissen. Daher vermutete sie, dass der Krieger ihre Bitte, Stillschweigen zu bewahren, respektiert hatte. Unglücklicherweise bedeutete das, dass Regins Verbündete nun erst recht davon überzeugt sein mussten, sie ungestraft schikanieren zu können.

Da Regin ihr stets irgendwo im ersten Stock aufgelauert hatte, wo die Bibliothek lag, verließ sie die Geheimgänge grundsätzlich nur im Erdgeschoss. Am vergangenen Abend hatte sie den ersten Hinweis darauf gefunden, dass Regin ihr Vorgehen durchschaute. Als sie im Erdgeschoss auf den Hauptflur hinausgetreten war, hatte sie am anderen Ende des Gangs einen Novizen stehen sehen, und wenige Schritte später war sie in der Eingangshalle einem der älteren Jungen begegnet. Obwohl er es nicht gewagt hatte, sie anzugreifen, hatte sein selbstgefälliges Lächeln Bände gesprochen.

Heute Abend hatte sie die Geheimgänge daher im zweiten Stock verlassen. Bemüht, beim Gehen möglichst kein Geräusch zu machen, bewegte sie sich vorsichtig auf den Hauptflur zu.

Wenn sie Regin und seinen Freunden begegnete, konnte sie immer noch weglaufen und zurück in die Geheimgänge fliehen. Jedenfalls wenn sie sie nicht stellten, bevor sie einen Eingang erreichte, und wenn sie einen der Zugänge benutzen konnte, ohne dass die anderen sie dabei beobachteten.

Als sie um eine Ecke bog, sah sie an der nächsten Biegung eine braune Robe aufblitzen, und sie ließ mutlos die Schultern sinken. Als sie zurückwich, hörte sie ein Flüstern und Schritte aus der Richtung, aus der sie gekommen war. Sie rannte in einen Seitengang, wo sie mit einem Novizen zusammenprallte. Ein Angriffszauber traf ihren Schild, aber der Junge war allein, und sie konnte ihn mühelos beiseite schieben.

Kurz darauf stieß sie auf zwei weitere Novizen. Sie versuchten, ihr den Weg zu versperren, gaben es jedoch gleich wieder auf. An der Tür zu einem Portalraum wurde sie abermals aufgehalten, als vier Novizen auf sie zutraten, um gegen sie zu kämpfen. Sie schob sich an ihnen vorbei und belegte die Tür mit einem magischen Schloss.

Du musst sie voneinander trennen, dachte sie. Diese Taktik würde Yikmo gefallen.

Im inneren Gangsystem eilte sie auf den nächsten Portalraum zu. Als er in Sicht kam, gab sie der Tür den Befehl, sich zu öffnen und wieder zu schließen, und lief dann hastig zurück.

Immer noch allein, dachte sie. Um sich möglichst geräuschlos bewegen zu können, verlangsamte sie ihre Schritte, wählte einen Umweg zu ihrem Ziel und erreichte schließlich einen Zugang zu den Geheimgängen. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass niemand sie beobachtete, schob sie die Hand unter ein Gemälde und tastete nach dem Hebel.

»Sie ist dort entlanggelaufen«, rief eine Stimme.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie riss den Hebel herunter, stolperte durch die Öffnung und drückte die Tür hinter sich zu.

Umgeben von Dunkelheit, spähte sie schwer atmend durch das Guckloch. Auf der anderen Seite sah sie mehrere Novizen vorbeigehen. Sie zählte sie, und Übelkeit stieg in ihr auf. Zwanzig Novizen.

Aber sie war ihnen ausgewichen. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, und ihre Atmung wurde ruhiger. Ein warmer Lufthauch strich ihr über den Hals.

Sonea runzelte die Stirn. Warme Luft?

Dann hörte sie es, ein Geräusch, das zuvor von ihrer eigenen Atmung übertönt worden war. Sie fuhr herum, beschwor ein Licht herauf… und erstickte einen Angstschrei.

Dunkle Augen schienen sie zu durchbohren. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und das Incal glitzerte golden auf dem Schwarz seiner Robe. Er sah sie mit finsterer Miene an.

Sonea schluckte und wollte zur Seite ausweichen, aber ein Arm versperrte ihr den Weg.

»Hinaus«, knurrte er.

Sie zögerte. Konnte er die Novizen hören? Begriff er, dass sie in eine Falle laufen würde?

»Sofort!«, fuhr er sie an. »Und wag es nicht, diese Gänge noch einmal zu betreten.«

Sie drehte sich um und befingerte mit zitternden Händen das Schloss. Sie warf einen kurzen Blick durch das Guckloch und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass der Flur auf der anderen Seite verlassen war. Als sie hinausstolperte, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, und kalte Luft strich ihr über den Nacken.

Mehrere Herzschläge lang stand sie einfach nur zitternd da. Dann dachte sie daran, dass Akkarin sie durch das Guckloch beobachten konnte, und zwang sich weiterzugehen. Als sie um eine Ecke bog, wandten sich zwanzig Augenpaare überrascht in ihre Richtung.