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»Aber ich werde es tun.« Dannyl stockte, als ihm klar wurde, was er da gesagt hatte. Kann ich mich wirklich darauf einlassen? Kann ich akzeptieren, was ich bin, und mich der Angst vor Entdeckung und Ablehnung stellen?

Als er Tayend ansah, hörte er eine Stimme tief in sich antworten: Ja!

Der Weg zur Residenz des Hohen Lords war gesprenkelt mit winzigen bunten Blüten. Als der Wind durch die Bäume strich, flatterten weitere Blüten zu Boden. Sonea bewunderte die Farben. Seit dem Besuch bei ihrer Familie am vergangenen Tag war ihr ein wenig leichter ums Herz. Nicht einmal Regins Blicke im Unterricht hatten daran etwas geändert.

Als sie jedoch die Residenz erreichte, befiel sie ein vertrautes Gefühl der Beklemmung. Die Tür schwang bei ihrer Berührung auf. Sonea verneigte sich vor dem Magier, der im Empfangszimmer stand.

»Guten Abend, Sonea«, sagte Akkarin. Bildete sie es sich nur ein, oder klang seine Stimme tatsächlich anders als sonst?

»Guten Abend, Hoher Lord.«

Die gemeinsamen Mahlzeiten am Ersttag folgten einem inzwischen vertrauten Muster. Akkarin erkundigte sich jedes Mal nach ihrem Unterricht, und sie antwortete so ausführlich und genau wie nur möglich. Davon abgesehen sprachen sie nicht viel über andere Themen. An dem Abend, nachdem er sie in den Tunneln entdeckt hatte, hatte sie erwartet, dass er das Thema anschneiden würde, was zu ihrer Erleichterung jedoch nicht geschehen war. Offensichtlich war er der Meinung, dass sie keines weiteren Tadels bedurfte.

Sie trottete die Treppe hinauf. Wie immer erwartete Takan sie im Esszimmer. Ein köstlicher, würziger Geruch wehte zu ihr herüber, und sie spürte, dass ihr Magen vor Ungeduld knurrte. Aber als Akkarin ihr gegenüber Platz nahm, fiel ihr Ranels Geschichte über den Mörder wieder ein, und sie verlor den Appetit.

Sie blickte auf den Tisch hinab und sah dann verstohlen zu Akkarin. Saß sie einem Mörder gegenüber? Als er zu ihr herüberschaute, wandte sie hastig den Blick ab.

Ranel hatte gesagt, dass der Mörder einen Ring mit einem roten Edelstein getragen habe. Als sie jetzt Akkarins Hände betrachtete, war sie beinahe enttäuscht darüber, dass er keinen Ring trug. Sie konnte nicht einmal einen Abdruck erkennen, der darauf hätte schließen lassen, dass er regelmäßig Schmuck getragen haben könnte. Seine Finger waren lang und elegant und doch männlich …

Takan kam mit einem Tablett voller verschiedener Speisen herein und lenkte ihre Aufmerksamkeit vorübergehend ab. Als Sonea zu essen begann, richtete Akkarin sich auf, und sie wusste, dass er nun seine gewohnten Fragen stellen würde.

»Wie geht es deiner Tante und deinem Onkel und ihrem kleinen Sohn? Ist dein Besuch bei deiner Familie gestern Nachmittag zu deiner Zufriedenheit ausgefallen?«

Er weiß es! Sie sog die Luft ein und bekam einen Bissen in die falsche Kehle. Hastig griff sie nach einer Serviette, hielt sie sich vors Gesicht und hustete. Woher weiß er, wo ich war? Ist er mir gefolgt? Oder war er in den Hüttenvierteln, um nach Opfern Ausschau zu halten, und hat mich zufällig dort gesehen?

»Du wirst mir doch nicht unter den Händen sterben, oder?«, fragte er trocken. »Das käme mir sehr ungelegen.«

Sonea ließ die Serviette sinken und stellte fest, dass Takan mit einem Glas Wasser neben sie getreten war. Sie nahm es entgegen und trank einen Schluck.

Was soll ich sagen? Er weiß, wo Jonna und Ranel wohnen. Ein Stich der Furcht durchzuckte sie, aber sie drängte ihn beiseite. Wenn er gewollt hätte, hätte er das mühelos in Erfahrung bringen können, auch ohne ihr zu folgen. Möglich, dass er sogar aus ihren - oder Rothens - Gedanken gelesen hatte, wo ihre Familie lebte.

