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Ranel umarmte sie. »Danke für das Geld«, murmelte er.

Sonea lächelte und wollte sich schon den Umhang ausziehen, als sie sich eines Besseren besann. Sie ging zu der Wiege hinüber, die an der Wand stand, und blickte auf ihren schlafenden Cousin hinab.

»Er wächst und gedeiht«, bemerkte sie. »Keine Probleme?«

»Nein, nur ein leichter Husten«, erwiderte Jonna lächelnd. Dann klopfte sie sich auf den Bauch. »Wir hoffen, dass es diesmal ein Mädchen wird.«

Während sie sich weiter unterhielten, stellte Sonea zu ihrer Erleichterung fest, dass die beiden ein wenig entspannter mit ihr umgingen. Sie aßen etwas von dem Brot, spielten mit dem Baby, als es erwachte, und sprachen über mögliche Namen für das nächste. Ranel erzählte Sonea von alten Freunden und Bekannten und von den Dingen, die sich in letzter Zeit in den Hüttenvierteln zugetragen hatten.

»Wir waren nicht in der Stadt, aber wir haben gehört, dass die Säuberung stattgefunden hat«, sagte Ranel seufzend. Er sah sie von der Seite an. »Warst du …?«, fragte er widerstrebend.

»Nein.« Sonea zog die Brauen zusammen. »Novizen sind nicht daran beteiligt. Ich… ich nehme an, es war dumm, aber ich dachte, nach dem, was letztes Jahr geschehen ist, würde es keine Säuberung mehr geben. Wenn ich meinen Abschluss habe, werde ich vielleicht…« Sie schüttelte den Kopf. Was werde ich tun? Es ihnen ausreden? Als würden sie auf ein Hüttenmädchen hören.

Sie seufzte. Sie war immer noch weit davon entfernt, den Menschen helfen zu können, zu denen sie sich früher einmal zugehörig gefühlt hatte. Der Gedanke, die Gilde davon abhalten zu können, weitere Säuberungen durchzuführen, erschien ihr mit einem Mal naiv und lächerlich, ebenso wie die Hoffnung, dass die Magier ihre Heilkünste den Bewohnern der Hüttenviertel zur Verfügung stellen könnten.

»Was haben wir denn sonst noch hier drin?«, sagte Jonna und nahm das Gemüse aus dem Korb. »Bleibst du zum Abendessen, Sonea?«

Sonea richtete sich erschrocken auf. »Wie spät ist es?« Als sie durch eins der hohen, schmalen Fenster blickte, sah sie, dass das Licht draußen sich golden gefärbt hatte. »Ich kann nicht mehr lange bleiben.«

»Sei vorsichtig, wenn du nach Hause gehst«, erwiderte Ranel. »Nicht dass du noch diesem Mörder in die Arme läufst, von dem im Moment alle reden.«

»Er dürfte Sonea wohl keine Schwierigkeiten bereiten«, sagte Jonna kichernd.

Sonea lächelte über die Zuversicht ihrer Tante. »Von welchem Mörder sprecht ihr?«

Ranel zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ich hätte gedacht, dass du darüber Bescheid weißt. Die ganze Stadt redet darüber.« Er schnitt eine Grimasse. »Es heißt, der Mörder gehöre nicht zu den Dieben - soweit ich weiß, suchen die Diebe sogar nach ihm. Aber bisher hatten sie kein Glück.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich lange vor den Dieben wird versteckt halten können«, meinte Sonea.

»Aber das geht nun schon seit Monaten so«, sagte Ranel. »Und einige behaupten, ähnliche Morde hätte es vor einem Jahr schon einmal gegeben und davor auch schon.«

»Weiß irgendjemand, wie der Mann aussieht?«

»Es sind lauter verschiedene Geschichten im Umlauf. Aber die meisten Leute sagen, er trüge einen Ring mit einem großen, roten Edelstein.« Ranel beugte sich vor. »Die seltsamste Geschichte habe ich von einem unserer Kunden gehört. Der Mann seiner Schwester, hat er mir erzählt, besitzt ein Gasthaus im Süden der Stadt. Dieser Mann hörte eines Nachts jemanden in einem der Zimmer schreien, und er ging nachsehen. Als er die Tür öffnete, sprang der Mörder aus dem Fenster. Aber statt drei Stockwerke tief zu Boden zu fallen, fiel er nach oben, als flöge er!«

Sonea zuckte die Achseln. Viele Menschen, die zweifelhaften Tätigkeiten nachgingen, benutzten die Wege über die Dächer der Hüttenviertel, die man auch die Hohe Straße nannte. Es war möglich, dass der Mann einen Haltegriff zu fassen bekommen hatte und auf das Dach hinaufgeklettert war.

