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Einen Moment lang überlegte er, ob er aufstehen und nach seinem Freund suchen sollte, beschloss dann jedoch, liegen zu bleiben. Tayend konnte nicht weit entfernt sein, und er verspürte ein überwältigendes Widerstreben, sich zu bewegen. Er brauchte Ruhe - nicht weil sein Körper danach verlangte, sondern weil seine Magie erschöpft war.

Er konzentrierte sich auf die Quelle seiner Kraft und stellte fest, dass ihm praktisch keine Magie mehr zur Verfügung stand. Normalerweise hätte er geschlafen, bis er einen Teil seiner Energie zurückgewonnen hatte. Das Wissen, dass es ihm an Magie mangelte, hätte ihn eigentlich beunruhigen müssen, aber stattdessen fühlte er sich seltsam befreit, als sei eine Last von ihm abgefallen.

Er hörte Schritte und richtete sich auf einem Ellbogen auf. Tayend trat in den unbedachten Raum und lächelte, als er sah, dass Dannyl wach war. Das Haar des Gelehrten war ein wenig zerzaust, aber davon abgesehen gelang es ihm, tadellos gepflegt zu wirken, obwohl er auf einem Bett aus Gras geschlafen hatte.

»Endlich bist du aufgewacht. Ich habe gerade unsere Flaschen aufgefüllt. Hast du Durst?«

Dannyl nickte, nahm die Flasche entgegen und leerte sie.

Tayend ging neben ihm in die Hocke. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

»Ja. Die Haut um die Knöchel herum ist ein wenig wund, aber das ist auch schon das Schlimmste.«

»Was ist passiert?«

Dannyl schüttelte den Kopf. »Dieselbe Frage wollte ich dir gerade stellen.«

»Du musst zuerst erzählen.«

»Also schön.« Dannyl beschrieb die Höhle mit der Kuppel und berichtete, dass sie ihn angegriffen habe. Tayends Augen weiteten sich.

»Nachdem du hineingegangen warst, habe ich weiter versucht, die Schriftzeichen zu entziffern«, erklärte der Gelehrte. »Die Schrift besagte, dass die Tür zu einem Ort namens Höhle der Höchsten Strafe führe, und weiter unten hieß es dann, dass sie geschaffen worden sei, um Magier hinzurichten. Ich habe versucht, dich zu warnen, dann hast du meinen Namen gerufen und den Tunnel für mich beleuchtet. Bevor ich aber dessen Ende erreichte, sind sie alle wieder erloschen.« Tayend schauderte. »Ich bin weitergegangen. Als ich die Höhle erreichte, fand ich dich an irgendeinen unsichtbaren Gegenstand gedrückt. Dann bist du plötzlich zu Boden gestürzt und hast dich nicht mehr bewegt. Ich konnte weitere von diesen Blitzen an den Wänden sehen und habe dich an den Armen gepackt und von der Plattform heruntergezogen. Dann haben die Blitze diese Plattform erreicht, und alles wurde mit einem Mal dunkel. Ich konnte nichts sehen, aber es ist mir gelungen, dich durch den Tunnel hinauszuziehen. Dann habe ich dich hierher getragen.« Er hielt inne, und ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. »Du bist übrigens ganz schön schwer.«

»Ach ja?«

»Das muss an deiner Größe liegen, davon bin ich überzeugt.«

Dannyl lächelte, dann überwältigte ihn plötzlich ein Gefühl von Zuneigung und Dankbarkeit. »Du hast mir das Leben gerettet, Tayend.«

Der Gelehrte blinzelte, dann sah er ihn verlegen an. »Wahrscheinlich. Sieht so aus, als hätte ich meine Schulden diesbezüglich beglichen. Also, meinst du, die Gilde weiß von dieser Höhle der Höchsten Strafe?«

»Ja. Nein. Vielleicht.« Dannyl schüttelte den Kopf. Er wollte weder über die Gilde sprechen noch über die Höhle. Ich lebe, dachte er. Er sah sich um, betrachtete die Bäume, den Himmel und schließlich Tayend. Er ist wirklich ein ausgesprochen schöner Mann, durchzuckte es ihn plötzlich. Irgendetwas regte sich in ihm, wie eine Erinnerung, die zu verschwommen war, um sie in Worte zu fassen. Das Gefühl wurde stärker, als er sich darauf konzentrierte, und ein vertrautes Unbehagen beschlich ihn. Er versuchte, es beiseite zu drängen.

Mit einem Mal wurde ihm seine magische Erschöpfung wieder bewusst. Er runzelte die Stirn und fragte sich, warum er instinktiv nach seinen Kräften gegriffen hatte. Dann dämmerte ihm die Erkenntnis. Er war drauf und dran gewesen, seine Heilkräfte zu benutzen, um das Unbehagen zu verscheuchen oder zumindest die körperliche Reaktion, die es hervorgerufen hatte. Wie ich es immer tue, ohne darüber nachzudenken.