Er schien keine Antwort zu erwarten. »Ich habe nichts dagegen, dass du sie besuchst«, erklärte er. »Ich erwarte jedoch von dir, dass du mich grundsätzlich um Erlaubnis fragst, bevor du das Gelände der Gilde verlässt. Beim nächsten Mal, Sonea«, fuhr er fort und sah sie dabei mit harten Augen an, »wirst du gewiss daran denken, mich vorher zu fragen.«

Sonea senkte den Blick und nickte. »Ja, Hoher Lord.«

Die Tür öffnete sich gerade in dem Moment, als Lorlen die Residenz des Hohen Lords erreicht hatte. Sonea trat, ihren Bücherkoffer unterm Arm, hinaus. Sie blinzelte ihn überrascht an, dann verbeugte sie sich.

»Administrator.«

»Sonea«, erwiderte er.

Sie blickte auf seine Hand hinab, dann weiteten sich plötzlich ihre Augen, und sie drehte sich um und lief an ihm vorbei auf die Universität zu.

Lorlen schloss einen Moment lang die Augen. Offensichtlich hatte sie von dem Mörder und seinem roten Ring gehört. Was mochte sie jetzt von ihm denken? Während er ihr nachsah, schnürte sich ihm die Brust zusammen. Tag für Tag bewegte sie sich von einem unausweichlichen Albtraum zum nächsten. Aus dem Schatten Akkarins zu den Qualen, die die Novizen ihr zufügten. Es war eine grausame Situation.

Und eine unnötige. Er ballte die Fäuste, straffte sich und trat durch die Tür. Akkarin saß in einem der luxuriösen Sessel und nippte bereits an einem Weinglas.

»Warum lässt du zu, dass die Novizen sich gegen sie zusammenrotten?«, fragte er, bevor ihn Mut und Zorn verließen.

Akkarin hob die Augenbrauen. »Ich nehme an, du meinst Sonea? Es tut ihr gut.«

»Gut?«, entfuhr es Lorlen.

»Ja. Sie lernt auf diese Weise, sich zu verteidigen.«

»Gegen andere Novizen?«

»Sie sollte imstande sein, sie zu besiegen. Sie sind nicht besonders gut koordiniert.«

Lorlen schüttelte den Kopf und begann, im Raum auf und ab zu gehen. »Aber sie besiegt sie nicht, und einige Magier fragen sich, warum du nicht eingreifst und dem Ganzen ein Ende machst.«

Akkarin zuckte die Achseln. »Es ist meine Sache, wie ich meine Novizin ausbilde.«

»Wie du sie ausbildest! Das ist keine Ausbildung

»Du hast Lord Yikmos Analyse gehört. Sie ist viel zu nett. Echte Konflikte werden sie lehren, sich zur Wehr zu setzen.«

»Aber hier geht es um fünfzehn Novizen, die gegen eine einzelne kämpfen. Wie kannst du erwarten, dass sie sich gegen so viele behauptet?«

»Fünfzehn?« Akkarin lächelte. »Als ich sie das letzte Mal beobachtet habe, waren es fast zwanzig.«

Lorlen blieb jäh stehen und starrte den Hohen Lord an. »Du hast sie beobachtet?«

»Wann immer es nur möglich ist.« Akkarins Lächeln vertiefte sich. »Obwohl es nicht immer einfach ist, mit ihnen Schritt zu halten. Ich wüsste gern, wie diese letzte Geschichte ausgegangen ist. Es waren achtzehn, vielleicht neunzehn Novizen, und Sonea hat es trotzdem geschafft, sich zu befreien.«

»Sie ist ihnen entkommen?« Lorlen fühlte sich mit einem Mal ein wenig benommen. Er ging zu einem Sessel hinüber und ließ sich in das weiche Polster sinken. »Aber das bedeutet …«

Akkarin kicherte. »Ich würde dir raten, es dir gut zu überlegen, wenn du die Absicht hättest, es in der Arena mit ihr aufzunehmen, Lorlen, obwohl ihr Mangel an Geschick und Selbstvertrauen dir gewiss den Sieg sichern würden.«

Lorlen antwortete nicht, denn er hatte noch immer Mühe zu begreifen, dass eine so junge Novizin wie Sonea bereits so mächtig sein konnte. Akkarin beugte sich zu ihm vor, und seine dunklen Augen funkelten.

»Jedes Mal, wenn die anderen sie angreifen, wächst sie ein klein wenig weiter über sich hinaus«, sagte er leise. »Sie lernt, sich auf eine Weise zu verteidigen, die weder Balkan noch Yikmo ihr beibringen können. Ich werde Regin und seine Komplizen nicht aufhalten. Sie sind die besten Lehrer, die Sonea hat.«

»Aber… warum willst du, dass sie stärker wird?«, flüsterte Lorlen. »Hast du keine Angst, dass sie sich gegen dich wenden könnte? Was wirst du tun, wenn sie ihren Abschluss macht?«