»Aber das war es nicht, was die Geschichte so eigenartig machte«, fuhr Ranel fort. »Was dem Gastwirt einen solchen Schrecken eingejagt hat, war die Tatsache, dass der Mann in dem Zimmer tot war, aber die einzigen Verletzungen, die er aufwies, waren leichte Schnittwunden.«

Sonea runzelte die Stirn. Wenn das Opfer nur geringfügige Wunden davongetragen hatte, warum war es dann tot gewesen? Plötzlich gefror ihr das Blut in den Adern. Eine Erinnerung an Akkarin in dem unterirdischen Raum flackerte in ihr auf.

Takan ließ sich auf ein Knie sinken und streckte den Arm aus. In Akkarins Hand glitzerte ein Dolch. Er fuhr mit der Klinge über die Haut des Dieners und legte ihm dann seine Hand auf die Wunde

»Sonea. Hörst du mir überhaupt zu?«

Sie blinzelte. »Ja. Mir ist nur etwas eingefallen. Ein Erlebnis, das ich vor langer Zeit hatte. Es liegt an all diesem Gerede über Morden.« Sie schauderte. »Ich muss gehen.«

Als sie aufstand, zog Jonna sie fest an sich. »Es ist gut zu wissen, dass du dich schützen kannst, Sonea. Um dich brauche ich mir keine Sorgen zu machen.«

»Hm. Ein wenig dürftest du dich schon sorgen.«

Jonna lachte. »Also gut. Wenn es dir dann besser geht.«

Sonea verabschiedete sich von Ranel und trat dann auf die Straße hinaus. Auf dem Weg durch die Hüttenviertel musste sie immer wieder an Lorlens Worte während der Wahrheitslesung denken.

»Obwohl mir der Gedanke nicht gefällt, befürchte ich, dass du ein verlockendes Opfer für ihn sein könntest. Er weiß, dass du sehr stark bist. Du wärst eine mächtige magische Quelle.«

Aber Akkarin konnte sie nicht töten. Wenn sie verschwand, würden Rothen und Lorlen der Gilde sein Verbrechen offenbaren. Dieses Risiko würde Akkarin nicht eingehen.

Dennoch konnte Sonea, während sie durch die Stadttore in das Nordviertel trat, eine gewisse Sorge nicht unterdrücken. Hatte Akkarin die Hüttenviertel zu seinem Jagdgebiet gemacht? Waren ihre Tante und ihr Onkel in Gefahr?

Er wird auch sie nicht töten, sagte sie sich. Dann würde ich der Gilde die Wahrheit enthüllen.

Dann jedoch fiel ihr plötzlich ein, dass der Besuch bei ihrer Familie eine große Torheit gewesen war. Sie war praktisch aus der Gilde verschwunden; nur Tanja wusste, wohin sie gegangen war. Wenn Lorlen und Rothen erfuhren, dass sie nirgends zu finden war, würden sie vielleicht auf die Idee kommen, das sei Akkarins Werk. Oder Akkarin könnte zu dem Schluss gekommen sein, dass sie die Gilde verlassen hatte. Vielleicht traf er bereits Vorbereitungen, die anderen zum Schweigen zu bringen.

Schaudernd wurde ihr bewusst, dass sie sich erst wieder sicher fühlen würde, wenn sie in die Gilde zurückgekehrt war, selbst wenn das bedeutete, dass sie unter demselben Dach lebte wie der Mann, der möglicherweise der Mörder war, den die Hüttenbewohner fürchteten.

33

Die Warnung des Hohen Lords

Vogelgezwitscher und Wind begrüßten Dannyl, als er erwachte. Er schlug die Augen auf und sah sich blinzelnd um. Rings um ihn herum erhoben sich steinerne Mauern, aber er konnte kein Dach über sich erkennen. Er lag auf einem dicken Bett aus ausgerissenem Gras. Die Luft roch nach Morgen.

Armje. Er befand sich in den Ruinen von Armje.

Dann fielen ihm die Höhle und die Kuppeldecke wieder ein, die ihn angegriffen hatte.

Ich habe also überlebt.

Er blickte an sich hinab. Seine Robe war am Saum verkohlt. Die Haut an seinen Waden war rot und brannte. Als er den Kopf drehte, sah er einige Schritte entfernt seine Stiefel stehen. Sie waren verkohlt, und das Leder war blasig.

Er war dem Tode nahe gewesen.

Tayend musste ihn aus der Höhle gezogen und hierher gebracht haben. Dannyl sah sich um, konnte den Gelehrten aber nirgends entdecken. Allerdings lag auf dem Boden neben ihm Tayends blaue Jacke über einem zweiten Bett aus Gras.