»Was ist los?«, fragte Tayend.

Dannyl schüttelte den Kopf. »Nichts.« Aber das war eine Lüge. Während all der Jahre hatte er das getan: hatte sich von den Gedanken abgewandt, die ihm solche Qualen bereitet hatten, und seine Heilkräfte benutzt, um seinen Körper daran zu hindern, überhaupt zu reagieren.

Erinnerungen fluteten zurück. Erinnerungen an die Zeit, da er der Gegenstand von Skandalen und Gerüchten gewesen war. Er war zu dem Schluss gekommen, dass seine Gefühle nicht akzeptabel seien und dass es daher das beste sei, überhaupt nichts zu fühlen. Und vielleicht würde er mit der Zeit lernen, zu begehren, was richtig und anständig war.

Aber nichts hatte sich geändert. In dem Moment, in dem er die Fähigkeit verlor, sich zu heilen, war es wieder da. Er hatte versagt.

»Dannyl?«

Als er Tayend ansah, setzte Dannyls Herz einen Schlag aus. Wie konnte er seinen Freund ansehen und denken, dass ein Mensch wie er ein Versager war?

Er konnte es nicht. Er hatte so lange dagegen angekämpft. Was für ein Gefühl würde es sein, mit diesem Kampf aufzuhören? Zu akzeptieren, was er war?

»Du hast so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Woran denkst du?«

Dannyl sah Tayend versonnen an. Der Gelehrte war sein engster Freund. Noch enger als Rothen, wurde ihm plötzlich bewusst. Er war nie in der Lage gewesen, Rothen die Wahrheit zu sagen. Er wusste, dass er Tayend vertrauen konnte. Hatte der Gelehrte ihn nicht vor dem Klatsch der elynischen Höflinge geschützt?

Es wäre eine solche Erleichterung, es einfach irgendjemandem zu sagen, dachte Dannyl. Er atmete tief durch.

»Ich fürchte, ich war nicht ganz ehrlich zu dir, Tayend.«

Die Augen des Gelehrten weiteten sich. Er lehnte sich ein wenig zurück und lächelte. »Wirklich? Inwiefern?«

»Dieser Novize, mit dem ich mich vor Jahren angefreundet habe… Er war genau das, was man von ihm sagte.«

Ein Lächeln spielte um Tayends Lippen. »Du hast nie etwas anderes behauptet.«

Dannyl zögerte, dann sprach er weiter. »Und ich war es auch.«

Dannyl, der Tayends Gesicht beobachtete, war überrascht zu sehen, dass sich das Lächeln des anderen Mannes vertiefte.

»Ich weiß.«

Dannyl runzelte die Stirn. »Wie konntest du das wissen? Nicht einmal ich habe mich daran erinnert. Bis jetzt.«

»Erinnert?« Tayends Miene wurde wieder ernst, und er neigte den Kopf zur Seite. »Wie kann man so etwas vergessen?«

»Ich…« Dannyl seufzte, dann erklärte er dem Gelehrten, was es mit der Heilkunst auf sich hatte. »Nach einigen Jahren wurde es mir wahrscheinlich einfach zur Gewohnheit. Der Geist kann sehr mächtig sein, insbesondere bei Magiern. Man bildet uns darin aus, unseren Geist zu sammeln und ein hohes Maß an Konzentration zu erreichen. Ich habe jeden gefährlichen Gedanken beiseite gedrängt. Es hätte vielleicht nicht funktioniert, wäre ich nicht außerdem imstande gewesen, alle körperlichen Gefühle mit Magie zu unterdrücken.« Er verzog das Gesicht. »Aber es hat nichts geändert. Im Grunde ist, was das betraf, nur Leere zurückgeblieben. Ich habe weder Männer noch Frauen begehrt.«

»Das muss furchtbar gewesen sein.«

»Ja und nein. Ich habe einige Freunde. Wahrscheinlich war ich einsam. Aber es war eine dumpfe Art von Einsamkeit. Das Leben bereitet einem nicht viele Schmerzen, wenn man sich nicht auf andere Menschen einlässt.« Er hielt inne. »Aber lebt man dann überhaupt wirklich?«

Tayend antwortete nicht. Dannyl nahm einen wachsamen Zug im Gesicht des anderen Mannes wahr.

»Du wusstest es«, bemerkte Dannyl langsam. »Aber du konntest nichts sagen.« Weil ich mit Angst und Lügen darauf reagiert hätte.

Tayend zuckte die Achseln. »Es war eher eine Ahnung. Und wenn ich Recht hatte, wusste ich, dass die Chance bestand, dass du dich diesem Gefühl niemals stellen würdest. Nachdem ich jetzt gehört habe, welche Anstrengungen du unternommen hast, erstaunt es mich umso mehr, dass du es überhaupt getan hast.« Er hielt inne. »Es ist schwer, mit alten Gewohnheiten zu brechen.«